Die Mehrzahl der Beschäftigten im Tourismus sind Frauen. Dem trägt die Internationale Tourismusbörse Berlin (ITB) in jüngster Zeit Rechnung, etwa mit der Podiumsdiskussion "Gender Equality in Tourism" an der ITB 2019. Während dort Expertinnen erste Resultate der globalen Studie über Frauen im Tourismus der UN-Welttourismusorganisation (UNWTO) vorstellen und die Chancen des Wachstumsmotors für Frauen hervorheben, runzelt Myriam Barros die Stirn. "Ich bin ‹Chambermaid› ", stellt sie sich vor, "und spreche als Vorsitzende der Organisation der Hotelreinigungskräfte ‹Las Kellys› aus Spanien. Wir putzen im Akkord, für ein Zimmer haben wir acht bis zehn Minuten Zeit und erhalten dafür 1.50 bis 2.50 Euro. Viele von uns sind jeweils nur für eine Woche angestellt. Die meisten leiden unter Gelenkentzündungen und Hautausschlägen. Sie nehmen Medikamente, um die Schmerzen und den Stress auszuhalten, doch das wird nicht als Berufskrankheit anerkannt. Das ist unsere Realität und deshalb kämpfen wir für ein Gesetz, das uns bessere Arbeitsbedingungen sichert."

Menschenrechtsauszeichnung für "Las Kellys"

Myriam Barros ist aus Lanzarote zur ITB angereist, um für "Las Kellys" den ToDO-Menschenrechtspreis entgegenzunehmen, den der Studienkreis für Tourismus und Entwicklung zusammen mit dem Roundtable for Human Rights in Tourism vergibt. Im Gespräch mit Barros lebt der Kampf der "Las Kellys" auf: Zum Frauentag 2016 schlossen sich erste Frauen aus der Hotelreinigung unter dem Namen "Las Kellys" zusammen, ein Akronym für "las que limpian" (die sauber machen) und gälisch für "kriegerisch". Von ihren heute rund 3’000 Mitgliedern sind 99 Prozent Frauen.

Die Situation der Hotelreinigungskräfte in Spanien verschlechterte sich dramatisch, als die rechte Regierung 2012 auf die Krise mir einer Arbeitsreform antwortete. Diese erlaubte es Hotels und Appartmentkomplexen, Tätigkeiten an Subunternehmen mit schlechteren Arbeitsbedingungen auszulagern. Gemäss Barros verdienen direkt in Hotels angestellte Housekeeperinnen 1’200 Euro im Monat, in Subunternehmen bei mehr Stress nur etwa 800 Euro. Offiziell arbeiteten 200’000 "Zimmermädchen" in Spaniens Tourismus. In Wirklichkeit seien es viel mehr, schätzt Barros, weil "Putzfrauen" oft informell ohne Vertrag arbeiten würden.. Reinigungsfirmen suchten gezielt Frauen in schwierigen Situationen: Migrantinnen, alleinerziehende Mütter, Frauen, die allein zum Familienunterhalt beitragen oder nicht Spanisch sprechen. Diese könnten sich keinesfalls mit Forderungen exponieren; sie würden sonst entlassen und fänden kaum mehr eine Anstellung.

Regeln setzen, Regeln einhalten

"Wir Frauen müssen aus der Unsichtbarkeit herauskommen", meint Barros. Mutig traten "Las Kellys" mit Aktionen in die Öffentlichkeit, trafen den Ministerpräsidenten, brachten ihre Anliegen der EU-Kommission und Tourismusmanagern vor und sprachen mit PolitikerInnen. Mit Erfolg: Die neue sozialistische Regierung hat einen Aktionsplan gegen Ausbeutung am Arbeitsplatz vorgelegt, einige Hotels stellen die Reinigungskräfte wieder direkt an und die Gewerkschaften verhandeln neue Vereinbarungen mit Hotels, zumindest zum Schutz vor sexueller Gewalt. Die Verleihung des ToDO-Awards empfindet Barros als Chance, die unwürdigen Bedingungen für Frauen im Tourismus breiter sichtbar zu machen, aber auch als Verantwortung gegenüber ihren Kolleginnen weltweit.

"Las Kellys" fordern Gesetze, die Hotelreinigungskräfte besser schützen, Sozialversicherung, Rente und Mutterschaft auch in Subunternehmen absichern und Berufskrankheiten als solche anerkennen. Tourismusmanager sollen die Arbeitsgesetze einhalten: "Ein sauberes Zimmer und ein guter Service ist das Produkt der Hoteliers und Anbieter von Ferienwohnungen", hält Barros fest. "Die Reinigung gehört zu ihrem Kerngeschäft und kann nicht ausgelagert werden." Gegen sexuelle Gewalt fordern "Las Kellys": Die Zimmerreinigung ist nur zu Zweit auszuführen und alle Reinigungsfrauen sind mit einem Alarm-Button auszustatten.

Respekt für die Rechte der Frauen: Nur im Dialog mit Betroffenen

Tourismus bietet Frauen neue Einkommenschancen. Noch verdienen sie weltweit im Schnitt aber mindestens 15 Prozent weniger als Männer in gleicher Anstellung. In Führungspositionen sind sie krass untervertreten. Auch in der Schweiz, wie eine neue Studie zeigt: Je mehr Sterne ein Hotel hat, desto weniger Frauen zählt sein Kader. Zudem müssen Frauen in aufstrebenden Tourismusgebieten zusätzlich zur Erziehungsverantwortung für ihre Kinder auch die steigenden Lebenshaltungskosten und den Druck auf Ressourcen wie Land und Wasser auffangen. Das rückt Gender und die Rechte der Frauen ins Zentrum der Nachhaltigkeitsprogramme im Tourismus, wie sie heute im globalen Referenzrahmen der Agenda 2030 gefordert sind. Doch Frauenförderungsprogramme und -absichten von Regierungen und Tourismuswirtschaft sieht Myriam Barros kritisch. Nachhaltigkeitszertifikate sollten nur an Tourismusunternehmen vergeben werden, die nachweisen können, dass alle Angestellten in ihrer Wertschöpfungskette zu fairen Bedingungen beschäftigt sind. Reiseveranstalter sollen keine Unternehmen unter Vertrag nehmen, die dies nicht garantieren können. Und Reisende bei keinem Anbieter – ob im Reisebüro oder vor Ort – buchen, der Arbeiten an Drittfirmen auslagere, ohne deren Bedingungen zu prüfen. Wie die Situation von Frauen im Tourismus aussehe und verbessert werden könne, sei letztlich nur im direkten Dialog mit betroffenen Frauen zu erfahren.