Am Weltwirtschaftsforum in Davos unterzeichneten die Schweiz und Burma eine Vereinbarung zum Ausbau der gegenseitigen wirtschaftlichen Beziehungen. Nächsten November reist die Chefin des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco), Marie-Gabrielle Ineichen, nach Myanmar. Es sind dies weitere Mosaiksteine in der Charme-Offensive der Schweiz gegenüber dem Land, das seit zwei Jahren einen beachtlichen politischen und wirtschaftlichen Reformprozess durchmacht.
Im Windschatten der EU hatte die Schweiz im Mai 2012 die 2000 verhängten Sanktionen gegen Myanmar aufgehoben (ausser für militärische Güter). Im Juni beehrte Oppositionschefin Aung San Suu Kyi unser Land als erste Station ihrer Europa-Reise. Im November eröffnete Aussenminister Burkhalter in Rangun (Yangon) eine "integrierte" Schweizer -Botschaft – ein Pilotprojekt, bei dem die Diplomatie, die Entwicklungszusammenarbeit (Deza), die Friedens- und Menschenrechtspolitik und die Wirtschaftsförderung (Seco) koordiniert werden sollen.
Im Aussendepartement in Bern spricht man von einer "Wette auf die Zukunft von Burma". Dabei werden zwei Ziele verfolgt: Einerseits will man den Übergang zu mehr Demokratie, Frieden und wirtschaftlicher Integration unterstützen und hat dazu die jährlichen Beiträge der Entwicklungszusammenarbeit im Zeitraum 2013 bis 2015 von 6 auf 25 Millionen Franken vervierfacht. Anderseits will man vom wirtschaftlichen Potenzial Burmas profitieren, das Aussenminister Burkhalter als "enorm" bezeichnet. Im letzten August prophezeite die Asiatische Entwicklungsbank für die nächsten zehn Jahre ein jährliches Wachstum von 8 Prozent.

Ein Land mit  vielen Trümpfen

Allerdings sind die Investitionsbedingungen alles andere als optimal. Die politische Stabilität ist wackelig, die Rechtssicherheit bei praktisch null. Doch Myanmar mit seinen 60 Millionen EinwohnerInnen hat viele Trümpfe zu bieten. Üppige Rohstoffvorkommen (Gas, Öl, Edelsteine u.a.), junge und billige Arbeitskräfte, eine strategische Position zwischen Schlüssel-Märkten (China, Indien, Südostasien). Nach fünfzig Jahren ruinöser Militärherrschaft und ethnischen Konflikten hat das Land in vielen Bereichen einen gigantischen Nachholbedarf: bei Infrastrukturbauten, beim Aufbau eines Bankenwesens, bei der Entwicklung des Tourismus und vielem mehr.
Entsprechend gross ist das Interesse (auch) von Schweizer Unternehmen. Jede Woche gehen bei der Schweizer Botschaft ein Dutzend Firmen-Anfragen ein, gibt es zwei bis drei Besuche von interessierten Geschäftsleuten. Barbara Möckli-Schneider von der Handelskammer Schweiz-Asien sagt: "Man muss jetzt nach Burma gehen. Wer wartet, kommt zu spät" (Handels-Zeitung vom 8.10.2012)

Anarchischen "Goldrush" verhindern

Wie kann man verhindern, dass der Run auf Burma zum anarchischen Goldrush wird, bei dem international tätige Konzerne und Kaziken des Regimes fette Profite einstreichen, auf Kosten der Bevölkerung und der Umwelt. Die Gefahr ist in einem Land, das Transparency International als Fünfkorruptestes einstuft, enorm, die Vorkehren dagegen ungenügend. Laut dem Transnational Institute öffnen kürzlich beschlossene Gesetze dem Land Grabbing Tür und Tor, ermöglichen Pachten von siebzig Jahren und befreien ausländische Investoren während fünf Jahren von Steuern. Der Schweizer Botschafter in Rangun, Christoph Burgener, sagte in "Le Matin" vom 17. Februar 2013: "Wenn man massiv und allein mit der Idee des schnellen Profits investiert, kann man immensen Schaden anrichten. Wir möchten dafür sorgen, dass es mit Respekt vor der Gesellschaft und der Umwelt geschieht."
Ein respektvolles Vorgehen setzt die Kooperation aller Beteiligten voraus. Das hielt kürzlich auch ein von Swisspeace organisierter Roundtable fest. In Myanmar rufen Präsident Thein Stein, Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi, Unternehmensvertreter und zivilgesellschaftliche Organisationen zu ethisch korrekten Investitionen auf. Auch der Global Compact der Uno ist aktiv geworden, und die Regierung bereitet den Beitritt zur Initiative über Transparenz im Bergbausektor (EITI) vor. Viele, so etwa die Internationale Liga für Menschenrechte, zweifeln aber daran, dass die Regierung in den nächsten Jahren über genügend institutionelle Kapazitäten verfügt, um die Investitionen tatsächlich zum Wohle der Bevölkerung zu lenken.

Sorgfaltspflicht für Investoren

Ausländische Unternehmen spielen deshalb bei der Gestaltung der Zukunft eine wichtige Rolle. Salil Tripathi, Direktionsmitglied des Institute for Human Rights and Business in London, sagt: "Die Herausforderung besteht darin, dafür zu sorgen, dass die Investitionen nicht bloss Profit abwerfen, sondern auch den international vereinbarten Standards genügen." Insbesondere müssen sie den Uno-Leitprinzipien zu Wirtschaft und Menschenrechten entsprechen, wie das auch die EU bei der Aufhebung ihrer Sanktionen forderte.
Konkret bedeutet das, den Investoren eine Sorgfaltspflicht zu auferlegen, direkte und indirekte schädliche Wirkungen ihrer Geschäftsaktivitäten zu vermeiden. Sie sollen die betroffene Bevölkerung konsultieren, ihr Recht auf Land anerkennen, anständige Arbeitsbedingungen garantieren, die Gewerkschaftsrechte respektieren und das Verhalten ihrer Geschäftspartner überprüfen müssen. Um Unternehmen dabei zu helfen, arbeitet derzeit das Institute for Human Rights and Business zusammen mit dem dänischen Institut für Menschenrechte und dem British Council an spezielle auf Myanmar zugeschnittenen Tools.
Aber nicht alle Investoren werden von sich aus solchen Vorgaben folgen. Hier kommt die Verantwortung der Herkunftsländer zum Tragen. Sie müssen klar formulieren, was sie von ihren Investoren erwarten. Die USA haben dies erkannt und arbeiten an Trasparenzrichtlinien für Firmen, die in Myanmar investieren wollen. Gleiches fordert eine Motion, die Mitte Februar David Martin, der Sprecher des Ausschusses für internationalen Handel, im Europäischen Parlament einreichte.
Die Schweiz sollte sich daran ein Beispiel nehmen. FDP-Nationalrätin Doris Fiala, die im Februar an einer Swissaid-Informationsreise nach Myanmar teilnahm, sagte nach der Rückkehr: "Es ist von grosser Bedeutung, dass die Schweizer Politik realisiert, dass investitionswillige Schweizer Unternehmen Menschenrechte in Myanmar zwingend respektieren müssen."


Richtlinien für US-Konzerne

Die USA haben einen Entwurf mit Transparenzrichtlinien für Firmen und Personen erarbeitet, die in Burma mehr als 500’000 US-Dollar investieren (Reporting Requirements on Responsible Investment in Burma). Darin werden zwei Berichte verlangt. Einerseits ein öffentlicher, der über folgende Bereiche informiert: allgemeine Geschäftsaktivitäten (inkl. Filialen), Massnahmen zur Respektierung der Menschenrechte, der Umwelt und zur Bekämpfung der Korruption, Verträge mit Sicherheitsfirmen, Ankauf und Verwendung von Ländereien, Zahlungen an Regierungsstellen. Der zweite Bericht soll an die Regierung gehen und Angaben enthalten zu Kontakten mit bewaffneten Gruppen und die Resultate der Sorgfaltsbemühungen.
Zivilgesellschaftliche Gruppen haben die Verordnung begrüsst, fordern aber Verbesserungen. Sie kritisieren insbesondere, dass nur das Reporting über, nicht aber die menschenrechtliche Sorgfaltspflicht selber für verbindlich erklärt wird. Der Verordnungsentwurf soll im April verabschiedet werden.