Protest gegen Auszeichnung des World Travel & Tourism Council (WTTC)
Anfangs Jahr setzte der World Travel & Tourism Council (WTTC) den südindischen Bundesstaat Kerala auf die Liste der aussichtsreichsten Kandidaten für den diesjährigen «Destination Award». Die Bewerbung dafür hatte die Tourismusbehörde des Bundesstaates, «Kerala Tourism», eingereicht. Ein Mitglied der Auswahljury des WTTC besuchte darauf hin verschiedene Tourismusorte, die von «Kerala Tourism» ausgewählt worden waren. Um die von der Tourismusbehörde zur Verfügung gestellten Informationen zu vervollständigen, forderte «KABANI – The other direction», eine Initiative aus Kerala, die sich für eine nachhaltige Tourismusentwicklung einsetzt, die Jury des WTTC auf, auch die Zivilgesellschaft anzuhören.
Nach Ansicht von KABANI ist der Tourismus in Kerala zum jetzigen Zeitpunkt alles andere als ein Modell für Nachhaltigkeit im Tourismus, welche der WTTC mit seinem Preis ja auszeichnen will. Im Gegenteil: Die Tourismusentwicklung in Kerala wirft Fragen auf, mit denen sich die Regierung auseinandersetzen muss, bevor Kerala einen derartigen Preis verdient. Dazu gehören die neu eingeführten oder revidierten Tourismus-Gesetze, welche die Rechte der «panchayats», der demokratisch legitimierten Institutionen auf lokaler Ebene, untergraben. Eine Folge davon ist, dass es touristischen Unternehmen, zum Beispiel Freizeitparks, neuerdings gelingt, die Steuern, die sie der Lokalverwaltung zu zahlen hätten, zu umgehen. Unzureichend von der Regierung angegangen wurden bislang auch die gravierenden Probleme der Trinkwasserversorgung der Einheimischen in Regionen mit hohem Tourismusaufkommen. So trägt die zunehmende Anzahl der Hausboote in den «Backwaters» wesentlich zur Verschmutzung der Gewässer bei, auf welche die einheimische Bevölkerung bis heute für ihr Trinkwasser angewiesen ist. Die Dörfer um den Strandort Kovalam leiden unter dem sinkenden Grundwasserspiegel, weil die Hotels ihnen quasi das Wasser abgraben. Auch die Verletzungen des Küstenschutzes durch Hotels und Ferienanlagen geben zur Sorge Anlass. Hinzu kommen Umweltverschmutzungen, die zum Beispiel durch fehlende Abfallentsorgung verursacht werden, und soziale Probleme in Touristenorten wie Kovalam and Varkala, darunter auch die kommerzielle sexuelle Ausbeutung von Kindern. Die Sorgen, die KABANI sich um die Tourismusentwicklung in Kerala macht, werden von vielen zivilgesellschaftlichen Gruppen geteilt. Knapp 60 Organisationen und Einzelpersonen aus Kerala, anderen Regionen Indiens und aus dem Ausland, darunter auch der Basler arbeitskreis tourismus & entwicklung, unterstützten die Aufforderung an den WTTC, Kerala den «Destination Award» nicht zu verleihen. Indem die Preiswürdigkeit des Tourismus in Kerala in Frage gestellt wurde, ist es gelungen, eine längst überfällige Diskussion anzustossen. Die Debatte soll weitergeführt werden und dazu führen, dass die Probleme schliesslich auch von der Regierung anerkannt und angepackt werden.
Bislang sieht es allerdings nicht danach aus: Statt die Bedenken aus der Zivilgesellschaft ernst zu nehmen, weigern sich die Vertreter der Tourismusbehörde – die «Götter» in «God’s Own Country» – schon nur zuzugeben, dass es Probleme gibt. Allein die Tatsache, dass Kerala beim WTTC in die engere Wahl gekommen ist, wird derzeit in Werbung und Wahlkampf ausgeschlachtet, wenn gleich Kerala den Preis letztlich nicht erhalten hat. KABANI wird gemeinsam mit anderen Initiativen und Basisgruppen in Kerala dies zum Anlass nehmen, Strategien zum Schutz der Interessen der Menschen in touristischen Zielgebieten zu entwickeln und die Beteiligung der Bevölkerung in der Planung und Umsetzung von Tourismusprojekten einzufordern. Die Kampagne im Zusammenhang mit dem WTTC-Award wird mit Sicherheit in die tourismuspolitische Geschichte Keralas eingehen.
Sumesh Mangalassery, Kampagnenkoordinator von «KABANI – The other direction», Kerala