Sansibar: Weltgrösster Tourismuskomplex ein Spekulationsobjekt
Die zu Tansania gehörende Insel Sansibar soll mit dem grössten Tourismuskomplex Afrikas beglückt werden. Für die Realisierung der gigantischen Anlage mit 16 Luxushotels, Flug- und Yachthafen, Sportanlagen, einem Kunstsee und einem 27-Loch-Golfplatz, Autostrassen, einer Wasseraufbereitungsfabrik und Stromzentrale, Einkaufszentren und 100 Luxusvillen wird die stolze Summe von 4 Milliarden US Dollar benötigt. Dies jedenfalls berechnete die auf der britischen Isle of Man ansässige Initiantin mit dem beeindruckenden Namen East African Development Company (EADC). (s. Ak T&E-KUNA 1/98)
Sie ergatterte sich für einen symbolischen Dollar pro Jahr den Zuschlag für die touristische Erschliessung und Nutzung (für 49 Jahre) des 57 Quadratkilometer grossen Gebietes auf der nördlichen, bislang von Grossprojekten verschonten Halbinsel Nungwi. Deren 14 Dörfchen sollen verschwinden, ihre 25’000 BewohnerInnen fast alle umgesiedelt werden. Die Bevölkerung selbst erfuhr erst aus der Zeitung, was für segensreiche Investitionen mit Blick auf superreiche TouristInnen in ihrer Heimat geplant sind. Dies hat die Schweizer Entwicklungsorganisation Swissaid mit Recherchen vor Ort in Erfahrung gebracht. Auf den Plänen der vorgeschlagenen Tourismusanlage sind laut ihr keine Dörfer mehr zu orten. Die Bevölkerung macht sich heute schon Sorgen wegen der Wasserknappheit, und in den Dörfern herrscht durch die Einschüchterungsversuche der Regierungs- und Projektverantwortlichen ein Klima der Angst, wie Journalisten beobachteten.
Doch wer genau steckt hinter dem Versuch, das beschauliche Sansibar in einen noblen Rummelplatz betuchter TouristInnen mit Luxusambitionen umzukrempeln? Was schon lange gemunkelt wurde, konnte The Observer nun erhärten. Die beiden federführenden EADC-Direktoren, die Briten Thomas Wells und Patrick O’Sullivan, sind beide höchst zweifelhafte Figuren und wegen Wirtschaftskriminalität vorbestraft. Das nur mit Mühe zu findende EADC-Zentrum in England sei ein gemietetes Büro, habe kaum Personal und sei infrastrukturell ärmlich besetzt. So sehe die Verwaltung eines Grossunternehmens, das Milliarden von Investitionsgeldern betreue, wohl kaum aus, folgern die Observer-Journalisten trocken. Bestrebungen, konkrete Informationen über Investoren und Investitionen zu erhalten, verliefen alle im Sand. Viel Geld kann noch nicht zusammengekommen sein. Zudem ist EADC den einschlägigen Kreisen gar kein Begriff.
Dass die dubiose Gesellschaft den Zuschlag für Nungwi erhielt, führt der Observer auf die Bluff- und Redekünste von Thomas Wells zurück. Der habe Hammed Hickey, Direktor der zuständigen Zanzibar Investment Promotion Agency (Zipa), das Blaue vom Himmel herunter versprochen. Hierauf gab Hickey, der dem Finanzdepartement unterstellt ist, Grünlicht. Im Anschluss hiess es immer wieder, das Megaprojekt geniesse die Unterstützung hoher Sansibar-Politiker, worunter der Finanzminister und sogar Präsident Salmin Amour.
Doch unterdessen bekommen die meisten Sympathisanten und Unterstützer des Monsterplans zunehmend kalte Füsse. Nicht nur hat das Projekt international mächtig Staub aufgewirbelt, die Weltbank von einem Kredit Abstand nehmen lassen und Umwelt- wie Menschenrechtsorganisationen zu einer Gegenoffensive getrieben. Auch im Parlament geriet das «Nungwi Peninsula» Projekt zusehends unter Beschuss.
Ganz nebenbei haben nun die bisherigen Direktoren O’Sullivan und Wells ihren Rücktritt bekanntgegeben und die Aufgaben an Wells› Gattin übertragen. Wells selbst ist aber nach wie vor EADC-Hauptaktionär.
Was aus der für Wells und andere Investoren nach wie vor interessanten Nungwi-Halbinsel und seinen Bewohnern wird, ist nicht abzusehen. Die Sansibaris jedenfalls werden sich wieder vermehrt eines alten Sprichwortes erinnern müssen: «Wenn Du Investoren Deine Türe aufmachst, kommen immer auch Fliegen und Stechmücken herein.»
Ruedi Suter