Basel, 27.11.2008, akte/ Es komme selten vor, dass zwischen Menschen unterschiedlicher Kulturen Freundschaften entstünden, seltener noch, wenn die Personen dem einfachen „Volk“ und nicht der gebildeten, kosmopolitisch ausgerichteten Oberschicht zugehörten, schreibt kein geringerer als Nahostkenner Arnold Hottinger im Vorwort zu Halima. Die fehlende kosmopolitische Ausrichtung trifft zumindest auf Ruth Vischherr nicht zu: Die diplomierte Supervisorin  ist Fachfrau in transkultureller Kompetenz, spricht und schreibt überdies Arabisch und hat nach eigenen Angaben „Themen der Islamwissenschaften“ studiert. Vor elf Jahren hatte sie nach einer touristischen Reise durch Jordanien den Wunsch, abseits vom Tourismus die Kultur der Beduinen und damit einen kleinen Zipfel der arabisch-islamischen Welt kennen zu lernen. Über ein Frauenhilfswerk, das Teppichwebereiprojekt des Stammes der Bani Hamida, erkundigte sie sich nach einer möglichen Unterkunft. Sie wurde von Halima, der Leiterin des Projekts, und ihrer Familie freundschaftlich aufgenommen und in die Frauenwelt und die Kultur der Bani Hamida eingeführt. Die Berge der Bani Hamida liegen in der Madaba Provinz etwa 80 km von der jordanischen Hauptstadt Amman entfernt. Es ist eine abgelegene und verarmte Gegend des Königreichs mit einer hohen Analphabetenrate und viel Migration. Es fehlt an allem: Die Strassenverbindungen sind schlecht, die Busse fahren spärlich. Abwasser wird mit Mietlastern oder in Sickerleitungen abgeführt,  Wasserausfälle sind häufig. Die Gesundheitsversorgung ist auf einem einfachen Niveau, aber die alte Naturmedizin mit Kräutern und dem Brennen, einer Art Mostibuxation, hat sich bei der alten Bevölkerung erhalten. Die Bani Hamida sind sehr traditionsbewusst und werden von andern Jordaniern als rückständig bezeichnet.
Vischherr portraitiert mit stimmungsvollen Bildern aus dem Alltag das Leben der Familie und des Clans, der Frauen in der Gesellschaft und der Frauen untereinander. Dabei wird sie kaum je theoretisch, sondern lässt ein Gesamtbild aus Einzelmomenten entstehen, Stimmungen und Erlebnissen aus ihren vielen Besuchen bei der gleichen Familie. Vischherr erlebt, wie schwierig es für die Frauen des Teppichwebereiprojekts ist, an die Touristen zu gelangen, denen die Teppiche verkauft werden könnten, oder einen fairen Preis für die aufwändige Arbeit zu erhalten. Spannend sind die detaillierten Aussagen der Beduinen selbst darüber, was Armut ist, oder welche Hindernisse den Bildungsweg der Frauen blockieren. Jordanien liegt zwischen den zwei Konfliktgebieten Israel/Weltbank und Irak sowie Syrien und Saudi-Arabien: Wie haben die Beduinen die Folgen der Intifada erlebt. Wie erleben sie die oft gut ausgebildeten und vergleichsweise wohlhabenden palästinensischen Flüchtlinge, welche ihr Land besiedeln? Weshalb lässt sich der mit Halimas Familie befreundete Saleh frewillig im Irak einsetzen? Es ist ein Verdienst des Buches, nicht ein statisches Bild der Beduinen zur entwerfen, sondern das Leben im Umbruch nachzuzeichnen. In einem letzen Kapitel wird das lebendige Porträt mit Hintergrundwissen zu Politik, Geschichte und Gesellschaft Jordaniens ergänzt. „Das Buch ist notwendig“, so Hottinger, „Wir alle im «Westen» hören zu viel über unsere sogenannt «östliche» oder auch immer mehr als «islamisch» abgestempelte Nachbarkultur und ihre Menschen. Aber wir wissen in Wirklichkeit nichts von ihr. Es fehlt der Kontakt mit ihren Menschen, ihren Werten, ihren wirklichen Lebensfreuden und Leiden. Dieses kleine Buch springt hier ein.“
Ruth Vischherr Strebel: Halima. Begegnungen mit der beduinischen Frauenwelt Jordaniens. neema Verlag Mönchaltdorf 2007, 176 Seiten, SFr. 39.- (+ Versandkosten); ISBN Nr. 978-3-033-01342-1
Zu beziehen bei: www.vischherr.ch oder neema Verlag, Im Heugarten 27, CH-8617 Mönchaltorf; Tel. 044 948 11 09