Roland Merk (Hrgs.): Arabesken der Revolution
Basel, 11.02.2013, akte/ Am 11. Februar jährt sich der Sturz des früheren Machthabers Muhammad Husni Mubarak. An den Tag, als Vizepräsident Omar Suleiman über das Fernsehen mit knappen Worten Mubaraks Rücktritt bekanntgab, erinnert sich die Bloggerin Howaida Saleh in ihrem Tagebuch zur Revolution: "Der Tahrir-Platz tanzt quasi… alles tanzt. Die Hochhäuser, die unser Leid, unseren Schmerz, unsere Trauer und unseren Kummer miterlebt haben, tanzen ebenfalls mit. … Alle sind in einem Freudenrausch und tanzen und tanzen pausenlos. … Oh wie schön ist es, in Freiheit zu tanzen und zu singen!" Howaida empfindet den Aufstand der Ägypterinnen und Ägypter als Epos, "das in seiner Herrlichkeit und Beispiellosigkeit die grössten Epen der Menschheitsgeschichte übertrifft". Howaida ist eine von elf SchriftstellerInnen, die das eigene Miterleben der Revolutionen in Tunesien, Ägypten und Algerien in literarische Form gebracht haben. Als Tagebuch, Reportage, Gedicht, Essay oder Erzählung.
Es sind Autorinnen und Autoren, mit denen Herausgeber Roland Merk seit Jahren Kontakt pflegt. Im Austausch mit ihnen entstand die Idee zum Buch. Es sollte eine Art literarischer Spiegel, ein "west-östlicher Divan" werden. Arabesken sind diese wunderbaren stilisierten Pflanzenranken, die oft mit arabischen Schriftzeichen verbunden sind – die also tief empfundene Inhalte kunstvoll darstellen. Die "Arabesken der Revolution" lassen den Leser, die Leserin den "Arabischen Frühling" mit seinem besonderen Gefühlsgemisch aus Zorn, Empörung, Euphorie, Zivilcourage und Bürger- und Gemeinschaftssinn aus einer Nahperspektive miterleben.
Zwei Jahre nach dem Sturz von Husni Mubarak hat sich Ernüchterung breit gemacht. Die Gesellschaft splittert sich auf in IslamistInnen, Liberale, Linke, ChristInnen, Leute vom Norden oder vom Süden, städtische ArbeiterInnen und Intellektuelle oder Bauern und BeduinInnen. Die erhofften Investitionen in den Aufbau des Landes sind ebenso ausgeblieben wie die TouristInnen, die unter dem früheren Diktator ihre Ferien gerne in Ägypten verbrachten. Die Währung zerfällt, die Armut wächst. Die Menschen protestieren, Proteste entladen sich in Gewalt. Da tut es gut, die berührenden Beiträge der ZeitzeugInnen der Revolution vor zwei Jahren zu lesen, die den Politikern für einmal das Heft aus der Hand genommen hatten. Es stärkt die Hoffnung, dass sie nicht aufgeben werden, für ihre Visionen zu kämpfen.
Der dritte Teil des Buches ist der eigentliche "west-östliche Divan". Hier wird die Haltung des Westens gegenüber dem Nahen Osten und Nordafrika mit deutlichen Worten quittiert, zum Beispiel von Merk: "Die Aussenpolitik des Westens ist im Wesentlichen eine Innenpolitik, für die Bürger des Westens, deren steuernde Lingua franca derzeit die Angst vor dem Fremden, die Xenophobie, ist."
Roland Merk: Arabesken der Revolution. Zornige Tage in Tunis, Kairo…, edition 8, Zürich 2011, 176 Seiten, CHF 28.00, EUR 20.00, ISBN 978-3-85990-167-4