Ziel der reichen Industriestaaten, und auch der Schweiz, war es, innerhalb der Vereinten Nationen ein an sich nebulöses Konzept einer „grünen Ökonomie“ zu verankern. Sie sind an den neuen geopolitischen Kräfteverhältnissen gescheitert. Die Gemeinschaft der 77 und China lassen sich nicht mehr Texte von den alten Industriestaaten vorschreiben, sondern sind zu einflussreichen Playern im Staatensystem geworden. Brasilien, das mit grossem diplomatischem Geschick dafür sorgen konnte, dass der Gipfel nicht scheiterte, sondern alle Teilnehmenden zwar irgendwie unglücklich, aber doch mit dem Schlusstext einverstanden, von Dannen zogen, ist es gelungen, zentrale Prinzipien des Erdgipfels, an denen die Industriestaaten rütteln wollten, zu retten. Bekräftigt wurde, dass das Prinzip der gemeinsamen, aber differenzierten Verantwortung Richtschnur globalen Handelns bleibt, dass Menschenrechten im staatlichen Handeln eine zentrale Rolle zukommen und dass es verschiedene Zugänge zur Umsetzung einer grüneren Ökonomie gibt, die auf unterschiedliche Ausgangslagen eines jeden Staates Rücksicht zu nehmen haben. Es ist somit den Industriestaaten nicht gelungen, auch die gemeinsame und für alle Menschen zentrale Ressource „Natur“ marktfähig zu machen und ihr einen „Preis“ zu geben. Dies ist aus der Sicht Benachteiligter wohl zu begrüssen, denn wenn alles vorhandene Wasser, sämtliche Regenwälder und alle Anbauflächen für agroökologische Kleinbauernproduktion der Spekulation geöffnet worden wären, würden wohl noch mehr Arme von ihrem angestammten Land vertrieben und würden Regenwälder, in denen Indigene ihre Lebensgrundlagen finden primär die Kassen der Aktionäre des Privatsektors füllen, statt die Bedürfnisse der Allgemeinheit, die ja auf diese Sauerstofflungen in Lateinamerika und Afrika angewiesen ist, zu befriedigen.
Völkergipfel: "Weiter bis anhin" ist nicht mehr möglich
Bedauerlich aber bleibt, dass trotz Hunderter spannender und teilweise durchaus lösungsorientierter Workshops und Diskussionsrunden, die nicht nur im Rahmen der Konferenz, sondern auch am zeitgleich stattfinden, von der Zivilgesellschaft organisierten "Völkergipfel" durchgeführt wurden, herzlich wenig innovatives Gedankengut in den Konferenzbeschluss Eingang gefunden hat. Beinahe alle Teilnehmenden der verschiedenen Veranstaltungen waren sich an sich darin einig, dass ein "Weiter wie bis anhin" nicht mehr möglich ist und dass jede globale Entwicklung – auch im Interesse künftiger Generationen -nachhaltig sein muss und daher ökologische, ökonomische und soziale Aspekte zu berücksichtigen hat. Uneinigkeit aber herrscht darüber, wie diese Aspekte zu gewichten sind und welche Massnahmen konkret ergriffen werden müssen, um das Leben auf unserem Planeten nachhaltig und gerecht zu gestalten.
Kritik an schweizer Rohstoffgiganten
Es wurde hier in Rio nicht nur abstrakt über "neue Paradigmen der Entwicklung" diskutiert, sondern es lagen auch handfeste Vorschläge für erste konkrete Schritte auf dem Tisch, die hätten beschlossen werden können. Frankreich’s neuer Präsident Hollande wies beispielsweise zu Recht darauf hin, dass eine wie auch immer definierte nachhaltige Entwicklung auch finanziert werden muss und forderte, dass eine Steuer auf Finanztransaktionen eingeführt werde, deren Erträge auch und gerade zur Bekämpfung der weltweiten Armut und zur Milderung schädlicher Auswirkungen des Klimawandels einzuführen sei. Vertreter des afrikanischen Episkopats forderten eine griffige Regulierung transnationaler Konzerne um deren teilweise  menschenverachtende Rohstoffausbeutung zu verhindern. Es ginge doch nicht an, dass Töchter auch schweizerischer Unternehmen Afrika’s Ressourcen ausbeuten würden, es dabei zu Menschenrechtsverletzungen komme und diese Konzerne die afrikanischen Staaten dank diverser Steuervermeidungstricks auch noch um den "Ertrag" ihrer Rohstoffe bringen.
Immerhin hat die Konferenz beschlossen, ein Expertengremium einzusetzen, das Finanzierungsfragen nachhaltiger Entwicklung prüfen soll. Es steht allerdings zu befürchten, dass dieses Gremium eine Studie mehr erarbeitet, deren Resultate eigentlich schon bekannt sind, es aber am politischen Willen fehlt, die Erkenntnisse auch in die Tat umzusetzen.
Einigung auf politischen Prozess zur Bestimmung nachhaltiger Entwicklungsziele
Ebenfalls verpasst hat es die Konferenz, die globale Nachhaltigkeitsgouvernanz innerhalb des UNO-Systems zu verbessern. Vorschläge zu einem analog zum UNO Menschenrechtsrat in Genf konstituierten "Rat für nachhaltige Entwicklung", der auch gewisse Sanktionsmöglichkeiten besessen hätte, wurden vorderhand auf Eis gelegt. Immerhin einigte sich die Staatengemeinschaft darauf, in den kommenden Jahren Ziele nachhaltiger Entwicklung zu finanzieren und diese nicht bloss technokratisch durch ein Expertengremium erstellen zu lassen, sondern in einem politischen Prozess zu verhandeln und zu versuchen, sie mit den Millenniumsentwicklungszielen, die ja  – was gemeinhin als illusorisch gilt – bis ins Jahr 2015 erreicht werden sollten, zu verknüpfen.
Es gilt in den kommenden Jahren, diesen für uns alle bedeutenden Prozess genau zu beobachten und sich dafür einzusetzen, dass den Rechten aller Menschen, besonders aber den Rechten auf Nahrung, Wasser und Entwicklung der Ärmsten auf dieser Welt zum Durchbruch verholfen wird.