Von stillen Heldinnen und Helden in Südafrika

Basel, 11.10.2014, akte/ Zwanzig Jahre ist es her, dass in Südafrika mit den ersten Wahlen unter der Beteiligung der ganzen Bevölkerung ein friedlicher Übergang zu einer demokratischen Regierung geschafft und einen Bürgerkrieg verhindert wurde. Damals wurden Nelson Mandela und seine Mitstreiter gefeiert und einige von ihnen mit hohen Beamten- oder Regierungsposten belohnt. Doch für die Freiheit kämpften viele, deren Namen nie in der Öffentlichkeit auftauchten. Für sie hat Rommel Roberts, der in der Schweizer Anti-Apartheid-Bewegung ein guter Bekannter ist, zum Jubiläumsjahr ein Mahnmal geschaffen.
Anhand seiner eigenen Lebensgeschichte erzählt er über Begegnungen, die ihn und seinen Kampf für die Befreiung von der Apartheid geprägt haben. Roberts wurde 1949 in Durban geboren und wuchs in Mafikeng auf. Als Sohn eines weissen Vaters und einer als "indisch" oder "asiatisch" klassifizierten Mutter erlebte er am eigenen Leib, wie die Systematisierung der Rassentrennung über die Apartheidgesetze mit einem "Zerfall des normalen Lebens" einherging. Von seinen weissen ehemaligen Spielkameraden wurde er plötzlich beschimpft, geohrfeigt und getreten – und wehrte sich nach Kräften mit seiner selbst gebastelten Steinschleuder. Zwei starke Frauen prägen ihn in dieser Zeit: Es ist die Leiterin der Grundschule und seine Mutter, eine der wenigen schwarzen Pflegerinnen mit guten medizinischen Kenntnissen. Die beiden tief gläubigen Frauen nahmen jede Mühe auf sich, um Bedürftigen, aber auch misshandelten Frauen, vernachlässigten Kindern oder betrunkenen Männern beizustehen. Wenn Nurse Roberts empört war und Tacheles redete, brachte ihre Autorität selbst bullige weisse Sergeants dazu, ihren Anstand wiederzufinden.
Nach dem Studium der Theologie nahm sich Roberts 1974 ein Jahr Auszeit für Gemeindearbeit. Er lernte Amelia von den Cape Flats kennen, die ihm half, mit den Menschen, denen er helfen wollte, auf Tuchfühlung zu gehen, und mit der er sich erfolgreich für die Befriedung von Kew Town von den Bandenkriegen einsetzte. 1978 wurde Roberts Mitarbeiter des Südafrikanischen Kirchenrats und war in der Gemeindearbeit in verschiedenen Townships tätig, oft an der Seite von Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu, der für das Buch eine Widmung und ein Vorwort schrieb. Zu Roberts Arbeit gehörte auch, Kirchenleute, internationale Aktivistinnen, Politiker aus dem Ausland und Geldgeberinnen im Land herumzuführen und ihnen Situation und Perspektiven zu erläutern. Stellvertretend für die weissen Frauen der Bürgerrechtsorganisation gegen Apartheid, Black Sash, lernen wir Adrienne Whisson kennen, deren kleine Tochter bei einer Razzia der Sicherheitspolizei fast verraten hätte, wo Roberts seine heiklen Papiere versteckt hatte. Roberts beschreibt, wie er von der Sicherheitspolizei verhaftet wird, sich durch seine Todesängste arbeitet, sein Schicksal Gott anvertraut – und damit den Grundstein legt für den gewaltfreien Widerstand, den er später organisieren wird.
Dabei gründete er unter anderem eine Menschenrechtsgruppe, die sich um die informellen Siedlungen bei Kapstadt kümmerte. Unzählige Menschen aus allen Gebieten Südafrikas strömten auf der Suche nach Arbeit in die Städte und lebten dort unter ärmlichsten Bedingungen in provisorischen Hütten. Sie wurden immer wieder vertrieben und die Siedlungen vom Staat zerstört. Es gehörte zur Ideologie der Apartheid, dass die Schwarzen keine Bürger Südafrikas seien, sondern in "Homelands" leben sollten, wo sie jedoch keine Perspektive hatten. Der Aufenthalt in den Städten war zeitlich begrenzt und aufgrund der Passgesetze mussten ständig Ausweispapiere vorgezeigt werden oder man wurde abgeschoben oder landete im Gefängnis. Anna ist eine der unbekannten Heldinnen, denen Roberts ein Denkmal setzt, weil sie ihre Scheu überwand und einen erfolgreichen Protest gegen die Zerstörung der informellen Siedlungen anführte. Ein weiterer Held ist Francis Green, ein arrivierter Weisser, der sein Geld und Grundstück und seine Fähigkeiten der Stärkung des Widerstands widmet. Oder Aunt Sue, die Hausangestellte, die so viel über unterdrückte Menschen wusste, weil sie sich im Rentenalter um die ganze Gemeinde kümmerte.
Immer wieder beleuchtet Roberts über die Erzählungen, wie die Mechanismen der Unterdrückung funktionierten: Die systematische Zerstörung der Gesellschaftsstrukturen der Nichtweissen, das Verbreiten von Angst und Schrecken. Rommel Roberts war Gründer des allerersten Friedenszentrums in Südafrika – in einer Zeit, als alle ihn deshalb für verrückt hielten. Sein Engagement dauert bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Buches an. Roberts lebt heute mit seiner Frau im Dorf Hanover auf einer kleinen Farm, die als Zentrum für Friedensförderung und Bildung funktioniert. Mit diesem Buch gibt er weiter, was ihn das Leben gelehrt hat: Wie Menschen Mut finden und es schaffen, scheinbar hoffnungslos verfahrene, bedrohliche Situationen kreativ und mitmenschlich aufzulösen. Das sind Botschaften, die heute so aktuell sind wie damals.
Rommel Roberts. Wir für die Freiheit kämpften. Von stillen Heldinnen und Helden in Südafrika. Mit einem Geleitwort von Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu. Lokwort, Bern 2014, 224 Seiten,
CHF 27.–, EUR 19,90, ISBN 978-3-906786-52-0