Roberto Bolaño: Amuleto. Roman
(Amuleto, 1999. Aus dem Spanischen von Heinrich von Berenberg)
Verlag Antje Kunstmann, München 2002
169 S., EUR 16.90, SFr. 29.30
ISBN 3-88897-307-4
Auxilio Lacouture erzählt, wie sie sich am 18. September 1968 auf der Damentoilette im vierten Stock der Universität von Mexico City versteckt, während Soldaten das Gelände stürmen und 700 Studierende und Lehrende gefangen nehmen, um kurz vor den Olympischen Spielen die Studentenbewegung niederzuschlagen. Da sitzt sie also ohne Nahrung 14 Tage auf der Kloschüssel und entgeht so der Verhaftung und dem Tod. Während dieser Zeit liest sie in einem Lyrikband und lässt ihre Gedanken in die Vergangenheit und in die Zukunft schweifen. Sie pendelt zwischen Realität und Halluzination hin und her. Selber ist sie ohne festen Wohnsitz und übernimmt bei verschiedenen Dichtern sowie in der Fakultät für Literatur und Philosophie Gelegenheitsarbeiten. Sie liest alles, was ihr unter die Finger kommt, sie nimmt an Dichtertreffen teil und viele junge lateinamerikanische Dichter scharen sich um sie. So erhält sie den Beinamen „Mutter der mexikanischen Poesie“.
Wie in vielen seiner Werke geht es Roberto Bolaño in seinem kurzen, skurrilen Roman um das Überleben der lateinamerikanischen Literatur in Zeiten der Unterdrückung und Diktatur. Das vorliegende Buch endet mit einem Traum, in dem junge Menschen, Lateinamerikas Kinder, auf einen Abgrund zuwandern und singend in den Tod stürzen. Übrig bleibt das Lied. „Dieses Lied, es ist das Zeichen unserer Erinnerung, unser Amulett.“
Auch von Roberto Bolaño bleibt uns heute lediglich das Lied der Erinnerung in seinen Büchern: Der 50-jährige chilenische Autor starb am 14. Juli 2003 im spanischen Exil, während er auf eine Lebertransplantation wartete.
Michael Schwarz
Weitere Literaturtipps finden Sie bei Literatur glObal