Schifffahrt: Aufschub strengerer Auflagen ist tödlich
Die zeitgerechte Umsetzung einer globalen Obergrenze für den Schwefelgehalt von Schiffstreibstoffen würde dem vorzeitigen Tod von weltweit 200’000 Menschen vorbeugen, sagt eine Gesundheitsstudie führender ForscherInnen der Vereinigten Staaten und Finnlands. Der Branchenverband Öl und Gas sowie eine Lobbygruppe von Reedereien, vertreten durch die BIMCO, drängen aber darauf, die Massnahme um fünf Jahre hinauszuzögern, berichtet The Guardian. BIMCO ist mit über 2’200 Mitgliedern der weltgrösste Verband von Reedereien.
Zwischen 24. und 28. Oktober wird die Internationale Seeschifffahrts-Organisation (IMO) darüber entscheiden, ob sie am Termin von 2020 für die Einführung der neuen verbindlichen Treibstoffnorm festhalten will, auf den sich die Mitglieder 2008 unter Beifall geeinigt hatten. Zivilgesellschaftliche Organisationen wie "Seas at Risk" oder "Transport & Environment (T & E) bezeichnen jeglichen Aufschub als inakzeptabel und ungerechtfertigt.
Krebs, Herzkrankheiten und Asthma wegen schwefelhaltiger Schiffstreibstoffe
Die jüngste Gesundheitsstudie führt zwei frühere globale Gesundheitsstudien weiter. Diese kamen zum Schluss, dass die von der Schifffahrt verursachte Luftverschmutzung gesundheitsschädlich ist und zum Tod durch Lungenkrebs und Herzkranheiten führen kann. Würde die Einführung der neuen Treibstoffnorm um fünf Jahre herausgezögert, würden zusätzliche 200’000 Menschen am giftigen Rauch sterben, vor allem solche aus Gemeinschaften an Küsten in Entwicklungsländern, die kaum vom globalen Handel profitieren. Dabei sind Todesfälle aufgrund von Asthmaerkrankung nicht einmal eingerechnet. Eine rechtzeitige globale Einführung von Treibstoffen, die weniger schädlich sind, würde 134’650 vorzeitige Todesfälle in Asien, 32’100 in Afrika und 20’800 in Lateinamerika verhindern.
Dazu sagt Professor James Corbett der Universität Delaware, einer der Hauptautoren der Studie: "Wählt die Internationale Seeschifffahrts-Organisation den Weg, ihre Strategie bis 2020 umzusetzen, könnte dies die Gesundheitsbelastung der KüstenbewohnerInnen insbesondere in Asien, Afrika und Lateinamerika reduzieren. Aber das Umgekehrte trifft ebenfalls zu: Ein Aufschub hätte zur Folge, dass die Auswirkung der Schwefelemissionen in den Küstengemeinschaften anhalten, insbesondere an stark bevölkerten Küstenabschnitten, wo die Schifffahrtswege besonders dicht sind."
Bis 2020 steht genügend schwefelarmer Treibstoff zur Verfügung
Schiffsschweröl ist einer der schädlichsten aktuell verwendeten Treibstoffe. Sein Schwefelgehalt überschreitet die Europäische Dieselnorm für Fahrzeuge um das bis zu 3’500-fache. Die Schifffahrtsbranche ist die weltgrösste Emittentin von Schwefel. Deshalb hat die Internationale Seeschifffahrt-Organisation IMO 2008 einstimmig eine Schwefeldeckelung für alle Schiffe mit einem Maximum von 0.5 %-Schwefelgehalt ab 1. Januar 2020 beschlossen.
Allerdings wurde das Umsetzungsdatum vom Resultat einer Studie abhängig gemacht, die klären sollte, ob bis 2020 genügend schwefelarmer Treibstoff zur Verfügung stünde. Die von der Internationalen Seeschifffahrt-Organisation in Auftrag gegebene Studie wurde letzten August veröffentlicht. Sie zeigt, dass unter Berücksichtigung aller angedachter Szenarien genügend sauberer Treibstoff bis 2020 zur Verfügung steht.
John Maggs, leitender Strategieberater bei Seas At Risk, meint: "Die Welt wartet schon zu lange darauf, dass die Schifffahrt dreckige Treibstoffe verbannt. Bei mehreren hunderttausend Menschen, die laut Studie sterben sollen, und dies insbesondere in den Entwicklungsländern, wird klar: Die Folgen des fortwährenden Verfeuerns von dreckigem Treibstoff nach 2020 sind völlig unakzeptabel. Da sauberere Treibstoffe 2020 zur Verfügung stehen, gibt es keine weiteren Entschuldigungen, das Datum zu verschieben."
Bill Hemmings, zuständig für Schifffahrt bei Transport & Environment, sagt: "Sowohl die Gesundheitsstudie wie die Studie zur Verfügbarkeit von sauberem Treibstoff zeigen deutlich, dass das Stichdatum 2020 respektiert werden muss. Die Schifffahrt und Raffineriebranche hatten schon acht Jahre Zeit, sich vorzubereiten, und es verbleiben weitere drei Jahre bis zur endgültigen Umsetzung 2020. Es gibt keine Entschuldigung mehr für tödliche Untätigkeit.