Sabri Mussa: Affäre halber Meter. Eine ägyptische Liebesgeschichte und sechs Erzählungen

(Hâdith an-nisf mitr, 1962. Aus dem Arabischen von Regina Karchouli)
Lenos Verlag, Basel 2004
111 S., EUR 12.80, SFr. 22.50
ISBN 3-85787-355-8

Unvermittelt bremst der überfüllte Bus. Eine junge Frau verliert das Gleichgewicht und hält sich am Arm ihres Nachbarn, dem Ich-Erzähler. Aus dieser unverhofften Begegnung erwächst eine brennende Liebe. Der 35-jährige Mann möchte die Liebesbeziehung nach europäischer Lebensweise gestalten. Er trifft seine Geliebte täglich im Geheimen. Aber nun beschleicht ihn der Verdacht, dass seine Freundin in Liebesdingen nicht unerfahren sei und schon früher Liebhaber gehabt haben könnte. Ist er also gar nicht der erste Mann in ihrem Leben? Traditionelle Wertvorstellungen kommen ihm in die Quere und deshalb distanziert er sich von den erhofften Heiratsabsichten. Um ihn an sich zu binden, behauptet die Geliebte, dass sie von ihm schwanger sei. Nach verschiedenen unnötigen Abtreibungsversuchen besucht ihn ein hochgewachsener, junger Mann und erklärt ihm, dass er sich von der Frau fernhalten möge, weil er sie heiraten werde.
Sabri Mussa gelingt es, auf knapp 70 Seiten eine kleine Welt zu zeichnen, in der die grossen Fragen des modernen europäischen und des traditionellen arabischen Lebens aufeinander stossen. Eindrücklich zeigt sich auch die Doppelmoral männlichen Verhaltens Frauen gegenüber: Männer suchen sexuelle Kontakte zu verschiedenen Frauen, eine zu heiratende Frau muss aber unberührt sein. Obschon der Autor die Ereignisse aus der Sicht eines sich immer wieder in Frage stellenden Mannes erzählt, scheint die Geliebte schlussendlich die starke und aktiv handelnde Person zu sein.
In der vorliegenden Ausgabe wird die 40 Jahre alte, aber unerwartet aktuelle Novelle durch fünf ausgezeichnete Erzählungen ergänzt, die mit grosser Treffsicherheit von alltäglichen abgrundtiefen Begebenheiten berichten.
Kurz: ein kleines, aber feines Buch!

Michael Schwarz

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