
Schlechte Aussichten fürs Klima
Nach Kopenhagen herrscht in Sachen Klimapolitik Katerstimmung. Positive Signale blieben aus, die festgefahrenen Verhandlungen konnten vorerst nicht wieder angeschoben werden. Um sie wieder in Gang zu setzen, hat die Uno kurzfristig zu einem Treffen nach Bonn eingeladen.
Die Chancen, dass Ende Jahr doch noch ein Folgeabkommen für das 2012 auslaufende Kyoto-Protokoll zustande kommt, sind aber gering. Auf höchstens ein Prozent veranschlagt sie ein Insider der Bundesverwaltung. Warum diese Einschätzung?
Bei den CO2-Reduktionszielen herrscht Stillstand. Die von den Industrie- und Schwellenländern gemeldeten nationalen Vorgaben sind um kein Prozent höher als vor Kopenhagen. Die EU bleibt bei ihren mageren 20 Prozent, ebenso die Schweiz. Dies, obwohl alle wissen, das wir damit auf eine Erwärmung um 3,5 Grad zusteuern.
Die neue Klimakommissarin der EU, Connie Hedegaard, hat die Hoffnung auf ein verbindliches Abkommen bereits aufgegeben. Noch im Januar plädierte die Präsidentin des gescheiterten Kopenhagener Gipfels für einen Effort, um in Mexiko zu einem "echten Klimavertrag" zu kommen. Nun nennt sie dies "unrealistisch" und setzt nur noch auf "politische Teilabkommen".
Yvo de Boer, der Chef des Uno-Klimasekretariates, wirft auf den 1. Juli das Handtuch. Das ist ein schwerer Schlag für den Fortgang der Verhandlungen unter dem Dach der Uno. De Boer galt als Garant für ein Kyoto-Folgeabkommen, bei dem die Entwicklungsländer gleichberechtigt am Verhandlungstisch sitzen.
Der US-Senat torpediert weiterhin das Klimagesetz von Präsident Obama und damit eine konstruktive Rolle auf internationaler Ebene. Stattdessen verlangt der US-Klimabeauftragte von den Schwellenländern "weitergehende Massnahmen", sonst sei sogar die Minimaleinigung von Kopenhagen eine "Totgeburt". Die USA möchten die weltweiten Klimaverhandlungen innerhalb exklusiver Gruppen wie der G-20 oder dem Major Economies Forum on Energy and Climate führen. Dort sind die grössten Klimasünder unter sich, und die ärmeren Entwicklungsländer bleiben aussen vor.
China will auf freiwiliger Basis pro Einheit des Bruttoinlandproduktes 40-45 Prozent weniger Treibhausgase ausstossen als 2005, Indien 20 bis 25 Prozent. Das sind keine Reduktionen, sondern ist bloss eine Verlangsamung des Ausstosses. Beide Länder verlangen von den Industriestaaten höhere Reduktionsziele.
Der Copenhagen Accord sieht vor, den Entwicklungsländern in den nächsten drei Jahren 30 Milliarden und ab 2020 jährlich hundert Milliarden Dollar für Anpassungs- und Schutzmassnahmen zur Verfügung zu stellen. Woher das Geld kommen soll, blieb offen. Der britische Premier Gordon Brown und sein äthiopischer Kollege Meles Zenawi haben von Uno-Generalsekretär Ban Ki Moon die Aufgabe gefasst, "innovative langfristige Geldquellen" zu suchen. Die Gefahr ist gross, dass nicht zusätzliche Mittel fliessen, sondern Gelder der Entwicklungshilfe umetikettiert werden, wie dies kürzlich die deutsche Regierung beschlossen hat.
In Bern sucht derzeit eine "Findungskommission" die Kasse, aus der die 150 Millionen Franken geholt werden könnten, die Bundesrat Leuenberger in Kopenhagen als Schweizer Beitrag für die Jahre 2010 bis 2020 versprach. Wann und wo sie fündig wird, steht in den Sternen.
_____________________________________________________________________________
Gedrängter Fahrplan:Die von der Uno kurzfristig angesetzte "Deblockierungsrunde" der Klimaverhandlungen fand vom 9.-11. April in Bonn statt. Anfang Juni (31-11.6.) folgt eine Zwischenkonferenz auf MinisterInnen-Ebene. Die nächste Vertragsstaaten-Konferenz findet vom 29.11. bis 10.12. in Cancún (Mexiko) statt. Zusätzlich prüft die Schweiz, ob sie im Herbst eine handverlesene "MinisterInnen-Runde" zum Thema "Anpassung an die Klimaveränderung" einberufen soll. Als Antwort auf das Scheitern von Kopenhagen lud Boliviens Präsident Evo Morales soziale Bewegungen aus aller Welt zu einer Konferenz eingeladen (Peoples’ World Conference on Climate Change and Mother Earth’s Rights). Sie fand vom 19. bis 22. April in Cochabamba statt.
http://pwccc.wordpress.com
_____________________________________________________________________________
Der Beitrag erschien in der Frühlingsausgabe 20120 von Global+, dem Magazin von Alliance Süd. Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung