Basel, 11.01.2012, akte/

Seit wann beschäftigst Du dich mit Labels?

Ich habe 1987 die Entwicklung des ersten Labels, der blauen Europaflagge, miterlebt. 1988 wurde die "Silberdistel" als lokales Gütesiegel für die Herbergen im Kleinwalsertal ins Leben gerufen. Kurz darauf tauchte die "blaue Schwalbe" von Verträglich Reisen in Deutschland auf. Im Laufe der Neunzigerjahre erstellte ich im Auftrag des deutschen Bundesumweltministeriums einen Überblick über die damals 20 bis 30 Umweltzertifikate für den Tourismus. Ende der Neunzigerjahre begannen die ersten Labels auch soziale Aspekte in ihre Kriterien zu integrieren, ausserdem tauchten auch Zertifikate in nicht europäischen Ländern auf und solche, die weltweit vergeben werden, wie der Green Globe. 

Was ist ein Label?

Ein Label ist in erster Linie ein Hinweis für VerbraucherInnen. Sie können sehen, welchen Standard ein Produkt oder eine Dienstleistung erfüllt. Die Mehrheit der derzeitigen "Nachhaltigkeitslabels" im Tourismus steht für besondere Umweltleistungen im Tourismus, beispielsweise für Energie- oder Wassereinsparung im Hotel. Manche stehen darüber hinaus auch für sozialen, kulturellen oder wirtschaftlichen Nutzen, zum Beispiel für faire Löhne oder die Einhaltung von Menschenrechten. 

Kann man Labels trauen?

Das hängt vor allem vom Prüfverfahren ab: Es gibt Labels, die nur aufgrund schriftlicher Unterlagen vergeben werden, und andere, bei denen die Erfüllung bestimmter Standards durch unabhängige Fachleute vor Ort überprüft wird. Für beide Verfahren gibt es gute Gründe: Die Schreibtischprüfung kann für manche Kriterien ausreichen, etwa bei der Kontrolle des Stromverbrauchs durch Prüfung der entsprechenden Rechnungen. Doch eine Reihe von Kriterien können nur vor Ort zuverlässig geprüft werden, zum Beispiel beim Thema Arbeitsbedingungen durch Gespräche mit MitarbeiterInnen oder beim Thema Umwelt durch das Überprüfen der Umwelttechnik. Der Labelführer gibt hier eine grobe Orientierung. Ab 2012 bietet der Globale Rat für Nachhaltigen Tourismus (Global Sustainable Tourism Council) eine unabhängige Überprüfung an, ob ein Label alle internationalen Kriterien für Nachhaltigen Tourismus in den verschiedenen Bereichen abdeckt und ob das Prüfverfahren vor Ort alle internationalen Anforderungen im Detail erfüllt. Solche umfassend geprüften Labels können wir dann auch besonders empfehlen. 

Wie ist der Labelführer zustande gekommen?

Christine Plüss vom arbeitskreis tourismus & entwicklung hat mich gefragt, ob wir einen Labelführer für TouristInnen machen könnten. So einen, wie es ihn zum Beispiel im Bereich der Textilien schon gibt. Ich war sofort einverstanden, denn wir aktualisieren ohnehin jährlich unseren weltweiten Überblick über die rund hundert Labels, die es im Tourismus gibt. Es kamen dann noch die Naturfreunde Internationale NFI und Tourism Watch, die Fachstelle des Evangelischen Entwicklungsdienstes, als Partner dazu. Wir haben zwanzig führende Labels für Hotels und Reiseveranstalter ausgewählt, die für deutschsprachige KonsumentInnen besonders interessant sind: also nationale Labels in Österreich, Deutschland, der Schweiz und weiteren wichtigen Reiseländern in Europa sowie Labels, die in mehreren europäischen Ländern vergeben werden. Diese haben wir ergänzt mit führenden Labels in Amerika, Asien und Afrika sowie internationalen Labels, die rund um den Planeten vergeben werden. Christine und ich haben die erste Textfassung erstellt, danach hat NFI die weitere Produktion professionell übernommen. 

Was bedeutet dieser Labelführer für dich?

Eine tolle Sache, denn damit wird eine wichtige Lücke geschlossen. Der Erfolg von Labels hängt ja letzlich von der Nachfrage ab: Je mehr KundInnen sich an solchen Labels orientieren, desto mehr Tourismusbetriebe und Reiseunternehmen machen mit. Derzeit ist erst ein Prozent der Hotels in Europa zertifiziert. In manchen Regionen wird schon eine gute Auswahl geboten, zum Beispiel in Wien, in anderen Zielgebieten sind Hotels mit Umweltlabel noch Mangelware. Ab fünf Prozent Marktanteil, wie im Bereich Bio, wird ein Wendepunkt erreicht zum Nutzen aller Beteiligten: Die Labels können sich durch stärkere Nachfrage besser finanzieren, die Veranstalter und VerbraucherInnen haben eine bessere Auswahl, die Betriebe werden für ihr Engagement belohnt, die Bevölkerung hat einen höheren Nutzen, und der Tourismus leistet seinen Beitrag für eine nachhaltige Entwicklung. Nach 20 Jahren Fachdiskussion ist der Labelführer nun der längst überfällige Schritt, die VerbraucherInnen fundiert und unabhängig zu informieren, ihnen die Vielfalt an Labels aufzuzeigen und Kriterien für die Beurteilung und Nutzung solcher Zertifikate an die Hand zu geben.

Worauf sollten VerbraucherInnen bei den Labels besonders achten?

Es sind drei Hauptdimensionen, die ein Label auszeichnen: Zum Ersten, wie umfassend es die Themen der Nachhaltigkeit im Tourismus abdeckt. Dazu gehören nicht nur Umweltleistungen und soziale Aspekte, sondern auch die Erhaltung der Kultur und der wirtschaftliche Nutzen in den Zielgebieten. Eine zweite Dimension ist die Transparenz: Wie weit sind die Standards öffentlich zugänglich? Es ist ja nicht so, dass alle Labels mit denselben Anforderungen verbunden sind. Als freiwillige Instrumente sollen sie über die gesetzlichen Vorschriften in den jeweiligen Ländern hinausgehen und eine Entwicklung unterstützen, die in den Zielgebieten sinnvoll und machbar ist. Die unterschiedlichen ökologischen und sozialen Situationen in Nah und Fern machen auch unterschiedliche Standards erforderlich. Wichtig ist daher, dass sich Interessierte über die aktuellen Standards und Kriterien eines Labels auf der jeweiligen Webseite informieren können. Manchmal ist das nur gegen eine zum Teil erhebliche Gebühr möglich. Die dritte Dimension ist die Glaubwürdigkeit. Wer steht dahinter? Wie unabhängig ist das Prüfverfahren? Dazu gibt der Labelführer entsprechende Hinweise. 

Wie nutzt ihr den Labelführer für DestiNet?

Wir werden die 20 ausgewählten Labels auf dem internationalen DestiNet Portal  in gleicher Weise vorstellen. Den Labelführer selbst werden wir ebenfalls auf DestiNet stellen. Dann werden wir alle anderen Labels einladen, sich ebenso detailliert  vorzustellen. Sobald ein Label offiziell vom Global Sustainable Tourism Council geprüft und anerkannt ist, werden wir auf DestiNet einen entsprechenden Hinweis geben. Schliesslich werden wir die Labelorganisationen einladen, ihre zertifizierten Tourismusbetriebe und Unternehmen auf die Destinet-Weltkarte zu stellen, sodass der komplette Überblick zu "nachhaltigem Tourismus" frei zugänglich ist. Es liegt dann an den Reisenden, DestiNet als "Online-Informationsbüro" zum Nachhaltigen Tourismus zu nutzen und in den Reisebüros nach entsprechenden Reiseangeboten zu fragen. Die 230 Angebote mit dem österreichischen Umweltzeichen oder die 50 Veranstalter mit CSR Tourismus-Zertifikat sind bereits auf DestiNet. Als nächstes kommen die Angebote aus Deutschland und der Schweiz dazu.