«Reisen muss teurer werden»
„Reisen muss teurer werden, wenn wir Emissionen einsparen wollen“, erklärt der Wissenschaftler. Und er ist sich bewusst, dass solche Ankündigungen ihm keine Freunde machen. „Normalerweise dauert es zwischen 10 und 15 Minuten, bis ich mich beim Publikum unbeliebt gemacht habe.“ Dabei präsentiert Gössling in seinen Vorträgen auf eher nüchterne Weise Ergebnisse seiner Forschungen. Und er weiß seine Erkenntnisse durchaus positiv zu formulieren, Stichwort: Klimawandel als Chance. Um diesen auch als solche Wahrzunehmen, sieht Gössling für die Tourismusbranche allerdings eine Reihe von notwendigen Trends:
- Von kürzeren zu längeren Aufenthalten auf Reisen
- Von Fern- zu Nahzielen
- Von emissionsintensiven zu emissionseffizienten Transportmitteln
- Von „falschen“ Ausgaben zu „richtigen“ Ausgaben – hin zu Leistungen mit günstiger Öko-Effizienz
- Von geringem zu hohem Profit – eine erhöhte Rentabilitätsquote in der touristischen Wertschöpfungskette
Es wird Branchen geben, denen gravierende Einschnitte bevorstehen. Die Fokussierung auf das Langstrecken- bzw. Fernreisegeschäft wird über lang oder kurz zu Problemen führen. Auch Kreuzfahrtreisen sind hinsichtlich der Emissionen sehr problematisch. Pro Tag und Person werden 100 bis 200 kg CO2 ausgestoßen, hinzu kommt die An- und Abreise, die oft mit dem Flugzeug erfolgt. So kann eine Flug-Kreuzfahrt-Kombination schnell das Vielfache eines „nachhaltigen“ Jahres-Emissionsbudget einer Person betragen. Wenn wirklich Emissions-Einsparungen im Tourismussektor erreicht werden sollen, bedürfe es einer Kombination aus technologischem Fortschritt und modal shift, also einer Veränderung im Mobilitätsverhalten der Reisenden. „Wir müssen lernen, mit unserem persönlichen Energie-Budget zu leben und das heißt beim Reisen, grob gesagt, nähere Destinationen und längere Aufenthalte“, sagt Gössling.
Der Forscher ruft in seinem Vortrag die weit reichenden Folgen des Klimawandels in Erinnerung und verweist auf die damit verbundene Nord-Süd-Ungerechtigkeit – in Entwicklungsländern sterben daran schon heute rund 300.000 Menschen pro Jahr. Es gilt, die globale Erwärmung unter der Grenze von zwei Grad Celsius zu halten. Eine Überschreitung dieses Werts wird von Experten international als sehr gefährlich angesehen. Die hierzu erforderlichen Emissionseinsparungen erfordern schnelle und umfangreiche Maßnahmen. Der benötigte Reduktionspfad kann bei zügiger Maßnahmenumsetzung mit einem vergleichbar geringen Kostenaufwand eingeschlagen werden. Bei einer zögerlichen Reaktion würden die Kosten in späteren Jahren hingegen explodieren. Diese Situation wird auch für den Tourismus erhebliche Umbrüche mit sich bringen – er ist einerseits ein signifikanter Mitverursacher der globalen Erwärmung und andererseits ein hoch klimaempfindlicher Wirtschaftssektor.
Die Veranstaltung war Teil der Reihe „Latest Trends and Innovations in Tourism“ und wurde von der MODUL University Wien in Zusammenarbeit mit Klimabündnis Österreich und mit respect, Institut für integrativen Tourismus und Entwicklung, organisiert.
_____________________________________________________________________________________
Stefan Gössling ist Professor im Fachbereich Dienstleistungs-Management an der Universität Lund in Schweden und Koordinator am West-Norwegischen Forschungszentrum für Nachhaltigen Tourismus. Außerdem ist er Mitglied in einem einem internationalen Forschungsnetzwerk im Auftrag der Welttourismusorganisation (UNWTO), des UN-Umweltprogramms (UNEP) und der Weltorganisation für Meteorologie (WMO). Seine Forschungsschwerpunkte umfassen Tourismus und Klimawandel, Tourismus und Entwicklung, Mobilitäts-Studien, Erneuerbare Energien, CO2-minimierter Tourismus, sowie Klimapolitik und CO2-Handel. Zu seinen letzten Veröffentlichungen zählen "Tourism and Global Environmental Change" (2006, Routledge, mit C.M. Hall), "Sustainable Tourism Futures" (2009, Routledge, mit C.M. Hall and D.B. Weaver), und "Climate Change and Aviation" (2009, Earthscan, mit Paul Upham). Er war außerdem Co-Autor von "Tourism and Climate Change: Responding to Global Challenges" (UNWTO-UNEP-WMO 2008) und ein beitragender Autor des vierten Sachstandsberichtes zum IPCC (Zwischenstaatlicher Ausschuss für Klimaänderungen).