Das brasilianische Fischerdorf Prainha do Canto Verde, das im März 2000 für sein sozialverantwortliches Tourismusprojekt mit dem „TODO!99“-Preis international gewürdigt wurde (vgl. KUNA 2/2000), steht auf unsicherem Boden. Der seit zwei Jahrzehnten andauernde Landkonflikt zwischen den DorfbewohnerInnen und einem Immobilienspekulanten, der auf dem Gemeindeland Wochenendhäuschen bauen will, soll noch dieses Jahr vor dem Staatsgericht in Caerá endgültig entschieden werden.
Im Staate Ceará im Nordosten Brasiliens sind seit Ende der 80er Jahre fast 900 Millionen US-Dollar in den Ausbau des Tourismus geflossen. In der Folge haben viele Fischerdörfer ihr Land an Immobilienspekulanten verloren. Die Dorfgemeinschaft von Prainha do Canto Verde widersetzt sich seit Ende der 70er Jahre der Vertreibung. Damals erwarb der Spekulant Antônio Sales Magalhães mehrere kleine Grundstücke im Küsteninland und konnte das Grundbuchamt dazu bewegen, seinen Landbesitz bis ans Meer – auf eine Fläche von 749 Hektaren – auszudehnen. Sein Landanspruch wurde 1984 durch das Gericht von Beberibe bestätigt. Seit damals kämpft das Zentrum für Menschenrechte des Erzbischoftums in Forta-leza für die Rechte der Dorfbevölkerung. Obwohl der Rekurs gegen das Gerichtsurteil 1989 gutgeheissen wurde, ist der Prozess bis heute nicht abgeschlossen. Die Immobiliengesellschaft Henrique Jorge S.A., die das Dünengebiet von Magalhães gekauft hatte, zögerte nicht, ihre Interessen mit Waffengewalt durchzusetzen. Wiederholt wurde das Dorf überfallen, die Bevölkerung bedroht und die Neubauten zerstört (vgl. KUNA 3/1995). Erst nach einem Überfall im Jahre 1995, als sich die Organisationen, BehördenvertreterInnen und PolitikerIn-nen mit dem Dorf solidarisierten und die zerstörten Häuser in einer gemeinsam Aktion wie-deraufbauten, zog sich die Immobilienfirma zurück. Der Erfolg und die internationale Anerkennung, die das Projekt „Amigos de Prainha do Canto Verde“ in den letzten Jahren für seine nachhaltige Dorfentwicklung erhalten hat, hat auch der Immobiliengesellschaft das Dünengebiet wieder in Erinnerung gerufen. Seit Mai 2000, erzählt René Schärer vom Dorfprojekt, versuche die Firma vergeblich, Zäune zu errichten und die Dünen zu bepflanzen, denn gebaut werden dürfe nur, wenn feste Vegetation vorhanden sei. Zudem scheine sie nach Landkäu-fern zu suchen für den Fall, dass die geplante Überbauung nicht bewilligt werde.
Eine Wende im Landkonflikt dürfte die Demarkation von Bundesland (Terra da União) bringen, die im Sommer 2000 eingeleitet worden ist. Ein Grossteil des strittigen Landes sei Eigentum des Staates Brasilien und dürfte im Prozess mit der Immobilienfirma gar nicht zur Verhandlung stehen, argumentiert die Bevölkerung seit Jahren. Am 15. Mai 1998 gelangte der Einwohnerverein mit einem Antrag an den Gouverneur von Ceará und verlangte, dass das Konfliktgebiet enteignet und der Bevölkerung – nach Gewohnheitsrecht die rechtmässigen BewohnerInnen – überschrieben werde. Der Antrag wird von vielen prominenten Personen – unter anderem vom Schweizer Botschafter Dr. Oskar Knapp – unterstützt. Seit Juni 2000 liegen die für die Ausmessung des Konfliktgebietes benötigten Luftaufnahmen endlich vor. Je breiter der staatseigene Küstenstreifen ausfällt, umso kleiner ist das Gebiet, über das vor Gericht verhandelt wird. Das verarmte Zentrum für Menschenrechte kann die Dorfgemeinschaft vor Gericht nur weiter vertreten, wenn die Bevölkerung für die Kosten selber aufkommt. Prainha do Canto Verde hat zu diesem Zweck einen Justizfonds eingerichtet und sucht nun dringend Spenden. In Zürich wird zudem am 25. Oktober der Unterstützungsverein „Amigos de Prainha do Canto Verde“ gegründet mit dem Ziel, den Kreis der interessierten Personen zu erweitern und die Entwicklungsarbeit auf einen grösseren Teil des Küstengebietes auszudehnen. /frei

Quellen: Informationen unter www.fortalnet.com.br/~fishnet (deutsche Homepage des Projekts „Amigos de Prainha do Canto Verde“); Informationen von René Schärer, Sept. 2000