Sayed Kashua: Da ward es Morgen. Roman
(wajehi-boker, 2005. Aus dem Hebräischen von Mirjam Pressler.)
Berlin Verlag, Berlin 2005
302 S., EUR 19.90; SFr 34.90
ISBN: 3-8270-0573-6
Kashua Sayed ist Palästinenser mit israelischer Staatsangehörigkeit. Er gehört zu einer Minderheit, die von den Israeli auf Grund ihrer arabischen Herkunft als Bürger zweiter Klasse behandelt und von den Palästinensern als Kollaborateure mit den Israeli verdächtigt wird. Schon in seinem ersten Roman „Tanzende Araber“ beschreibt der Autor die Suche eines Heranwachsenden nach seiner Identität. Auch das neue Buch „Da ward es Morgen“ hat er auf Hebräisch geschrieben, weil er sich an seine israelischen Landsleute richten will und weil eine Veröffentlichung im arabischen Sprachraum keine Chance hat. So steht Kashua Sayed mit seiner schriftstellerischen Arbeit selber mitten drin in der Auseinandersetzung zwischen Israel und Palästina.
Die Geschichte beginnt unspektakulär: Ein palästinensischer Journalist einer israelischen Zeitung und seine Frau, eine Lehrerin an einer arabischen Schule, ziehen mit ihrem kleinen Kind zurück in ihr arabisches Heimatdorf, um den in Tel Aviv immer deutlicher werdenden rassistischen Slogans zu entkommen. Aber das palästinensische Dorf ist ihnen fremd geworden. Der Journalist verbirgt selbst vor seiner Frau und seiner Familie, dass er eben arbeitslos geworden ist, und pendelt täglich in die Stadt, um den Schein eines erfolgreichen Redaktors aufrecht zu erhalten. Soweit wäre alles eine nette Familienstory, wenn das Dorf nicht eines Morgens von israelischen Panzern umstellt und von der Aussenwelt total abgeschnitten wäre. Der Strom wird abgestellt, selbst Mobiltelefone funktionieren nicht mehr und bald gehen auch die Wasservorräte zu Ende. Weil die Kommunikation zur Aussenwelt unterbunden ist, weiss niemand, was eigentlich vorgeht. Mit einem Schlag verändert sich das Leben im Dorf: Es wird gehamstert und gestohlen und Gewalt gebraucht. Die Bewohner versuchen, im Dorf illegal wohnende Arbeiter aus dem Westjordanland an die Israelis auszuliefern. Aber die Armee antwortet nur mit Schüssen. Es gibt Tote, aber verhandelt wird nicht. Nach ein paar Tagen hat der Spuk plötzlich ein Ende. Am Fernsehen reichen sich der israelische Premier und der palästinensische Präsident die Hand und das belagerte Dorf wird dem neuen Staat Palästina zugeteilt – eine apokalyptische Lösung.
Das leicht lesbare, spannende Buch ist bedrückend, weil es nicht nur eine romanhafte Geschichte erzählt, sondern als Reportage daher kommt, der vieles schildert, was im Zusammenhang mit der israelischen Siedlungspolitik und dem Mauerbau für die palästinensische Bevölkerung alltägliche Realität ist. Das ist die grosse Stärke von Kashua Sayeds neustem Roman.
Michael Schwarz
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