Reise-Posts in sozialen Medien: Höhen und Abgründe
In letzter Zeit ist in den Medien öfters die Klage zu hören, Instagram habe das Reisen zerstört. Fürs perfekte Bild sind viele InstagramerInnen offenbar zu allem bereit: Sie zertrampeln Mohn- oder Tulpenfelder oder tricksen bei Himmelstor-Aufnahmen, bei denen Plötzlich eine Wasserfläche spiegelt, wo eigentlich keine ist. Die Tourismusbehörden von Jackson Hole, einem Tal und Naturpark in Wyoming, bittet Gäste, künftig keinen Geotag auf den spezifischen Ort zu setzen, wo sie das Bild aufgenommen haben, sondern nur noch generell auf die Region zu taggen. In Australien brachten die Behörden einen 1.70 Meter hohen Zaun an, um die InstagramerInnen davon abzuhalten, lebensgefährliche Bilder über den Felsen zu schiessen. Einige MieterInnen in gewissen Pariser Gassen haben ihre Hausverwaltung gebeten, die pastellfarbenen Hausfassaden mit schlichtem Weiss zu überstreichen, um Ruhe von den InstagramerInnen zu bekommen.
Instagram zählt über eine Milliarde aktive NutzerInnen monatlich. Deren Posts beeinflussen oder inspirieren uns beim Buchen von Reisen. Doch immer noch sind die meisten Auslandreisenden Weisse, die oft wenig über die besuchten Orte und Kulturen wissen. Ihre Sicht prägt das Narrativ über die besuchten Orte. "So viele InstagramerInnen tun immer das Gleiche: Sie posten ein schönes Bild mit einem erstaunlichen Filter auf wunderschönem Hintergrund, und das war’s. Dann runden Sie es mit einem nutzlosen Lebenszitat ab, das nichts mit dem Land zu tun hat", kritisiert die kubanisch-amerikanische Content-Erstellerin Marissa Daniela von @mimaincuba. Sie will die Realität des Lebens in Kuba mit den 21’000-Followern ihres Berichts teilen.
Menschen aller Farben, Formen und Vorlieben
Mehr und mehr finden aber auch Posts von Reisenden in den Sozialen Medien Eingang, die den Mainstream durchbrechen. Beliebte Accounts wie @unlikelyhikers und @blackgirlstraveltoo posten zwar ähnlich narzisstische Bilder wie der Mainstream, aber sie zeigen mehr Diversität der Reisenden. Sie teilen Insider-Tipps und wollen die einheimischen Kulturen respektieren und positiv beeinflussen, wie wir unbekannte Orte erleben. Der Fokus auf Nachhaltigkeit kommt vor allem von Frauen, Farbigen, Queers und AnhängerInnen der Body Positivity-Bewegung. Menschen, die eher nicht zu den hetero und weissen Privilegierten gehören, die im Tourismus übervertreten sind. Ein Beispiel dafür ist Kiona, eine Influencerin mit 32’500 Followers auf ihrem Instagram-Account und mit einer Website namens How Not To Travel Like a Basic Bitch, die sie 2016 kreierte. "Ich wurde unterwegs sehr frustriert, wenn ich respektlose Reisende sah", sagt Kiona. "Es spielte keine Rolle, wohin ich ging, es gab immer Menschen aus dem Globalen Norden, die keinen Respekt vor der Natur, der Kultur oder den lokalen Völkern hatten und die die Ökosysteme eines Ortes völlig zerstörten." Kiona glaubt, dass soziale Bewegungen von sozialen Medien angetrieben werden. Ihr Schwerpunkt liegt auf Bildung und Vernetzung auf der persönlichen Ebene, nicht auf den Schlammschlachten und Beschimpfungen, für die die Plattform berüchtigt ist.
Geo-Taggen oder nicht?
Beim Geo-Taggen widerspricht Kiona der Tourismusbehörde von Jackson Hole. Instagram-Posts über besuchte Orte sollen ihrer Meinung nach mit Geo-Tags versehen werden, damit andere sie auch besuchen können. Alles andere wäre ein Ausschliessen, mit der Haltung: Ich bin die Privilegierte, die das geniessen konnte, und du nicht. Allerdings findet sie auch, dass gewisse Orte so fragil sind, dass man sie vor einem Tourismusansturm schützen sollte. Daher empfiehlt sie: Wer sich beim Geotaggen eines Ortes nicht wohl fühlt, soll ihn in den Sozialen Medien ganz weglassen.
Kiona mahnt auch, die Einwilligung zu holen, bevor andere, insbesondere Kinder, fotografiert werden, und den Hintergrund der Einheimischen und Indigenen immer zu vermitteln.
Spannende neue Perspektiven
Die meisten Pressereisen, Reisekonferenzen und Tourismuskampagnen sind noch dominiert von jungen, weissen Menschen mit perfektem Körperbau." Die beliebtesten Berichte auf Instagram replizieren diese dynamischen, wunderschönen, gefilterten Fotos weiterhin und fragen nicht nach dem gesellschaftlichen oder ökologischen Umfeld der Aufnahme. Natürlich sind auch die traditionellen Reisemedien und Reisebüros angesprochen, die Destinationen verantwortungsvoll darzustellen. Ob in Zeitschriften, im Fernsehen oder auf Instagram, die Art und Weise, wie Reisen dargestellt werden, wirkt sich spürbar auf die Ziele aus, darauf, wer sie besucht und wie diese Gäste mit dem Ort interagieren. Doch eine neue Generation bewusster InstagramerInnen zeigen, dass alternative Posts im Streben nach verantwortungsvollem Reisen spannend sein können. Sie zerlegen Stereotypen über das Land und eröffnen eine Perspektive, die viel interessanter ist.