Reise, Geschäft und Ethik – zum Dritten: Zwischen Imagepflege, Marketing und sozialer Verantwortung
Es gibt gute Beispiele von ethischem Verhalten bei den Reiseveranstaltern, doch könnte insgesamt viel mehr in diese Richtung gearbeitet werden. So lautet das Fazit der Studie des britischen Hilfswerkes Tearfund, für die 65 Reiseveranstalter mit Sitz in England über ihre Geschäftspraxis in Sachen Ethik befragt wurden. Diese Untersuchung folgt auf die anfangs 2000 veröffentlichte Marktstudie, die erstmals in Grossbritannien aufzeigte, dass die Mehrheit der 2000 befragten britischen Reisenden zunehmend auch ethische Kriterien beim Buchen berücksichtigten und bereit wären, für ihre Ferien einen Aufpreis zu bezahlen, wenn dieser garantiert zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Angestellten sowie zur Erhal-tung der Umwelt am Reisezielort verwendet würde (vgl. akte-Kuna 2/2000 sowie zum Ver-gleich auch Ergebnisse aus der Schweiz akte-Kuna 2/2001). Ethisches Wirtschaften hat Zu-kunft und wird sich für die Reiseveranstalter auszahlen, folgerte Tearfund und nahm deshalb genauer unter die Lupe, was Reiseveranstalter konkret dazu beitragen, dass die breite Bevölkerung in den Zielregionen besser vom Tourismus profitiert.
Die meisten Touroperators haben Beispiele von entsprechend guter Zusammenarbeit zur Hand; es fällt jedoch auf, dass keiner der grossen Veranstalter abschätzen kann, wie viel Geld zum Beispiel vor Ort ankommt, während mittlere Unternehmen diesen Anteil auf etwa 35 Prozent des Reisepreises und kleine, spezialisierte Veranstalter den Anteil bei ihren Angeboten gar auf 70 Prozent einschätzen. Die Untersuchung macht deutlich, wie verschieden ethi-sche Massnahmen bei den Veranstaltern aussehen können: von Geldspenden – zum Teil der Kundschaft gegenüber als Anteil auf dem Buchungspreis ausgewiesen – über Investitionen, Vorfinanzierungen, bewusste Auswahl von Geschäftspartnern und Langzeitverträgen, Ausbildung vor Ort oder am Stammsitz bis hin zur Kundeninformation und sogar zur Erarbeitung von Verhaltensleitlinien, die an die Reisenden abgegeben werden. Auffällig ist dabei, wie wenige Touroperators eine umfassende ethische Unternehmenspolitik für solche Massnah-men auch ausformuliert haben und wie entsprechend selten die Bemühungen evaluiert wer-den. Geläufigste Praxis im ethischen Bereich ist offenbar die Spende: 61 Prozent der befragten Touroperators unterstützen finanziell Projekte im Reisezielland oder Hilfswerke in England bzw. machen ihre Kundschaft auf Spendemöglichkeiten mit Aktionen oder Projektbesuchen aufmerksam. Dabei macht die Studie klar: Je direkter die Mittel in konkrete Projekte zur Behebung von Schäden aus dem Tourismus und für eine nachhaltige Entwicklung durch Tourismus – mittels Qualifizierung vor Ort oder der Reisenden – gesteckt werden, desto effektiver zeigt sich der Spenderbatzen und desto glaubwürdiger wird die Massnahme auch für die Kundschaft.
Die Umfrageergebnisse hätten wohl rechtzeitig gewissen Verwaltungs- cum Stiftungsratsmitgliedern von Schweizer Reiseveranstaltern zugehen müssen, die ihre für die Öffentlichkeit schwer nachvollziehbaren Millionenverdienste so grosszügig einem Kinderhilfswerk zukommen lassen wollten. Die Öffentlichkeit hat die Geste nicht goutiert, sie hatte a priori wenig mehr mit dem Wohlsein der Kinder und noch weniger mit dem Tourismus zu tun. Umgekehrt könnten die Ergebnisse und Empfehlungen der Tearfund-Studie auch bei gewissen Hilfswerken Denkanstösse geben: Sicher sind Spendemarkt und Entwicklungsgelder umkämpfter denn je, und so wird die Reisebranche zur Zusammenarbeit für „Social Sponsoring“ erkoren, generiert diese ihr Einkommen doch unter anderem auch in den sogenannten Ländern des Südens. Doch wo bleibt dabei die notwendige Qualifizierung im Tourismus? Entsprechend den Resultaten der Tearfund-Untersuchung hätte hingegen der „Umwelt-Fünfliber“, den Hotelplan diesen Sommer pro Badeferiengast in einen Fonds für nachhaltige Tourismusprojekte und Umweltschutzbemühungen überweist, in der breiten Öffentlichkeit viel mehr Beachtung verdient. Dies umso mehr, als der „Umwelt-Franken“ bzw. die Errichtung eines Ökofonds Bestandteil eines seit Jahren im Hotelplan verfolgten Umweltkonzeptes ist, dessen Wirksamkeit der Kundschaft gegenüber in einem Umwelterfahrungsbericht aus-gewiesen wird. Denn – das zeigt die Tearfund-Studie mit Beispielen und konkreten Vorschlägen klar auf – Spenden an Projekte sind nur eine Massnahme eines ganzen Bündels, die eine unternehmerische Ethik im Reisegeschäft ausmachen. /plus
Quellen: Sonntagszeitung, 6.5.2001; Helvetas Partnerschaft, Feb. 2001, Globetrotter Magazin, Frühling 2001; Hotelplan Umweltbericht 2001 sowie Medienmitteilung 25.1.2001; Newland, Dez. 00/Jan. 01, Feb./März 01; Travel Manager, Juni 2000; Graham Gordon: Tourism – Putting Ethics into Practice, Tearfund London 2001, e-mail: engquiry@tearfund.org, Homepage: www.tearfund.org