Regula Renschler war die Erste – in vielerlei Hinsicht: Die erste Frau in der Redaktion des Tagesanzeigers, die erste Auslandsredaktorin der Schweiz. Sie war auch die erste europäische Journalistin, die über den Tod J.F. Kennedys berichtete. Bei diesem historischen Ereignis beginnt die Zeitreise durch knapp 45 Jahre von Renschlers journalistischem Schaffen.
Auf ihren Reisen durch die Vereinigten Staaten von Amerika, durch verschiedene Länder Afrikas, nach Israel/Palästina oder durch Europa war sie bewegt von den Themen der so genannten Drittweltbewegung, zu deren Exponentinnen Renschler gehörte: Rassenunruhen, Biafrakrise, blutige postkoloniale Machtkämpfe und Etablierung korrupter Eliten, Nahostkrise. Oder in Europa: Strassburger Impressionen aus dem Europarat auf der einen, Armut und Gewalt in den Vorstädten auf der anderen Seite, und natürlich der Prager Frühling. Oder Innenpolitisch: Jurakrise, Polemiken um das Frauenstimmrecht oder in neuerer Zeit der Bildungsstreit um Englisch oder Französisch als erster Fremdsprache.
Die Mitgründerin des arbeitskreises tourismus & entwicklung hat auch kritische und utopische Beiträge zum Tourismus in ihre Sammlung einfliessen lassen. Möglicherweise werde es in Zukunft nicht mehr möglich sein, so billig so weit zu reisen wie bisher, prognostiziert sie, und meint:
"Auch in einer solchen Gesellschaft wird das Reisen seinen Platz haben. Aber es wird einen neuen Stellenwert bekommen. Wir werden nicht mehr reisen, um unsere Arbeitskraft wiederzugewinnen, um uns zu belohnen oder um des Prestiges willen. Wir werden wieder vermehrt zueinanderreisen, um uns selber zu entdecken und um andere zu entdecken. Diese Kontakte brauchen wir, wenn wir uns und unsere Gesellschaft verändern und entwickeln wollen. Falls wir das wirklich wollen."
Renschler erkennt mit politischem Spürsinn, wo im Gewirr der Geschehnisse die Geschichte und worin ihre Relevanz liegt. Sie beschreibt in starken Bildern und Zitaten, was Menschen erleben, die normalen und die besonderen, die unterdrückten und die verantwortlichen. Sie sucht und ordnet die verschiedenen Perspektiven so lange, bis sich ein stimmiges Bild zusammenfügt, das ein Verständnis ermöglicht. Damit werden ihre Reportagen und Berichte zu Vorzeigestücken für solides journalistisches Handwerk und ihre Best of-Sammlung zu einem Genuss für zeitgeschichtlich interessierte LeserInnen.
Regula Renschler: Vor Ort. Reportagen und Berichte aus fünf Jahrzehnten. Lenos, Basel 2015, 224 Seiten, CHF 19,80; EUR 18.00, ISBN 978-3-85787-464-2