Ramadan: „Arabisch-muslimische Gäste können ihren Glauben auch in Zürich ausleben“
Basel, 21.08.2009, akte/
Herr Lauber, warum braucht es ramadanfreundliche Hotels?
Die Anzahl der Gäste aus dem arabischen Raum hat sich in den letzten vier Jahren von 30’000 Logiernächten auf 60’0000 verdoppelt. TouristInnen aus den Golfstaaten reisen hauptsächlich im Juli und August. In diese Monate fällt der Ramadan in diesem und in den kommenden Jahren bis 2012. Wir wollten unseren arabischen Gästen zeigen, dass wir sie ernst nehmen. Muslimische Reisende müssen die Möglichkeit haben, ihren Glauben auch in Zürich auszuleben. Deswegen bieten wir spezielle Workshops für Angestellte im Tourismusbereich an und stellen arabischen Gästen eine Liste mit ramadanfreundlichen Hotels zur Verfügung.
Wie kam das Konzept bei den Hoteliers an?
Die Tourismusanbieter reagierten sehr aufgeschlossen und positiv auf die Idee. Am ersten Workshop liessen sich 30 Mitarbeitende schulen, der nächste Workshop ist bereits in Planung.
Existieren vergleichbare Angebote auch anderswo?
Inzwischen haben weitere Städte unsere Idee aufgegriffen und umgesetzt. Soweit wir wissen, waren wir die erste Destination in Europa, die eine Liste mit ramadanfreundlichen Hotels herausgegeben hat.
Worauf sollten Tourismusanbieter achten?
Zunächst ist es wichtig wahrzunehmen, dass Gäste aus den Golfstaaten eine andere Kultur pflegen. Dazu gehört, dass Muslime ihren Glauben im Gegensatz zu uns WesteuropäerInnen viel öffentlicher leben. Während Kreuze hierzulande oft nur als modisches Accessoire getragen werden, ist beispielsweise das Kopftuch Teil der Kultur. Muslime werden von den Muezzins öffentlich zum Gebet aufgerufen. Wenn gerade Gebetszeit ist, beten Muslime selbst inmitten einer Menschenmenge am Flughafen. Wir dagegen erachten Glauben als Privatsache und beten dementsprechend auch nicht öffentlich.
Diese Unterschiede gelten das ganze Jahr über. Was kommt während des Ramdans dazu?
Das wichtigste Merkmal ist sicher, dass arabische Gäste, die den Ramadan zelebrieren, tagsüber nichts essen dürfen. Gegessen wird zwischen Sonnenuntergang und Sonnenaufgang.
Was, wenn das Hotel nachts keine Mahlzeiten anbietet?
Die Hoteliers müssen Alternativen zu den konventionellen Essenszeiten bieten. Das Fastenbrechen ist unproblematisch, weil es sich zeitlich mit dem üblichen Abendessen überschneidet. Die morgendliche Mahlzeit kann beispielsweise der Nachtportier zusammenstellen und vor Sonnenaufgang aufs Zimmer bringen. Oder man bietet den Gästen die Möglichkeit, sich Essen liefern zu lassen, das „halal“, also rein ist. Das Mindeste sind Mineralwasser und eine Portion Datteln auf dem Zimmer, mit denen Muslime traditionell das Fasten brechen. Wir haben den Hotels den Kontakt zu einem Caterer angegeben, der Halal-Gerichte anbietet. Allenfalls kann dieses Essen nachts auch aufgewärmt werden.
Welche weiteren Tipps geben Sie Hoteliers im Umgang mit arabischen Gästen?
Es ist eine Kleinigkeit, im Zimmer die Gebetsrichtung nach Mekka mit einem diskreten Pfeil anzuzeigen und die Hotelbibel gegen den Koran auszutauschen. Eine Liste mit Gebetsräumen und eine mit den täglich wechselnden Gebetszeiten sind Kriterien, die ramadanfreundliche Hotels erfüllen müssen. Ein Gebetsteppich wäre nett, muss aber nicht unbedingt sein. Es ist auch nicht zwingend, einen Gebetsraum im Hotel zur Verfügung zu stellen. Arabische Fernsehsender werden erfahrungsgemäss sehr geschätzt. Denn die Gebete werden meist am Fernsehen übertragen. Das erlaubt es den Gästen, die religiösen Handlungen in ihrem Heimatland mitzuverfolgen.
Einige Gäste aus dem arabischen Raum geniessen es sicher, ihre Ferien in einem Umfeld zu verbringen, in dem sie ihre religiösen Pflichten hinter sich lassen können. Vielleicht stört es da eher, wenn es in den Ferien so läuft wie daheim.
Deswegen lohnt es sich, neu ankommende Gäste zu fragen, ob sie den Ramadan zelebrieren. Je nach Antwort kann man entscheiden, ob man dem Gast einen Begrüssungsapéro oder einen Fruchtsaft anbietet. Ohnehin stellen wir fest, dass arabische Gäste gern direkt angesprochen werden möchten. Sie schätzen es, wenn sich jemand für ihre Kultur interessiert. Über positive Erlebnisse tauschen sie sich mit Freunden aus – über negative Erfahrungen ebenso. Die Mundpropaganda ist also nicht zu unterschätzen.
Wie steht es mit dem umgekehrten Fall: Was müssen Touristen beachten, die sich während des Ramadans in einem muslimischen Land aufhalten?
Man braucht Verständnis für den öffentlich gelebten Glauben. Das kann bedeuten, dass die Geschäfte während der Gebetszeiten kurz schliessen. Es ist ratsam, tagsüber nicht öffentlich zu essen und schon gar keinen Alkohol zu trinken. Indem man jemandem Alkohol anbietet, bringt man ihn in eine unangenehme Lage. Denn meiner Erfahrung nach sagen die Menschen in den Golfstaaten ungern direkt „Nein“ oder lehnen etwas geradeheraus ab. Vielmehr formulieren sie eine Absage über Umwege. Rücksichtsvolles Verhalten und Sensibilität für die andere Kultur sind also im Ausland ebenso gefragt wie im Umgang mit arabischen Gästen bei uns in der Schweiz.
Maurus Lauber ist stellvertretender Direktor und Marketingleiter von Zürich Tourismus. Weitere Informationen unter www.zuerich.com und www.ztextra.ch
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Tipps für den Umgang mit Menschen aus arabisch-muslimischen Ländern
– Arabisch-muslimische Gäste schätzen einen persönlichen Umgang. Interesse am Wohlbefinden des Gastes, an dessen Familie und Kultur können Türöffner sein.
– Gegenüber Frauen ist Distanz geboten. Berührungen oder längerer Blickkontakt zwischen den Geschlechtern sollten vermieden werden.
– Arabischsprachige Medien wie TV-Sender und Zeitungen, aber auch eine arabischsprachige Speisekarte werden gewürdigt.
– Zeitangaben haben für arabisch-muslimisch Gäste eine andere Bedeutung als für uns. Ungeduld und Drängeln sind daher unangebracht; umgekehrt wird Flexibilität positiv wahrgenommen.
– Mahlzeiten müssen „halal“, also rein sein. Schweine sind Allesfresser, ihr Fleisch wird grundsätzlich abgelehnt.
– Im Ramadan ist das Fastenbrechen die Hauptmahlzeit – und als Festessen mit vielen Leckereien von hoher Bedeutung.
– Während des Ramadans dürfen Muslime tagsüber nichts essen. Ein knurrender Magen kann schon mal für Gereiztheit sorgen. Die Nerven liegen schneller blank.