In den letzten zwei Jahrzehnten setzte sich zwar der Nachhaltigkeitsbegriff in der politischen Diskussion durch, aber die Übersetzung der Idee in den Alltag, dass ökologische, ökonomische und soziale Aspekte vernetzt betrachtet werden müssen, lässt nach wie vor zu wünschen übrig. Nun, in Zeiten der Finanz-, Nahrungsmittel- und Klimakrise, sollen anlässlich der Uno-Konferenz im Juni 2012 in Rio Wege für ein neues, ökologisches Wirtschaften (die sogenannten Green- Economy-Modelle), das auch die Interessen der Armen berücksichtigt, erörtert werden. Dabei ist es wichtig, auf die spezifische Situation von Frauen besonders in Entwicklungsländern aufmerksam zu machen und von deren Erfahrungen für  ein Haushalten, das in der Regel die Bedürfnisse aller Generationen ernst nimmt, zu lernen. Und dies nicht nur für den klassischen Familienhaushalt, sondern auch für alle ökonomischen Aspekte des nationalstaatlichen und globalen Zusammenlebens. Hunger, Mangel- und Unterernährung sind nach wie vor bittere Realität für mehr als eine Milliarde Menschen, und die Konsequenzen des Klimawandels treffen ebenfalls hauptsächlich arme Menschen – und mehr als zwei Drittel davon sind Frauen.
Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung
Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung heissen die Leitbegriffe des ökumenischen Prozesses, der als Wegbereiter der Nachhaltigkeitsidee gilt. Sowohl dem konziliaren "GFS"-Prozess wie auch der Rio-Erklärung von 1992 liegt ein ethischer Ansatz zugrunde, der Menschenschutz und Naturschutz, Armutsbekämpfung und Umweltsorge als Einheit versteht. Zwanzig Jahre nach Rio sind die Herausforderungen an Christinnen und Christen zum Leben globaler Solidarität erheblich gestiegen. Besonders die Option für die Armen gewinnt im Kontext nachhaltiger Entwicklung an Bedeutung. Nicht nur die Anpassung an die Folgen des Klimawandels, sondern auch die sich immer weiter öffnende Schere zwischen Armen und Reichen sind drängende Herausforderungen.
Wem nützen die Green Economy- Modelle?
Die Diskussion der Green Economy Modelle – Modelle für eine nachhaltige, grünere Wirtschaft also – wird an der Rio-Konferenz eine grosse Rolle spielen, und begrüssenswerterweise sollen dort Weichen für die Zukunft der Menschheit gestellt werden, die auch die Bedürfnisse Benachteiligter in den Ländern des Südens ernst nehmen. Bei einem genaueren Blick auf die jetzt zur Diskussion stehenden Modelle werden aber Schwachstellen sichtbar: Oft ruht die Forderung nach Nachhaltigkeit nur auf zwei ihrer drei Pfeiler – nämlich auf den ökonomischen und den ökologischen Aspekten. Die soziale Dimension, die unter anderem die Wahrung der Menschenrechte aller betont, wird oft ausgeblendet. Frauenanliegen und insbesondere Gender-Aspekte haben in den Konferenzvorbereitungen bislang kaum Beachtung gefunden.
Auf der dritten Nachfolgekonferenz Rio+20 im Juni 2012 wird es darauf ankommen, das Konzept der Green Economy und dessen Umsetzung für beide Geschlechter gleichermassen nutzbar zu gestalten. Wichtig ist dabei, dass die Green Economy und die vor allem durch Frauen betriebene Care Economy (Kinder betreuen, Kranke und Alte pflegen,  kochen, reinigen usw.) in Bezug gesetzt werden. Denn es müssen nicht nur "grüne Jobs" geschaffen werden, um eine Umweltkrise abzuwenden, sondern auch Arbeitsstellen im Bereich personenbezogener Dienstleistungen, um der aufgrund zunehmender öffentlicher Sparbemühungen drohenden Krise in der Sorge-Ökonomie vorzubeugen.
Um diesen Anliegen globaler, gendergerechter Solidarität Gehör zu verschaffen, laden Brot für alle und Fastenopfer eine der sechs im Rahmen der Kampagne portraitierten Partnerorganisationen nach Rio ein, damit sie dort ihr Projekt vorstellen können. Damit werden wir auch der Schweizer Verhandlungsdelegation in Erinnerung rufen, dass richtig verstandene Nachhaltigkeit die gleichberechtigte Vernetzung ökologischer, ökonomischer und sozialer Aspekte bedeutet, die auch Genderaspekte gebührend respektiert. Das nationale und das globale Haus müssen so entwickelt und geregelt werden, dass die Rechte und Bedürfnisse aller Menschen heute und in Zukunft garantiert werden können.


Mit der Aktion "A Voice in Rio" soll die Schweizer Öffentlichkeit dafür gewonnen werden, aus sechs beispielhaften Projekten demjenigen eine Stimme zu geben, welches das Anliegen einer gendergerechten und nachhaltigen Wirtschaftsform am besten umsetzt. Sie werden verschiedene Möglichkeiten für die Stimmabgabe erhalten (Agenda, Internet, Tischset usw.). Eine Vertretung des Gewinnerprojekts wird am Uno-Gipfel Rio+20 (20. bis 22. Juni 2012) das Projekt der Schweizer Delegation vorstellen und in die Diskussion einbringen.


Dieser Beitrag ist dem Aktionsmagazin Impulse 2012 von Brot für Alle und  Fastenopfer entnommen. Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung.