Leserreise nach Burma

Protestbrief an «Brückenbauer»

Herrn Michael Danthe
Publizistischer Leiter
Redaktion «Brückenbauer»
Limmatplatz 6/PF 1751
8031 Zürich

cc. Herrn Claus Niederer
Direktor Hotelplan Konzern
Herrn Walter Güntensberger
Direktor Hotelplan Schweiz
Habsburgerstrasse 9/PF
8031 Zürich

cc. Herrn Peter Everts
Präsident Verwaltungsdelegation
Migros-Genossenschafts-Bund
Limmatstr. 152/PF
8031 Zürich

Basel, den 6. Juli 1999

Leserreise nach Burma, Brückenbauer 29. Juni 1999

Sehr geehrter Herr Danthe

Zum wiederholten Male schreiben Sie nun im «Brückenbauer» die Leserreise nach Burma aus. Auf unsere kritische Stellungnahme zu Ihrer ersten Ausschreibung vom November 1998 entgegneten Sie uns, Sie wollten Ihren Leserinnen und Lesern die Entscheidung selbst überlassen, ob sie nach Burma reisen wollen. Auch wir setzen, wie Sie aus den Ihnen damals zugesandten Unterlagen ersehen können, auf verantwortungsbewusste Reisende. Bloss müssten Ihre Leserinnen und Leser auch solide Grundlagen an die Hand bekommen, um verantwortungsvoll entscheiden zu können. Das heisst wahrhaftige Informationen über die Situation im Lande und auch über die Auswirkungen der Tourismusentwicklung auf die Menschen in Burma, wie sie von einer Zeitung erwartet werden können, die in einer Auflage von 1,178 Millionen Exemplaren wöchtentlich gratis verteilt wird und zudem einer Genossenschaft angehört, die sich ihren Mitgliedern gegenüber auf eine ethische Geschäftspraxis verpflichtet. Diese Informationsleistung vermag eine Reisewerbung auch auf vier Seiten nicht zu erbringen. Versäumt hat es der «Brückenbauer» bislang aber auch, einen seriösen Hintergrundbericht über Burma zu publizieren, der die verzerrende Wahrnehmung der Reisewerbung zurechtzurücken vermöchte.
Denn gerade beim forcierten Ausbau des Tourismus in Burma hat die herrschende Militärdiktatur schlimmste Menschenrechtsverletzungen begangen, und sie begeht sie weiterhin. Das macht denn auch die Entscheidung für eine Reise nach Burma ganz besonders heikel. Sie aber preisen weiterhin etwa den Besuch von «Pagan mit seinen Paradiesen von Pagoden» als einen der absoluten Höhepunkte der Reise, obwohl Sie aus unseren Unterlagen längst wissen, dass über 5’000 Ortsansässige aus dem Tempelgebiet vertrieben worden sind unter dem Vorwand, dass ihre Anwesenheit den Ausblick für die fremden Gäste stören könnte.
Zehntausende von Menschen wurden in Burma im Zuge des Tourismusausbaus ohne angemessene Entschädigung zwangsumgesiedelt, um für Hotelanlagen, neue breite Strassen oder andere touristische Infrastrukturen Platz zu machen. Unzählige Menschen werden in Burma tagtäglich zur Zwangsarbeit verpflichtet, um Strassen, Eisenbahnlinien, Flughäfen usw. zu bauen, die auch Sie während ihrer Leserreise nutzen. Darüber jedoch lassen Sie ihre Kundschaft völlig im Unklaren. Gefangene, Frauen, Kinder, Greise werden dabei, wie Augenzeugen immer wieder berichten, in härteste körperliche Arbeiten eingespannt. Viele Bauernfamilien, die sich den Erwerbsausfall durch die andauernden Zwangsrekrutierungen nicht leisten können, ohne zu verhungern, schicken ihre Kinder zur Zwangsarbeit, was die Schulungsraten noch weiter sinken lässt. Das zeigt der jüngst veröffentlichte Bericht der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), der nach eingehenden Untersuchungen und Zeugenbefragungen festhält, dass sich die Situation in Burma keineswegs verbessert hat. Im Gegenteil. Der Bund der Freien Gewerkschaften (ICFTU), der die Untersuchung durch die ILO angestrengt hat, bezeichnet seinerseits in einer Pressemeldung vom 15.6.99 diese «systematische Form der Sklaverei als ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit». Vielleicht müssten Sie die Aussagen der befragten Zwangsarbeiterinnen und -arbeiter lesen, die wir Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung stellen. Ich selbst habe den Bericht irgendwann weglegen müssen, weil ich die Schilderungen nicht mehr ertragen konnte. Sicher ist aber, dass etliche der Befragten auch auf Baustellen gearbeitet haben, die touristische Infrastrukturen bereitstellen.
Letzte Woche ist auch Amnesty International, wie den Medien zu entnehmen war, im Vorfeld der Jahresversammlung der ASEAN-Staaten mit drei neuen Berichten zu Burma an die Öffentlichkeit getreten. Die renommierte Menschenrechtsorganisation wirft darin der burmesischen Militärdiktatur vor, sie halte ethnische Minderheiten wie «Hühner im Käfig», und belegt einmal mehr Dutzende von Morden an der zivilen Bevölkerung.
Wie Sie uns im letzten November geschrieben haben, hoffen Sie auf eine Veränderung der Situation in Burma durch die Öffnung für den Tourismus, die Begegnung mit fremden Reisenden. Diese Hoffnung, so wichtig sie im Hinblick auf das Schicksal der Menschen in Burma auch sein mag, lässt sich anhand der neuesten Fakten über Menschenrechtsverletzungen nicht aufrecht erhalten: Tourismus, insbesondere die organisierten Gruppenreisen, tragen zur Erhaltung des Militärregimes bei, indem sie über den Zwangsumtausch zu völlig überrissenem Wechselkurs, aber auch über Essen und Übernachtungen, an denen die Machthabenden zwangsläufig mitverdienen, den Generälen immer neue Einkünfte in Devisen verschaffen. Genau aus diesem Grund hat die demokratische burmesische Opposition – die immerhin die Wahlen von 1990 haushoch gewonnen hat, von den Militärs jedoch nie zur Macht zugelassen wurde – westliche Reisende immer wieder aufgefordert, jetzt nicht nach Burma zu reisen. Die Friedensnobelpreisträgerin und Führerin der Demokratiebewegung, Aung San Suu Kyi, hat eben im März 1999 gegenüber englischen Medien nochmals bekräftigt, dass Touristinnen und Touristen weiterhin nicht nach Burma reisen sollten. Die Menschen in Burma, die um ihr Überleben kämpften, seien keineswegs auf westliche Reisende angewiesen, um ihre Lage zu verändern. Die wirksamste Unterstützung für die Menschen in Burma sei, sich zu Hause über die Zustände im Lande zu informieren und dieses Wissen weiterzutragen.
Diese Stellungnahmen haben unsere bisherigen Aufklärungskampagnen zu Burma geleitet. Weshalb verschweigen Sie Ihrer Leserschaft diese Aufrufe und berufen sich stattdessen auf Aussagen von Studenten der Opposition, denen Sie in den Strassen Rangoons begegnet sind, um Ihre Reise nach Burma zu legitimieren? Ihre Frage über dem Info-Kasten «Soll man nach Burma reisen?» erweist sich denn auch als rein rhetorisch. Die Antwort haben Sie ja längst gefunden, und der Kasten dient nur noch dazu, eine verantwortungsbewusstere Kundschaft in Sicherheit zu wiegen. Wie wollen Sie zum Beispiel Ihrem Versprechen nachkommen, den Reisenden eine «politisch aufschlussreiche Leserreise» zu bieten, wo die Gruppenreisenden doch vor allen unliebsamen Begegnungen wie Zwangsarbeit oder anderen Menschenrechtsverletzungen sorgsamst abgeschirmt werden. Wie wollen Sie den Austausch mit Menschen in Burma verantworten im Wissen darum, dass diese verurteilt werden können, weil sie mit Fremden überhaupt nur ein Gespräch führen, wie wir Ihnen bereits im November 1998 mitgeteilt haben? Weshalb müssen Sie in einer Reiseausschreibung so deutlich betonen, dass Sie die «Freiheit des Reisens befürworten»? Meinen Sie nicht auch, dass im Zusammenhang mit Burma der Verweis auf die Menschenrechte einen ganz anderen Stellenwert einnimmt und den Freiheiten – so lieb sie uns auch sein mögen – genau da Grenzen gesetzt sind, wo sie diejenigen anderer Menschen beschneiden?
Die Leserreisen vom vergangenen Frühjahr nach Burma bezeichnen Sie als «Grosserfolg», der Sie dazu bewegt, die Reise wieder anzubieten, «diesmal noch schöner, noch geheimnisvoller, noch romantischer». Offen bleibt dabei für uns die Frage, wie Sie nun konkret mit Ihrer Sorge um die Missachtung der Menschenrechte und der Unterdrückung der Demokratiebewegung in Burma umgehen, die Sie in Ihrem Info-Kasten ja deutlich zum Ausdruck bringen.

Wir möchten Sie deshalb auffordern,

  • auf diese Fragen Stellung zu nehmen,
  • diesen Brief umgehend auf der Leserbriefseite oder andersweitig im "Brückenbauer" zu veröffentlichen,
  • anderen kritischen Stellungnahmen in Ihrer Zeitung Platz einzuräumen,
  • umfassende Hintergrundinformationen zu Burma – wie auch zu anderen Leserreisen – so zu veröffentlichen, dass Ihre Leserinnen und Leser ein wahrhaftiges Bild des Reiselandes bekommen und eine verantwortungsvolle Entscheidung treffen können,
  • Ihre Zeitung für eine breite Debatte zu öffnen, was wir in der Schweiz für die bedrängten Menschen in Burma wirklich tun können,
  • Ihre Zeitung, die so viel Reisewerbung schaltet, als Plattform zu nutzen, um eine Diskussion über ethische Fragen des Tourismus zu führen, mit denen viele Menschen in der Schweiz bisher auch ratlos auf sich gestellt bleiben.

Mit bestem Dank für Ihre Bemühungen und freundlichen Grüssen

Christine Plüss
arbeitskreis tourismus & entwicklung

P.S. Kopien dieses Schreibens gehen an Organisationen und interessierte Einzelpersonen, die sich für die Einhaltung der Menschenrechte in Burma engagieren