Basel, 19.10.06, akte/ Seit Jahren drückt sich die Eidgenossenschaft um die Ratifizierung der Konvention 169 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), dem bislang einzigen verbindlichen internationalen Rechtsinstrument zum Schutz der indigenen und tribalen Völker. BundesBern und die Kantone befürchten, die Ratifizierung habe zusätzliche Leistungsansprüche für Fahrende – für Sinti und Roma, die sich als tribale Völker verstehen – zur Folge. Anlässlich der Verabschiedung des Berichtes zur Situation der Fahrenden in der Schweiz am 18. Oktober 2006 riet der Bundesrat deshalb von der Ratifizierung der ILO-Abkommens 169 ab und beantragte die Abschreibung des hängigen Postulats von Nationalrat Remo Gysin, das die Parlamentsdebatte zur Ratifizierung in nächster Zeit fordert.
Diese Diskussion werde nun im Keim erstickt, befürchtet die Swisspro-ILO169 in ihrer Stellungnahme zum Bundesratsbeschluss. Hinter dem etwas sperrigen Begriff Swisspro-ILO169 steht eine Koalition von Menschenrechtsorganisationen, Hilfswerken und NGOs aus Umwelt und Entwicklungspolitik, die zum internationalen Tag der indigenen Völker vom 9. August 2006 die Schweiz zu einer kohärenten Menschenrechtspolitik und der Ratifizierung der ILO-Konvention 169 aufforderte. Swisspro-ILO169 hält fest, dass der Bericht zur Situation der Fahrenden ein völlig übertriebenes Bild der finanziellen und rechtlichen Verpflichtungen zeichne, die der Schweiz aus einer Ratifizierung der ILO-Konvention 169 erwachsen würden. Damit lenke der Bericht von der unbequemen Tatsache ab, dass die missliche Situation der Fahrenden in der Schweiz auch ohne Ratifizierung des ILO-Übereinkommens dringend behoben werden müsse. Und klammere dabei die aussenpolitische Dimension der Ratifizierung aus.
Die NGO-Koalition will konstruktiv zu einer sachlichen Diskussion beitragen und stellt deshalb in ihrer Medienmitteilung nochmals klar, dass der Schweiz mit der Ratifizierung der ILO-Konvention 169 grundsätzlich keine unmittelbaren zusätzlichen finanziellen oder rechtlichen Verpflichtungen erwachsen. Auf dem Spiel hingegen stehe die Kohärenz und Glaubwürdigkeit der Schweizer Regierung, die sich aussenpolitisch für die Einhaltung der Menschenrechte stark macht. So habe sich die Schweiz aktiv für die Einsetzung des neuen UN-Menschenrechtsrates engagiert und anlässlich dessen erster Session auch mit ihrer explizit Unterstützung der neuen UN-Deklaration zum Schutz der indigenen Völker zum Durchbruch verholfen. Dies entspreche – unterstreicht die swisspro-ILO169 – der offiziellen Strategie der Menschenrechtsaussenpolitik für die Jahre 2003-2007. Die NGO-Koalition befürchtet, dass es der Schweiz ohne die Ratifizierung der ILO-Konvention 169 misslingen werde, den notwendigen moralischen und diplomatischen Einfluss zugunsten der Rechte der indigenen und tribalen Völker gegenüber anderen Regierungen auszuüben.
Der Basler arbeitskreis tourismus & entwicklung hat sich als unterstützende Organisation der Swisspro-ILO169 angeschlossen. Denn es geht um den dringend notwendigen wirksamen Schutz der bedrohten Urvölker: Die schätzungsweise 350 Millionen indigenen Menschen leben in den heute noch artenreichsten Gebieten der Erde und geraten zunehmend auch unter den Druck neuer Erschliessungen für den sogenannten „Ökotourismus“.
Quellen: Mitteilung der Bundesbehörden zur Publikation des Berichts: Die Situation der Fahrenden in der Schweiz 18.10.06, www.admin.ch; Medienmitteilung swisspro-ILO169 18.10.06; Habari 3/06; swisspro-ILO169 09.08.06, www.gfbv.ch, www.incomindios.ch