Wie jede Reise, haben auch Reisen in Konfliktregionen zwei Gesichter. Sie können einerseits eine völkerverständigende Wirkung haben und Konfliktparteien zum Austausch bewegen. Andererseits können sie Ungleichheiten verstärken und Konflikte weiter schüren. Im besten Fall fördert jedoch eine solche Reise einen offenen Dialog und kann zu einer Verständigung unter den Konfliktparteien beitragen. Ein gutes Beispiel dafür ist die ehemalige Konfliktregion um Ungarn, Serbien und Kroatien. Hier organisierten ansässige Tourismusunternehmen gemeinsam Fahrradreisen durch alle drei Länder, um die Entwicklung der Regionen voranzutreiben.

Die Schattenseiten des Tourismus 

Doch trotz des positiven Beispiels gibt es einige Aspekte, die gegen Reisen in (Post-)Konfliktregionen sprechen. Denn in vielen dieser Regionen ist der Tourismus einer der ersten Sektoren, der wieder an Fahrt aufnimmt, noch bevor ein ernsthafter Prozess der Versöhnung und ein umfassender Wiederaufbau stattgefunden haben. Das Beispiel Sri Lanka zeigt, was passieren kann, wenn der Tourismus zu früh zu stark gefördert wird: Ökologische und soziale Standards werden missachtet und die Rechte der Einheimischen übersehen.  

Zudem führen Kriege häufig zu einer Umverteilung der Machtverhältnisse. Nicht selten entstehen diktatorische Regime, die dann durch die Einnahmen des Tourismus gestützt werden. 

Doch nicht nur das. Aufgrund häufig unklarer Machtverhältnisse mangelt es in Post-Konfliktgebieten vielfach an Rechtsstaatlichkeit. So kommt es häufig zu Menschenrechtsverletzungen. In Myanmar beispielsweise wurden grosse Teile von Strassen und Zufahrtsstrecken zwischen touristischen Attraktionen durch Zwangsarbeit gebaut.   

Fazit

Ob Reisen in Konfliktregionen wirklich notwendig sind, ist fraglich. Sie können bestenfalls Prozesse der Heilung und Veränderung verstärken, doch ohne eine intensive und verantwortungsbewusste Vorbereitung gelingt das nicht.

Die Verantwortung der Reiseorganisator*innen

Wer Reisen in (Post-)Konfliktregionen organisiert, sollte sich seiner Verantwortung bewusst sein, die Partner vor Ort mit Bedacht auswählen und jeden einzelnen Teil der Reise gut planen. So können Reiseveranstalter*innen die friedensfördernden und völkerverständigenden Eigenschaften des Tourismus gezielt nutzen. Eine gute Orientierungshilfe für Reiseanbieter*innen ist die gratis PDF Tourismus in fragilen Kontexten vom Roundtable Human Rights in Tourism.   

Stellt sich die Frage: Was gibt es für Reisende zu beachten und ab wann sind Reisen in Post-Konfliktregionen wieder vertretbar?  

6 Regeln für Reisen in Post-Konfliktregionen

1. Reiseabsichten klar definieren

Nehmen Sie sich vor der Planung genügend Zeit, um sich über die Absichten Ihrer Reise klar zu werden:  

Warum wollen Sie in eine Post-Konfliktregion reisen? Möchten Sie Ihr Verständnis erweitern und einen Austausch fördern oder geht es auch um den Adrenalinkick, der Sie in die Region zieht?   

2. Über die Ursachen und Folgen des Konfliktes informieren

Wenn Sie sich dazu entschieden haben, Ihre Reise in eine Post-Konfliktregion zu planen, kommt die Vorbereitung. Informieren Sie sich über die Ursachen und Folgen des Konfliktes sowie über die aktuelle Lage in der Region. Dazu gibt es einige unabhängige Informationsquellen: beispielsweise in Deutschland die Bundesministerien (Auswärtiges Amt, Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) und in der Schweiz das EDA, NGOs (international und lokal), Berufsverbände, lokale Stakeholder (z. B. Reiseagenturen), internationale Organisationen (z. B. Danish Institute for Human Rights), lokale, konfliktsensible Fachleute und Ländervertretungen (z. B. Konsulate, Stiftungen). Und natürlich die Länderinfos auf www.fairunterwegs.org.   

3. Reiseveranstalter*in mit Bedacht auswählen

Wählen Sie Reiseanbieter*innen, die auf die Region spezialisiert sind, konfliktsensibel geschult sind und sich zur Wahrung der Menschenrechte vor Ort verpflichten. Während einige Reiseveranstalter*innen Fakten verschweigen oder gar verfälschen, nähern sich verantwortungsbewusste Reiseanbieter*innen heiklen Themen wie Völkermord, Terrorismus und Krieg mit der Sorgfalt und Ernsthaftigkeit, die sie verdienen. Häufig finden Sie Aussagen dazu auf der Webseite oder den Ausschreibungen des Anbieters. Falls nicht, fragen Sie direkt beim Anbieter nach, wie faire Arbeitsbedingungen sowie die Partizipation der lokalen Bevölkerung gewährleistet werden, damit diese den grösstmöglichen Nutzen vom Tourismus haben.   

4. Partner überprüfen

Überprüfen Sie, so gut es geht, das Geschäftsumfeld des Reiseanbieters. Stellen Sie sich dabei folgende Fragen: Welche Partner wurden vor Ort ausgesucht und unter welchen Kriterien? Wie stehen oder standen diese im Konflikt-Kontext? Bestehen Risiken während der Reise, den Konflikt weiter zu schüren?  

Versuchen Sie, wenn möglich, herauszufinden, wohin ihr Geld fliesst. Denn häufig werden bei Reisen in autokratisch regierte Länder nicht die Bevölkerung, sondern vielmehr die Regime im Land unterstützt. Frage Sie am besten direkt beim Reiseveranstalter nach, um Missverständnisse zu vermeiden.  

5. Menschenrechte vor Ort respektieren

Achten Sie in jedem Fall darauf, mit Ihrem eigenen Verhalten die Menschenrechte vor Ort zu respektieren. Das heisst: Nehmen Sie an keinen, für die Lokalbevölkerung entwürdigenden Touren, wie Besichtigungen von Kriegsschauplätzen, teil, fragen Sie, bevor Sie Fotos machen und begegnen Sie den Menschen mit Respekt und Verständnis. Gerade im Konflikt-Kontext wird die sexuelle Ausbeutung von Kindern und Frauen oft als Kriegsstrategie eingesetzt. Dementsprechend sensibel ist in Post-Konflikt Gebieten damit umzugehen. Informieren Sie sich über die Lage und melden Sie jeden Verdacht auf sexuelle Ausbeutung von Kindern durch Reisende bei verlässlichen Organisationen, wie www.stopchildsextourism.ch www.fedpol.admin.ch, www.nicht-wegsehen.net.

Mit den Menschen in Kontakt kommen

Sich im Vorfeld kritisch und breit zu informieren ist ein Muss, wenn man in eine (Post-) Konfliktregion reisen möchte. Und vor Ort? Wie tritt man dort den Menschen gegenüber? Vielleicht ist es eine gute Idee, das Gespräch nicht sofort mit der schwierigen Vergangenheit zu beginnen, sondern erst mal das, was jetzt gerade gut läuft im Land oder die Naturschönheit zu thematisieren. Falls das Gegenüber sich dann öffnet und über den Konflikt redet, lohnt es sich zuzuhören, bevor man vorschnelle Urteile fällt. Ein Konflikt hat meistens mehrere Perspektiven und auch wenn sich die Meinung der einheimischen Person nicht mit dem deckt, was man gelesen habe – sie ist eine Perspektive und vielleicht lernt man durch diesen Perspektivenwechsel dazu. Vielleicht ist es auch möglich, mehrere Perspektiven zu hören und sich so sein ganz eigenes Bild der Situation zu machen. Erlebte Geschichte sozusagen. Ganz nah und ungefiltert.  

6. Gesehenes und Erlebtes hinterfragen

Hinterfragen Sie in autoritär geführten Ländern immer, was Sie sehen und hören. Denn dort ist häufig nicht nur die Menschenrechtslage schlecht, sondern der Tourismus gleichermassen von Propaganda geprägt, wie die lokalen Medien vor Ort. In Syrien beispielsweise lassen sich Reisen so gut wie gar nicht ohne die intensive Absprache mit Regierungsbehörden organisieren. Das Assad-Regime bemüht sich sogar regelrecht um Tourist*innen, die die wirtschaftliche Lage des Landes ankurbeln. Unterstützung der Propaganda-Politik inklusive.  

Eine Idee dazu: Führen Sie Reisetagebuch – online oder offline.  

Das fairunterwegs-Fazit

Ab wann eine Reise in eine (Post-)Konfliktregion wieder vertretbar ist, lässt sich schlussendlich nicht allgemeingültig beantworten. Die Lage in verschiedenen Regionen muss einzeln betrachtet und gegeneinander abgewogen werden. Vermeiden Sie Regionen, in denen Sie oder andere Mitreisende ernsthaft in Gefahr sind. Wägen Sie das Für und Wider ihrer Reise ab, werden Sie sich über ihre Absichten klar, wählen Sie ihre Reisepartner mit Bedacht aus und reflektieren und respektieren Sie die Menschenrechte vor Ort.   

Literaturverzeichnis

Tourism Watch (2010): Reisen in Konfliktgebiete. Die Verantwortung von Reiseveranstaltern. https://www.tourism-watch.de/de/kurzmeldung/reisen-konfliktgebiete 

National Geographic (2016): Is Dark Tourism ok? https://www.nationalgeographic.com/travel/article/is-dark-tourism-ok-chernobyl-pripyat-disaster-sites  

Roundtable Human Rights in Tourism (2016): Tourismus in fragilen Kontexten. https://www.humanrights-in-tourism.net/publication/tourismus-fragilen-kontexten  

Susanne Fischer (2013): Reisen in Konfliktregionen. https://www.fairunterwegs.org/magazin/news/detail/reisen-in-konfliktregionen/  

Tourism Watch & fairunterwegs (2015): Tourismus in Sri Lanka. Die menschenrechtliche Verantwortung von Reiseanbietern in Post-Konflikt-Gebieten. https://www.fairunterwegs.org/fileadmin/user_upload/Dokumente/PDF/Dokumente_intern/PDF_2015_02_17_Menschenrechtliche_Sorgfaltspflicht_in_Post-Konflikt-Gebieten_akteTW.pdf   

Die Schattenseiten des Tourismus

Doch trotz des positiven Beispiels gibt es einige Aspekte, die gegen Reisen in (Post-)Konfliktregionen sprechen. Denn in vielen dieser Regionen ist der Tourismus einer der ersten Sektoren, der wieder an Fahrt aufnimmt, noch bevor ein ernsthafter Prozess der Versöhnung und ein umfassender Wiederaufbau stattgefunden haben. Das Beispiel Sri Lanka zeigt, was passieren kann, wenn der Tourismus zu früh zu stark gefördert wird: Ökologische und soziale Standards werden missachtet und die Rechte der Einheimischen übersehen.  

Zudem führen Kriege häufig zu einer Umverteilung der Machtverhältnisse. Nicht selten entstehen diktatorische Regime, die dann durch die Einnahmen des Tourismus gestützt werden. 

Doch nicht nur das. Aufgrund häufig unklarer Machtverhältnisse mangelt es in Post-Konfliktgebieten vielfach an Rechtsstaatlichkeit. So kommt es häufig zu Menschenrechtsverletzungen. In Myanmar beispielsweise wurden grosse Teile von Strassen und Zufahrtsstrecken zwischen touristischen Attraktionen durch Zwangsarbeit gebaut.   

Fazit

Ob Reisen in Konfliktregionen wirklich notwendig sind, ist fraglich. Sie können bestenfalls Prozesse der Heilung und Veränderung verstärken, doch ohne eine intensive und verantwortungsbewusste Vorbereitung gelingt das nicht.