Rummel-Krater Ngorongoro
Als Weltnaturgut lockt das nordtansanische Naturwunder nun seit exakt dreissig Jahren. Doch unterdessen sind der Ngorongoro-Krater und seine bezaubernde Umgebung kaum mehr wieder zu erkennen und zu einem Rummelplatz verkommen: Der für Tansania noch junge Massentourismus ,Stossverkehr, zahlreiche neue Hotels mit ihren Begleiteffekten wie Abfälle, Wasserverschmutzung, Abgase und Lärm sowie eine stetig zunehmende Zahl von Massai-Zuzügern, die neue Felder anlegen, bedrohen die Tier- und Pflanzenwelt. Und von Ruhe ist nur noch wenig zu spüren. Dem allen wollen die UNESCO und ihre Experten gemäss einem neuen Bericht zunächst mit einer Drohung den Riegel schieben. Man will, dass das Laisser-Faire gestoppt wird. Das heisst zum Beispiel: Stopp mit dem Bau neuer Lodges am Kraterrand, Stopp mit den Wagenschlangen, die in der Hochsaison mit bis zu 300 Fahrzeugen die Vegetation des 250 Quadratkilometer grossen Kraters zerstören. Stopp auch mit dem Schlendrian der Ngorongoro-Verwaltung (NCAA), die den massiv zunehmenden Tourismus nicht entschlossen in erträgliche Bahnen lenkt. Und Stopp mit dem Zuzug neuer Massai-Clans, die iher Rinderherden mitbringen und Felder anlegen.
Solchermassen wachgerüttelt versprach die NCAA rasche Besserung. Vor Ezekiel Maige, dem stellvertretenden Minister für Tourismus und natürliche Ressourcen, und vor extra herbeigeeilten Parlamentariern erklärte Mitte Mai der NCAA-Direktor Bernard Murunya, die NCAA sei bereits am Umsetzen verschiedener Entlastungsmassnahmen. Beim Tourismus werde wieder mehr auf Qualität statt auf Quantität gesetzt und am bereits ziemlich verbauten Kraterrand würden keine neuen Hotels mehr bewilligt. Überdies würden die in den letzten Jahren neu zugezogenen Massai-Familien zum Verlassen des Gebietes aufgefordert – mit dem Ziel, die Bevölkerung in der immerhin fast 8300 Quadratkilometer grossen, jedoch ökologisch verletzlichen „Ngorongoro Conservation Area“ (NCA) auszudünnen. Zu diesem an die Serengeti grenzenden Gebiet gehören neben dem Krater die legendäre Olduvai-Schlucht, die archäologischen Stätten von Laetoli, weite Steppen und dichte Bergwälder, Wasserfälle wie auch verschiedene weitere Krater mit Seen.
Mit einer Dichte von rund 65 000 Menschen und ihren 14’000 Rindern, 193000 Schafen oder Zi9egen sei die Schutzzone schlicht übervölkert, hatten die UNESCO-Experten gerügt. Keine Nutztierherde dürfe mehr zum Grasen in den Ngorongoro-Krater hinunter schwor sich nun NCAA-Chef Murunya. Neu ist dieser Plan aber keineswegs, stellt Monica Borner fest. Die wissenschaftliche Beirätin des FSS zu HABARI: „Das ist bereits seit Jahren verboten. Die Tiere dürfen nur zum Salzlecken hinunter und weder verweilen noch grasen. Das Problem ist hier vor allem, dass die Massai von der Verwaltung nicht in die Diskussionen einbezogen werden. so wurde beispielsweise ohne Absprache mit den Massai schon mal Salzlecken ausserhalb des Kraters angeboten – aber an Stellen, die den Massai nicht passten.“
Wie nun die seit Jahrhunderten in der Gegend herumziehenden Rindernomaden den Rauswurf ohne Ersatzgebiet aufnehmen werden, ist klar: Unwirsch, wenn nicht sogar mit Verweigerung. Ein Dilemma, das sich weltweit vergrössert und zunehmend die Schutzgebiete und Wildtiere bedroht: Die wachsende Menschheit braucht mehr Land, mehr Wasser und mehr Nahrung. Vor der Gefahr der Übervölkerung hatten Mitte des letzten Jahrhunderts schon Bernhard Grzimek und andere bedeutende Umweltschützer gewarnt.
Der Massai Matengoe Ole Tawo erinnert sich noch an jene alten Zeiten, in denen sich im Krater noch sehr viel Wild aufhielt. Als jedoch die modernen Schutzinitiativen zu greifen begannen, sei der Wildbestand überraschenderweise zurückgegangen, erzählte Ole Tawo dem Journalisten Adam Ihucha: „Wir wurden Zeugen des Verschwindens unserer Wildtiere bis zu einem alarmierenden Grad- ein schlechtes Zeichen für uns.“ Es sei wohl an der Zeit, so der alte Massai, das traditionelle wissen seines indigenen Volkes in die Schutzbemühungen einfliessen zu lassen.
Dieser Beitrag erschien in HABARI 3/09, Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung. Bilder: Wikimedia Commons, www.abrojaleyafrica.com; w0sd.com/africa3/<wbr></wbr>africa1.htm