Basel, 23.04.2010, akte/ Samson Kambalu wurde 1975 als fünfter Spross einer zehnköpfigen Familie in Malawi geboren. Er erhielt ein Stipendium für die renommierte Kamuzu Academy und organisierte die erste Konzeptkunstausstellung in Malawi. Als die Kamuzu Banda-treue Elite nach den ersten demokratischen Wahlen und dem Ende der autokratischen Herrschaft Bandas unter Druck geriet, emigrierte Kambalu nach London, wo er heute lebt. Kambalus bekanntestes Kunstwerk, der "Holy Ball", hüpfte als Konzeptkunst von einem Erdteil zum andern. Der autobiografische Roman "Jive Talker" ist die erste Veröffentlichung Samson Kambalus.
Hinter dieser Kurzbiografie stecken Tausende von Geschichten, die erzählt werden möchten und die Kambalu in brillianter Weise erzählt. Sie beginnt mit seinem Vater, dem Hilfsarzt, der sich als Philosophen betrachtete und das Klo als Studierzimmer benutzte. Dort stapelte sich das Nietzsche Gesamtwerk in Taschenbuchausgaben. Seine Familie gab ihm den Namen Jive Talker: "Nicht weil er log oder dummes Zeug redete, sondern weil er oft nächtelang seine nietzschanischen und persönlichen Beschwörungen in trunkenen Tiraden auf uns niederprasseln liess, die er selbst Jive nannte, nach seinem Lieblingsbier, Carlsber Brown, das er auch Jive nannte."
Der nietzscheanischen Philosophie steht die Frömmigkeit der Mutter und der Nachbarschaft gegenüber, die traditionellen Zaubergeschichten und die wechselnden Wohnumgebungen, vom grünen Aussenquartier der Hauptstadt Blantyre in die raue Township von Nkolkosa und von dort in verschiedene zum Teil abgelegene Distrikte Malawis, Welten voller Aberglauben, Mambas, Malaria und Miseren. Schwierig, in diesem Durcheinander von Denk- und Lebenswelten ein kohärentes eigenes Denkgebäude zu errichten, erst recht eines mit Bezug auf die Lebensrealität.
So erstaunt es nicht wirklich, dass der elf- zwölfjährige Kambalu, dessen Name "Don’t worry, be happy" bedeutet, Nonsense-Gedichte in der Art vom "Zipferlak" aus "Alice im Wunderland" (zu Englisch Jabberwocky von Lewis Carroll) besonders mochte, den "Unsinn mit Sinn", wie er es nennt. Eine Neigung, die zum Programm wird. Mit zwölf Jahren erfindet er seine eigene Religion, den Holyballismus, der seinen höchst eigenen Prozess der Umwertung aller Werte wiederspiegelt. Auf virtuose Weise beschreibt Kambalu seine philosophischen Aufbrüche und hochgeistigen Bruchlandungen, die Reibung an den engen Denk- und Glaubenskostümen seiner Heimat, die europäischen Werte, die ihm an der Universität für die Elite Malawis vermittelt werden – eine Bildungsinstitution des Diktators Hastings Kamuzu Banda, der seinem Volk sonst keine aufklärerischen Freiheiten einräumte. Die Autobiografie liest sich als eine vor Lebenslust sprühende und unterhaltsame Geschichte eines jungen Künstlers, der dem Erlebten, scheinbar Unsinnigen, seinen eigenen Sinn gibt.
Samson Kambalu: Jive Talker. Unionsverlag, Zürich 2010, 352 Seiten, SFr. 33.90, Euro 19.90; ISBN 978-3-293-00411-5