Die Medien spielen eine wichtige Rolle. Im Jahr 2011 deckte Untersuchung der Radiosendung Kaliber missbräuchliche strukturelle Mängel in einer Betreuungseinrichtung in Siem Reap (Kambodscha) auf, in dem Projects Abroad Freiwillige untergebracht hatte.

Al Jazeera behandelte das Thema später mit einer Dokumentation, die zu der ersten weltweiten Empörungswelle über die unregulierte Freiwilligentätigkeit im Ausland führte. Im Jahr 2012 ging die Al Jazeera-Journalistin Juliana Ruhfus undercover im Rahmen eines Freiwilligeneinsatzes von Project Abroad in ein Waisenhaus und fand alarmierende Bedingungen vor. Die Kinder lebten in einer missbräuchlichen Umgebung, und die Freiwilligen wurden nicht ausreichend vorbereitet, ausgebildet und überprüft. Die Fernsehcrew durfte sogar Kinder ihrer Wahl – die Kinder mussten sich für sie aufstellen – zu einem unbeaufsichtigten Tagesausflug mitnehmen.

Einige andere Fernsehsender, wie zum Beispiel Canal + France und das ZDF  nahmen sich des Themas an und drehten ähnliche Dokumentationen über Projects Abroad und die enormen strukturellen Probleme hinter der Freiwilligentourismusindustrie. Zudem widmeten sich auch einige nationale und internationale gemeinnützige Organisationen dem Thema, sodass es schliesslich von der Politik aufgegriffen wurde.

Projects Abroad Waisenhausvermittlung wird durch die kambodschanische Regierung eingestellt

Projects Abroad rechtfertigte ihre Einsätze in missbräuchlichen Waisenhäusern, indem sie auf deren bestehende rechtliche Registrierung als NGO verwiesen. Das Unternehmen bestritt die Mängel und betonte, dass es in der Vergangenheit keine legitimen und gerechtfertigte Vorwürfe gegen das Waisenhaus gegeben habe. Diese Aussage kann allerdings widerlegt werden, da zahlreiche Bedenken und Missstände von verschiedenen Instanzen adressiert worden waren. Infolgedessen wurden eine Reihe von behördlichen Inspektionen am Projektplatz durchgeführt, denen das Waisenhaus nicht standhielt. Daraufhin wurde das Waisenhaus geschlossen.

Projects Abroad’s fragwürdige Gegendarstellungen 

Die Stellungnahmen von Projects Abroad, sei es im TV, in den sozialen Medien und verschiedenen Blogposts waren von scharfzügiger Rhetorik gespickt. Die Dokumentation von Al Jazeera wurde als oberflächlich betitelt und AktivistInnen wurden der "irreführenden Berichterstattung" bezichtigt. Die Dokumentation von Canal + France wurde als unwahr und schlecht recherchiert bezeichnet. Des Weiteren wurde die in der Schweiz ansässige gemeinnützige Organisation Fair unterwegs – arbeitskreis tourismus & entwicklung zu einer Gegendarstellung gedrängt.

Responsible Volunteering ist stolz darauf, von Anfang an Teil der Enthüllung gewesen zu sein. Projects Abroad versuchte uns als eine "unglaubwürdige" Informationsquelle erscheinen zu lassen und stritt mit uns auf unserer Facebook-Seite über eine ZDF-Dokumentation, an deren Produktion wir beteiligt waren. Das Unternehmen zweifelte unsere Aussagen an, dass sich die aufgedeckten Missstände in der ZDF Dokumentation auf Projects Abroad bezogen und behauptete, dass unsere Informationen "wieder einmal" "unbegründet" und unsere Kommentare "unproduktiv" seien. Uns wurde gesagt, wir sollten lieber  nicht auf der Anklagebank sitzen und diejenigen kritisieren, die "tatsächlich versuchen, etwas zu tun" und dass es eine "lohnendere Massnahme" für uns wäre, direkt mit Projects Abroad zu interagieren.

Öffentlich leugnete die Geschäftsführung von Projects Abroad zu diesem Zeitpunkt noch, dass der Waisenhaustourismus und psychologische Trauma von Kindern in irgendeiner Weise mit Freiwilligentourismus zusammenhängen könnten.

Projects Abroad und ihre unverantwortlichen Praktiken in Kambodscha

In Wahrheit haben wir uns sehr bemüht, mit Projects Abroad zusammenzuarbeiten. Unser Mitgründer Sebastian arbeitete von 2008 bis 2012 ebenfalls im Bereich des Freiwilligentourismus in Kambodscha und somit Seite an Seite mit Projects Abroad. Sebastian traf sich mit dem Team von Projects Abroad in seinem Büro, rief die Firma an und schrieb ihr, um sie über Fälle von Kindesmissbrauch, Betrug und Korruption im von den JournalistInnen besuchten Kinderheim zu informieren, bevor die Dokumentationen über Projects Abroad gedreht wurden und der Skandal an die Öffentlichkeit kam. Seine Ziele waren weitere Nachforschungen, die Zusammenarbeit zwischen den Freiwilligentourismusagenturen in Kambodscha, ein Berichterstattungssystem, sowie die Beendigung des Projects Abroad’s Programmes im korrupten Waisenhaus, in dem Kinder misshandelt wurden.

Leider sah Projects Abroad zu diesem Zeitpunkt weder die Notwendigkeit einer Kooperation noch die Notwendigkeit, Massnahmen gegen das Waisenhaus zu ergreifen oder mit Sebastian zusammenzuarbeiten. Sebastian wurde gesagt, dass es den Kindern "ohne Freiwilligentouristen noch schlechter gehen würde". Dies wurde wenig später von der britischen Geschäftsführung bekräftigt, die öffentlich erklärte, dass es für die Kinder des Waisenhauses immer noch besser wäre, wenn geprüfte Freiwillige aufgenommen würden, selbst wenn die Anschuldigungen gegen das kambodschanische Waisenhaus CUCO bewahrheiten würden.

Sebastian wurde gesagt, dass die Richtlinien von Projects Abroad besagen (oder besagten?), sich nicht in organisatorische und interne Angelegenheiten ihrer Projekte und Partner einzumischen. Auch wenn dies bedeuten würde, dass Kinder in diesen Waisenhäusern leiden und auf verschiedenste Arten missbraucht werden. Dies wurde später im Fernsehen öffentlich wiederholt.

Obwohl das Unternehmen von Sebastian und vielen Anderen Informationsquellen über die Korruption und den Missbrauchs in dem Kinderheim informiert wurde, hat es weiterhin Spenden von Freiwilligen an das Waisenhaus bereitgestellt und die obligatorischen "Spenden" auf 100 US-Dollar pro Freiwilligen erhöht.

Da Sebastian bei seiner Arbeit in kambodscha oft auf Projects Abroad traf, können wir bestätigen, dass all die als "hetzerischen Anspielungen "denunzierenden Fakten des Al Jazeera Dokumentarfilms wahr sind und wir überrascht sind, dass Projects Abroad der Öffentlichkeit sagte, dass sie von dem Missbrauch nichts wussten.

Der holprige Weg von Projects Abroad

Es war in der Tat ein holpriger und schwieriger Weg, bis Projects Abroad die psychologische Tragweite des Waisenhaustourismus für Kinder endlich nicht mehr anzweifelte und dem ein Ende setzte. Nach steigendem Druck durch internationale Medien und NGOs kündigte das Unternehmen 2012 an, die Arbeit in kambodschanischen Waisenhäusern einzustellen. Es dauerte jedoch bis Ende 2013, bis Projects Abroad offiziell die Arbeit mit Betreuungsinstitutionen in Kambodscha einstellte. Aber de facto wurde dieses Versprechen erst Jahre später in die Tat umgesetzt. Auch heutzutage ist Projects Abroad überzeugt, keine Waisenhäuser unterstützt zu haben, die Kinder ausbeuten, obwohl Untersuchungen das Gegenteil gezeigt haben.

Update: Hat sich alles zum Besseren gewendet?

Trotz der Optimierungen gibt es auch heute noch fast keine Anforderungen an Freiwillige, die mit Kindern und anderen sensiblen Zielgruppen arbeiten wollen.

Flexible Starttermine und ein niedriges Mindestalter (Freiwillige können im Alter ab 16 Jahren teilnehmen) machen es möglich, dass fast alle, die über genügen Kapital verfügen, einen Einsatz in einer kambodschanischen Kindertagesstätte mit dem Unterrichten von Kindern in Thailand  für 4.081 USD (ohne Flug) kombinieren können. Unter den jungen TouristInnen befinden sich ebenfalls minderjährige Freiwillige, die noch nie ihr eigenes Land verlassen haben. Auf diese Situation werden die Freiwilligen meistens nur durch eine kurze Orientierung vorbereitet, die weniger als einen Tag dauert.

Was lehrt uns Projects Abroad’s Umgang mit Kritik?

Vielleicht noch besorgniserregender als die eigentlichen Skandale im Rahmen der Auslandsprojekte in Kambodscha waren die Reaktionen des Unternehmens. Der Geschäftsführer, der Vizepräsident und der Direktor/Gründer waren damit beschäftigt, ihr Unternehmen zu verteidigen und kritisierten andere für ihre Aufklärungsarbeit.

Wir stimmen zu, dass einige Berichte über Projects Abroad schlecht recherchiert ist, aber das meiste davon war es nicht und brachte viele Aspekte zur Sprache, welche zwingend aufgegriffen werden mussten. Das Unternehmen übernahm keine Verantwortung für seine Fehler, sondern entschied sich, AktivistInnen einzuschüchtern. Trotz wissenschaftlicher Belege, die von UN-Organisationen, PsychologInnen und Kinderschutzorganisationen bezüglich Kinderheimtourismus veröffentlicht wurden, bestritt Projects Abroad lange, dass Waisenheimvoluntourismus den Kindern psychologischen Schaden zufügt und dass irgendein Schaden durch ihre Tätigkeiten verursacht worden sein könnte.

Heute ist das Unternehmen durch die Zusammenarbeit mit ReThink Orphanages einen Schritt vorangekommen. Aber für viele Fachleute ist Projects Abroad immer noch ein Beispiel dafür, wie sich der Freiwilligensektor zu weit in Richtung Kommerzialisierung bewegt hat, mit wenig Interesse an Entwicklung und Nachhaltigkeit. Der Schritt nach vorne, den Waisenhaustourismus zu beenden, war für viele nur ein unvermeidlicher Schritt, um KritikerInnen zum Schweigen zu bringen.