Reinigungspersonal in Britanniens Hotels: Drangsaliert, unterbezahlt und nahezu rechtlos
Alle zwischen 20 und 59 Jahre alten Reinigungsangestellten des Park Plaza Hotels, die mit der Guardian-Reporterin Yvonne Roberts sprachen, haben ihre eigene Geschichte zu erzählen. Viele haben in Polen eine Familie zu unterhalten, manche nehmen lange Pendelwege auf sich. Die Raumpflege wird, so wie die meisten Dienstleistungen, von einem externen Dienstleister übernommen. Anfang des Jahres hiess es noch 13 Zimmer in 8 Stunden für einen Lohn von 6.50 britischen Pfund für die meist aus Osteuropa stammenden Angestellten von Hotelcare, einem Reinigungsunternehmen, das als externer Anbieter verschiedene Grosskunden bedient. Dann wurde das Unternehmen unterboten und WGC übernahm die Verträge und Angestellten. Das Unternehmen, das unter anderem die Ketten Hilton und Claridges zu seinen Kunden zählt, verlangt nun 15-17 Zimmer in 7.5 Stunden bei gleichbleibendem Lohn. Mehr Arbeit, weniger Geld.
Auch sonst haben sich die Arbeitsbedingungen verschlechtert. An einem Treffen nach der Arbeit erzählen einige Raumpflegerinnen der Guardian-Reporterin vom alltäglichen Horror: Bei der einen habe schon die Frage nach einer Pause dazu geführt, dass sie keine Aufträge mehr bekommen habe. Eine andere konnte einige Zimmer bis zum Mittag nicht betreten, weil das "bitte nicht stören"-Schild vor der Türe hing. Ihre Vorgesetzte habe sie angeschrien und angemacht, obwohl sie genau wisse wie es laufe. Eine dritte musste sieben Sofas (in Familienzimmern) rundum reinigen und bat um zusätzliche Zeit. "Zehn Minuten gab mir die Vorgesetzte. Nicht für ein Sofa, für alle sieben!" Wer krank ist, werde nach Hause geschickt und erhalte keinen Lohn. "Die Samstage sind am stressigsten", sagt eine Angestellte. "Ich muss ein Badezimmer, eine Küche, ein Schlafzimmer für vier Personen putzen; manchmal finden wir eine Riesensauerei vor. Wir wechseln die Laken, reinigen den Mikrowellenofen und die ganze Zeit steht da die Aufsicht mit einem Zeitblatt und sagt ’schneller, schneller›." Ein Zimmer zu reinigen dauert zwischen 24 und 28 Minuten, je nach Hotel. "Ich wartete eineinhalb Stunden, bis mir die Zimmer zugeteilt wurden", sagt eine Frau. "Wir wollen gut arbeiten, aber wenn man dauernd beobachtet, angetrieben und angeschrien wird…", sie zuckt die Achseln: "Wir können 13 Zimmer reinigen. Mehr geht nicht."
London hat über 136’000 Hotelzimmer. Bei einer mittleren Belegungsrate von 84 Prozent und einem mittleren Preis von 145 Pfund (5 Pfund höher als letztes Jahr) ergibt das einen geschätzten Umsatz von 122 Pfund pro Zimmer und Übernachtung, so die Rechnung eines Experten von PwC. Doch den Reinigungskräften werden zwischen 2.30 und 3.75 Pfund pro Zimmer bezahlt. Eine noch billigere, jenseits der Legalität arbeitende Kette zahlt sogar nur 2.17 Pfund pro Zimmer und verlangt eine Quote von 25 Zimmern pro Tag.
Die RaumpflegerInnen haben am 21. Mai, dem so genannten "Waiters day", den ersten Streik in der Housekeeping-Branche seit 15 Jahren veranstaltet, um insbesondere gegen die Null-Stunden-Verträge zu protestieren. Zero-hours contracts sind im Vereinigten Königreich weit verbreitet. Statistiker gehen von etwa 1,4 Millionen solcher Verträge in Grossbritannien aus. Die Regulierung von Null-Stunden-Verträgen war ein zentrales Wahlkampfthema vor den Wahlen zum britischen Unterhaus 2015. 100’000 Angestellte zählt die Hotellerie im Raum London, seit 1980 ist kein Tarifvertrag mehr abgeschlossen worden. Die Hotelbranche gilt als besonders gewerkschaftsfeindlich. Aus Angst vor Videoüberwachung zögern viele Hotelangestellte in Londen, bei einer Gewerkschaftsaktion mitzumachen. Sie wissen auch, dass einige Hotelketten die sozialen Medien systematisch nach "Kontaktübertretungen" (will heissen: Kritik am Management) absuchen. Das gehört zur Abschreckungspolitik gegen Gewerkschaften. Ewa Jasiewicz wurde von einem Headhunter für die grösste britische Gewerkschaft Unite rekurtiert, um Aktionsteams von Hotelangestellten zusammenzustellen und wöchentliche Aktionen zu organisieren. Die 36-Jährige organisierte bereits ArbeiterInnen der Flug- und der Nahrungsmittelbranche in England sowie der Ölbranche in Irak und war Friedensaktivistin in Palästina und Afghanistan. Sie sucht nach potenziell gewerkschaftsfreundlichen Angestellten. Diese werden ausgebildet und suchen ihrerseits wieder fünf Neumitglieder. Es ist harte Untergrundarbeit. Die Mitgliederwerbung in der Hotelbranche begann vor acht Jahren, inzwischen konnten 1’000 Mitglieder gewonnen werden, was einem Organisierungsgrad von einem Prozent entspricht – während der Organisierungsgrad in Grossbrittanniens Privatbranche sonst bei 14 Prozent liegt. Das Sekretariat des Gewerkschaftszweigs wird von drei pensionierten Gewerkschaftlern betrieben, die den Frauen mit Rat und Tat zur Seite stehen und Verhandlungen führen. "Der Zweig scheint von Niederiglöhnen abhängig zu sein", sagt Hugh "Hughie" O’Shea, 67, lebenslang Gewerkschaftler, ehemals Butler und seit seiner Pensionierung Sekretär des Gewerkschaftszweigs der Hotelangestellten: "Wie bei allen Abhängigkeiten gibt es auch hier keine Lösung, bevor das Problem als solches anerkannt wird. Aber für die Menschen auf der untersten Hierarchiestufe ist das ein soziales Desaster."
"Hotelangestellte sind die am isoliertesten und marginalisiertesten", sagt Jasiewicz: "Sie beginnen im Glauben, sie wären nur eine kurze Zeit da. Dann knüpfen sie Bande. Sie arbeiten so hart, pendeln über lange Distanzen. So bleibt ihnen keine Energie, um die Sprache richtig zu lernen, ihre Fähigkeiten zu entwickeln, und sie geraten in eine Falle." In einer kürzlichen Erhebung berichteten acht von zehn RaumpflegerInnen von Muskel- und Gelenkproblemen. "Die Polinnen ziehen ihre heimischen Schmerzmittel vor", sagt Jasiewicz, selbst aus einer polnischen Familie, aber aufgewachsen in England, "weil sie stärker sind."