„Prou“ – „Es reicht“: 60’000 Menschen protestieren in Palma de Mallorca gegen Umweltzerstörung und Massentourismus
Basel, 29.03.2007, akte/ 60’000 Menschen folgten am 17. März 2007 dem Aufruf der Bürgerbewegung „Salvem Mallorca“, einem Bündnis von Umweltschutzorganisationen, Nachbarschaftsverbänden, Kultur- und Freundeskreisen, Solidaritätsgruppen und Gewerkschaften unter dem Dach des Naturschutzbundes GOB (Grup Balear d’Ornitologia i Defensa de la Naturalesa). Sie demonstrierten in den Strassen der Inselhauptstadt der Balearen, Palma de Mallorca gegen den ungezügelten Bauboom, die Strassenbau- und Urbanisierungsprojekte, welche die konservative Regierung im Namen des Tourismus rücksichtslos vorantreibt, über bestehende Raumordnungsvorschriften und Naturschutzgesetze hinweg: 16 neue Golfplätze, Erschliessung von neuen Küstenstrichen, Ausbau des Flughafens, neue Autobahnen und Einkaufszentren, Yachthäfen, energiefressende Entsalzungsanlagen für die Wasserversorgung, Ausbau der Abfallverbrennungsanlagen, Erschliessung von neuen Steinbrüchen in geschützten Gebieten – die Liste der von Bürger- und Umweltorganisationen zusammengetragenen Beispiele von Ausbauvorhaben lässt sich schier beliebig verlängern.
„Die Balearen entwickeln sich derzeit zum ökologischen Notstandsgebiet“, hält GOB unmissverständlich im Aufruf zur Kundgebung fest. Kaum wird ein Projekt in einem geschützten oder schützenswerten Gebiet mit Einsprachen verhindert, legt die Regierung schon das nächste vor. Ausgewiesene Naturschutzgebiete werden einfach verkleinert, um neuen Bauvorhaben Platz zu machen. Am 17. März gehe es deshalb nicht mehr darum, gegen ein konkretes Projekt zu protestieren, sondern gegen „un model de destrucció generalizada“, gegen ein Modell der systematischen Umweltzerstörung, die letztlich die ganze Insel betreffe.
Dass die Balearen mit den Folgen des boomenden Massentourismus kämpfen, ist ja nicht neu. Menorca zum Beispiel, die kleine Schwester in Norden von Mallorca, vermochte sich in den Status einen Biosphärenreservates zu hieven, was aber leider nicht verhinderte, dass in der Hauptsaison die Mietwagen eher im Stau stehen, als zu den Stränden gelangen – kam doch das grosse Geld vorab von der EU für den Strassenbau. In Mallorca „sündigte“ die vormalige Regenbogen-Koalitionsregierung in erster Linie mit der Vorlage der berühmten „Ökosteuer“, die von der Tourismuslobby – man erinnere sich an die Leserbrief-Aktionen der deutschen Bild-Zeitung an den spanischen König Juan Carlos – gebodigt wurde und letztlich der Mitte-Links-Regierung im Juni 2003 den Kopf kostete. Die neue konservative Regierung unter Ministerpräsident Jaume Matas setzte als erstes die ungeliebte Ökosteuer ab, beschwor stattdessen die Privatwirtschaft auf „freiwillige Verpflichtungen“ und kündigte „Begrünung“ und „Ökoprojekte“ aus Mitteln von Madrid an. Das schlug sich vorab in einer eindrücklichen Anzahl von bunten „Öko-“ und „Lokalen Agenda 21-Prospekten“ nieder, die etwa an Messeständen der Balearen zu Hauf aufliegen. Auf Mallorca hingegen brach die Bauwut aus: „raus aus dem Öko-Steuer-Image-Schaden“, „weg vom „Putzfrauen- und Ballermann-Image“, „schöner, neuer, grösser, edler“ – so scheint jeweils das Motto zu lauten, das sich in immer neuem Tourismuswachstum, vor allem aber einem noch nie dagewesenen Bauboom niederschlägt. Folgen davon sind Grundstücksspekulation ankurbelt, vor allem aber die Zerstörung des einmaligen Naturerbes.
Mehr als 11 Millionen Feriengäste empfangen die Balearen-Inseln jährlich; über 9 Millionen sind es allein in Mallorca, das rund eine Million Einwohner zählt. Dort stehen den Urlaubsgästen mindestens 30’000 Mietautos zur Verfügung, die in diesem hart umkämpften Wachstumsmarkt den Betreibern satte Gewinne einbringen, während der öffentliche Verkehr weiter serbelt. Eine spezielle Steuer auf Mietwagen hat die Regierung aus Angst vor Image-Schäden immer wieder zurückgestellt, stattdessen investiert sie weiter kräftig in den Ausbau der Strasseninfrastruktur.
Quellen: Hintergrundinformationen von GOB Mallorca; Aufruf zur Kundgebung und Meldungen auf www.gobmallorca.com; Ultima Hora 19.03.07; MallorcaZeitung 19.03.07; Basler Zeitung 19.03.07; 20 Minuten 19.03.07; www.mallorcamagazin.net; Informe Campanya Salvem Mallorca 2007; Materialien vom Balearen-Stand auf der Internationalen Tourismusbörse Berlin 2007