«Rohstoffe aus den Alpen sind einfach besser»
Herr Hunkeler, die Firma Soglio gibt es jetzt seit 30 Jahren. Wie wurden Sie zum Hersteller von Kosmetikprodukten?
Meine Frau und ich kamen 1975 nach Soglio. Sie war Sekretärin, ich war Laborant im Institut für Immunologie bei Hoffmann La Roche. Die Grundlagenforschung war interessant, aber wir wollten etwas "näher am Leben" sein – und hegten den Traum von einem einfachen Leben in den Bergen. So sind wir im Bergell, in Soglio gelandet. Angefangen hatte alles mit ein paar Milchschafen. Aber wir haben schnell gesehen, dass wir nicht einfach Schafskäse produzieren können, wir brauchten Spezialitäten. So haben wir angefangen, auch Ziegen zu halten und aus ihrem Milch-Fett eine Rheumasalbe herzustellen, ein traditionelles Produkt. Dieses hat 25 Jahre lang überlebt, bis die Auflagen für medizinische Produkte für uns zu gross wurden. Wir haben heute eine ansehnliche Palette von Hautpflegespezialitäten, die Rohstoffe aus unseren Bergen enthalten: Ziegenbutteröl, Schafsmolke und viele Kräuter. Zu einer Gesamtrezeptur gehören freilich auch weitere Inhaltsstoffe, die alle eine dermatologische Qualität aufweisen müssen.
Sie kamen aus der Mikrobiologie –Cremes und Shampoos waren also Neuland für Sie. Wie haben Sie gelernt, Kosmetik herzustellen?
Vorwiegend autodidaktisch. Wir haben uns Fachliteratur besorgt und experimentiert – dabei gab’s natürlich viele Fehlschläge. Aber es gibt auch unterschiedlich komplizierte Produkte. Reine Ölprodukte beispielsweise sind einfacher herzustellen als Emulsionen. In den Achtzigerjahren lernten wir Martin Ermatinger kennen. Martin ist Betriebsökonom, wir taten uns zusammen und gründeten eine Kollektivgesellschaft. Heute sind wir eine Aktiengesellschaft.
Wie reagierte die lokale Bevölkerung, als die Leute aus der Stadt plötzlich Cremes verkauften?
Sehr gut. Als wir anfingen, Ziegenmilch von den Landwirten zu kaufen, haben einige Frauen sogar auf Ziegen umgestellt. Ich muss dazu sagen, dass ich die ersten fünf Jahre halbtags im Kreisspital Bergell arbeitete. Mit einem weissen Kittel ist man jemand, die Leute kannten mich. Und so war alles etwas einfacher…
Basieren alle Soglio-Produkte auf lokalen Zutaten?
Die Kräuter stammen zur Hälfte aus Wildwuchs, zur anderen Hälfte werden sie angebaut. Dabei gehen wir zwar von dem aus, was vor Ort zur Verfügung steht, nutzen aber auch andere Bezugsquellen. Die Schafmolke bekommen wir beispielsweise aus der Gegend von Davos. Die Ziegenbutter liefert ein Betrieb aus dem Valsertal. Die Kräuter stammen vorwiegend aus der Region. Der Rest stammt aus anderen Biobetrieben im Berggebiet. Denn Rohstoffe aus den Alpen sind besser als solche aus dem Unterland. Das ist sogar wissenschaftlich nachweisbar. Milch aus dem Berggebiet hat eine vollständigere Zusammensetzung.
Wie wichtig ist die Landschaft für die Soglio-Produkte?
Die Berge haben eine grosse Bedeutung, auch als Sinnbild menschlichen Seelenlebens. Ausserdem können die Menschen gesünder sein als jene im Tal. Hier gibt es 90-Jährige, die noch arbeiten. Mir liegt ausserdem viel daran, zu zeigen, dass die Vielfalt – die Grundlage unserer Produkte – kulturbedingt ist. Erst durch die Nutzung der Landschaft als Kulturlandschaft entsteht der ökologische Gewinn, von dem auch wir profitieren.
Entgegen aller Trends kommt die Soglio-Sonnencreme mit Lichtschutzfaktor 7 aus – wie geht das?
Wir haben die Wirksamkeit der Sonnencreme selbst getestet, derzeit ist eine weitere Prüfung im Gang. Zum einen ist "Solar 7" eine Wasser-in-Öl-Emulsion. Das ergibt auf der Haut eine dicke schützende Schicht. Kastanienblätterextrakt wirkt zudem astringierend, zieht also die Haut zusammen. Nussschalen haben ähnliche und auch leicht färbende Wirkung. Wir bekommen immer wieder überraschte Reaktionen von Leuten, die sonst auf hohe Lichtschutzfaktoren gesetzt haben. Wir empfehlen, die Creme vorher einzustreichen und das Cremen alle paar Stunden zu wiederholen. Entscheidend ist allerdings nicht nur der Faktor, sondern auch der Umgang mit der Sonne.
Obwohl sie naturnah produziert werden, sind Soglio-Produkte keine Naturkosmetik. Warum nicht?
Viele Menschen setzen heute auf Bio. Mit der Folge, dass ihr Bio-Fisch aus Vietnam importiert wurde. Und die Hühner picken Soja aus China. Das stimmt für mich nicht. Im gleichen Zug findet eine Polarisierung statt, Natur wird gegen Chemie ausgespielt. Das ist eine Form von Marketing, bei der wir nicht mitmachen wollen. Auch eine Olivenseife ist ein chemisches Produkt, das mit Natronlauge hergestellt wird. Uns ist wichtig, dass das Produkt stimmt – und das wird nicht automatisch besser, wenn man auf die synthetische Konservierung verzichtet.
Was ist die Alternative?
Wir verwenden für die minimale chemische Konservierung bei einigen Produkten Parabene, ein Ester der Hydroxybenzoesäure. Da reagieren manche Leute skeptisch, obwohl die Parabene nur sehr gering dosiert werden. Käfer produzieren übrigens den gleichen Wirkstoff. In der Naturkosmetik konserviert man dagegen vor allem mit Alkohol, was allerdings die Haut reizen und austrocknen kann. Auch wir verwenden Alkohol, etwa für unser Eau de Soglio oder das Aqua Alpina. Bei wasserfreien Produkten kann man auf Konservierungsmittel sogar ganz verzichten. Aber es gibt Rezepturen, bei denen das nicht funktionieren würde, zum Beispiel bei unseren Wasser-in-Öl-Emulsionen. Heikle Rohstoffe wie etwa Schafmolke müssen schonend konserviert werden. In Anbetracht dieser Anforderungen nehmen wir die Richtlinien für Naturkosmetik zwar zum Massstab, weichen aber zugunsten der Qualität unserer Produkte davon ab.
"Natürlichkeit" scheint ein zweischneidiges Schwert für Sie zu sein.
Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Enten produzieren in ihren Bürzeldrüsen Fett, mit denen sie sich das Gefieder einstreichen. Das Wasser perlt ab, gleichzeitig kann Wasser von der Haut verdunsten. Wenn der Mensch dieses Fett synthetisch nachbauen kann, ist doch das eine gute Sache, nicht wahr? Es wäre dagegen kaum sinnvoll, Enten für dieses Fett zu halten und ihnen täglich die Bürzeldrüse auszudrücken. Wir sind heute umgeben von nicht natürlichen Dingen – aber Kosmetik sollte möglichst natürlich sein. Das zeigt sich auch in den EU-Verordnungen. Früher zog man gegen Naturprodukte zu Feld, heute wird jeder Inhaltsstoff dokumentiert.
Wie gehen Sie vor, wenn Sie neue Produkte entwickeln?
Ich orientiere mich an dem, was da ist und was wir mit den vorhandenen Zutaten machen können. Wir modifizieren gegebene Rahmenrezepturen und schauen, dass wir uns mit anderen Bergproduzenten vernetzen. Von „Alpaflor“ beispielsweise beziehen wir verschiedene Extrakte. Von "Gran Alpin" Gerste. Wichtig ist, dass die Produkte nach ökologischen Gesichtspunkten konzipiert und hergestellt werden.
www.soglio-produkte.ch