Praktikum in Zimbabwe: Zwei Monate Stillstand und Bewegung
Bereits am Abend meiner Ankunft in Harare wurde ich in die internationale Welt der zivilgesellschaftlichen Akteure eingeführt, die sich gerade in Harare traf. Die Direktorin von YETT, Lucy Mazingi, nahm mich zum jährlichen "African Feminin Forum" mit. Hier versammelten sich Frauen aus allen afrikanischen Ländern zu einer mehrtägigen Konferenz. In Foren und Arbeitsgruppen wurden Themen wie die Bekämpfung häuslicher Gewalt behandelt.
Anschliessend begann der Arbeitsalltag. Im Büro von YETT stand ich der Projektleiterin Samantha Moyo zur Seite. Die Arbeit von YETT besteht aus viel Vorbereitungsarbeit für die Koordinationstreffen und Ausbildungsworkshops. So bin ich erst am Ende meines Aufenthaltes für mehrere Tage nach Bulawayo gefahren, um dort die konkrete Arbeit mit den Jugendorganisationen zu unterstützen. Zusammen mit den YETT-Vertreterinnen führten wir einen "Leadership Workshop" für die AktivistInnen durch. Hier konnte ich mich auch mit der Jugendorganisation "Victory Siyanqoba Trust" austauschen.
Einblicke
In Harare öffneten sich mir dank der Verbindung zu YETT viele Türen. So erhielt ich zum Beispiel einen Interviewtermin mit dem "Deputy Minister" für Jugendangelegenheiten. Mit ihm sprach ich über die Situation der Jugend im Land. Viel Brauchbares ist dabei nicht herausgekommen. Er durfte oder wollte nicht über heikle Themen wie die faktische Perspektivlosigkeit der Jugend sprechen. Dennoch war es wichtig, diese Hintergründe der Arbeit von YETT und der Jugendorganisationen in Zimbabwe kennenzulernen. Ich sah so auch die Welt ausserhalb der sehr aktiven Zivilgesellschaft in Harare und erhielt einen anderen Einblick in politische Aspekte des Landes.
Überhaupt gab es neben der Arbeit bei YETT Gelegenheit, das Land und seine Menschen kennenzulernen. So verbrachte ich mit meinen neugewonnenen Freunden ein Wochenende in den Bvumba- Bergen im Osten. Das Hochland dort besticht mit seiner eindrücklichen Landschaft und von den Hügeln kann man bis weit nach Mozambique sehen. Ein kultureller Höhepunkt war der Besuch der Ruinenstadt "Great Zimbabwe", deren Ursprünge bis ins 11. Jahrhundert zurück reichen. Als Besucherin war ich selten mit den schwierigen Seiten des Alltags in Zimbabwe konfrontiert. Aber ich habe intensiv gesehen und gehört, wie schwer das Leben für die Meisten ist.
Geldverknappung
Die politische und wirtschaftliche Lage war zum Zeitpunkt, als ich in Harare gelebt habe, bereits prekär. Schon im Mai begann für die ZimbabwerInnen (und auch für mich) das Schlange stehen vor den Banken und das Hoffen darauf, dass man mit etwas Glück einige US-Dollar von seinem Konto abheben kann. Die Cash-Krise lähmt das Land und kostet die ZimbabwerInnen Nerven, Zeit und auch viel Geld. Seit der Hyperinflation im Jahr 2008 werden alle Löhne in Dollars ausgezahlt. Aber nach vielen Jahren mit negativen Handelsbilanzen werden die Noten immer knapper. Wenn man dann endlich am Schalter steht und eigentlich noch genügend von seinem eigenen Geld auf dem Konto hätte, wird die eigene internationale Bankkarte nicht akzeptiert oder es gibt ein Bezugslimit von 50 Dollar. Oder man landet einen Glückstreffer, ja, auch das ist möglich. Wenn ich Glück hatte, dann bin ich jeweils mit Bündeln an kleinen Dollarscheinen schnell nach Hause gegangen. Noch im Mai hatte die Regierung die Einführung der sogenannten Bond-Notes angekündigt, welche den US-Dollar als Landeswährung im Alltag ersetzen sollen. Das wäre eine Währung, welche nur im Land selbst Gültigkeit besitzt, jedoch nicht über die Landesgrenzen hinaus oder gegen andere Währungen gewechselt werden kann. Die ZimbabwerInnen fürchteten sich massiv vor der Einführung dieser Noten. Immerhin: bis heute ist es nicht dazu gekommen.
Aus der Ferne verbunden
In den vier Monaten, seit ich wieder in der Schweiz bin, hat sich in Zimbabwe vieles ereignet. Die politische Lage spitzt sich von Tag zu Tag zu und die Leute scheinen nach 36 Jahren, in denen Mugabe und seine Entourage an der Macht sind, genug zu haben. Im Land brodelt es. Kurz nach meiner Heimreise gab es den ersten Generalstreik seit vielen Jahren. Meine Freunde sprachen von einem "shut down", von einem totalen Stillstand des Landes. Als ob der Stecker gezogen worden wäre. Tatsächlich zeigten die Bilder, die ich gesehen habe, Harare als eine Geisterstadt. Andererseits kam es in der Hauptstadt in den letzten Wochen während Strassenprotesten zu heftigen und gewalttätigen Zusammenstössen zwischen der Bevölkerung und der Polizei. Bilder von blutüberströmten und verängstigten Menschen kursierten in den Facebook und WhatsApp-Gruppen, über welche ich mit Bekannten und Freunden in Harare in Kontakt stehe.
Die Tatsache, dass der zimbabwische Staat bankrott ist, beschleunigt das Aufwallen der Wut in der Bevölkerung. Sogar die Staatsangestellten werden seit Monaten nicht bezahlt. Dazu kommen die drei Millionen Menschen, die auch wegen der Dürre an Hunger leiden. Die Jungen, welche die Mehrheit der Bevölkerung ausmachen, haben wenig Hoffnung auf einen raschen Wandel. Der konkrete Auslöser für die neusten Proteste war ein Video des Priesters Evan Mawarire in den sozialen Medien. Aus Verzweiflung darüber, dass er das Schulgeld seiner beiden Töchter nicht zahlen konnte, hielt Mawarire eine rhetorisch brillante Klagerede über sein Land. Er fragte, wo denn die Werte und Reichtümer geblieben seien, welche von den Farben der zimbabwischen Flagge symbolisiert werden. Grün, das für die Vegetation und Landwirtschaft stehe, sei aufgrund der Dürre und Misswirtschaft nicht oder kaum mehr vorhanden. Gelb, das den Reichtum an Mineralien repräsentiere, von dem nur eine kleine Gruppe von Profiteuren etwas habe. Und das Blut der Freiheitskämpfer, das durch die rote Farbe symbolisiert wird: wozu wurde es vergossen?
Mawarire musste das Land inzwischen verlassen. Die Wut der meisten ZimbabwerInnen ist geblieben. Und dennoch durfte ich in meiner Zeit in Harare so viel Freundlichkeit und Wärme erleben. Die Leute haben immer einen bösen Witz bereit, um dem neusten herben Schlag zu begegnen und sich über den "Old Man" lustig zu machen.