Die klare Ablehnung der Zersiedlungs-Initiative am 10. Februar 2019 war kein Zeichen der Bevölkerung gegen den Landschaftsschutz, sondern vielmehr eine Stärkung des neuen Raumplanungsgesetzes im Bereich der Bauzonendimensionierung (RPG). Dieses sieht als Errungenschaft die Siedlungsentwicklung nach innen, die Erhöhung der Siedlungsdichte sowie eine Begrenzung der Bauzonen nach aussen vor. Zentral ist die Pflicht der Rückzonung überdimensionierter Bauzonen, immerhin im Wallis in der Grössenordnung von etwa 1’500 Hektaren. Hierfür wurde die Mehrwertabgabe endlich als verbindlich für alle Kantone eingeführt. Dieser Weg ist zweifellos aus Sicht des Landschaftsschutzes der richtige.

Nun steht aber eine zweite Revisionsetappe des Raumplanungsgesetzes zum Bauen ausserhalb der Bauzonen an (RPG2). Diese sieht vor, dass Abweichungen von den heutigen bereits stark ausgeweiteten Gesetzesbestimmungen zum Bauen ausserhalb der Bauzonen zulässig werden, wenn sie durch Kompensationsmassnahmen zu einer Verbesserung der Gesamtsituation in einem von den Kantonen im Richtplan festzulegenden Gebiet führen. Diese brisanten Vorschläge lassen auf eine epische Debatte im Parlament mit unbestimmtem Ausgang schliessen, lösen sie doch das Grundproblem der fortschreitenden Zersiedelung des Kulturlandes nicht.

Schleichend erweiterte Baumöglichkeiten ausserhalb der Bauzone

Das RPG versagte im Vollzug bislang gerade dort, wo es aufgrund der Verfassungsvorgabe der Trennung des Baugebietes vom Nichtbaugebiet am stärksten greifen müsste, beim Schutz der Landwirtschaftszone. In diesem Bereich driftete das RPG mit den vergangenen Teilrevisionen immer mehr in ein eigentliches Baugesetz ab, das aufgrund der politisch in regelmässigen Abständen vorgetragenen Nutzungswünschen zu einem bunten Strass von Bestimmungen nach dem Motto "abreissen, wiederaufbauen, umnutzen, erweitern" verkam. Diese Bestimmungen haben in den letzten Jahren nicht nur einen Bauboom ausserhalb der Bauzone ausgelöst, sondern auch die Bedürfnisse im Sinne des "der Appetit kommt beim Essen" stetig gesteigert. Beispiele sind die aktuellen Debatten um die Umnutzung der Maiensässe und freistehenden Ställe oder auch der Ersatz alter Bauernhäuser durch zeitgemässe, nicht landwirtschaftsdienliche Wohnhäuser.

Mit diesen schleichend erweiterten Baumöglichkeiten in der "falschen" Zone hat der Bundesgesetzgeber gegen das verfassungsmässige Grundprinzip der Raumplanung verstossen und der Zersiedlung mit all ihren Nebenfolgen der Erschliessung mit Strassen bis zur Elektrifizierung von Maiensässen und Alpen Vorschub geleistet. Die anstehende 2. Revisionsetappe des PRG versucht jedoch solche verfehlten Bestimmungen gar nicht zu beseitigen, sondern pfropft diesen Bestimmungen ein Modell auf, das primär dazu dient, weitere Baumöglichkeit ausserhalb der Bauzone zuzulassen, und dies nach dem Gusto der Kantone.

Volksinitiative wird lanciert

Auf diese bedenkliche Entwicklung antworten die vier Schutzorganisationen Pro Natura, BirdLife Schweiz, Schweizer Heimatschutz und Stiftung Landschaftsschutz Schweiz mit der Lancierung der Eidgenössischen Volksinitiative "Gegen die Verbauung unserer Landschaft (Landschaftsinitiative)" – quasi als Druckmittel gegenüber der Bundesverwaltung und dem Parlament. Damit soll das Bauen ausserhalb der Bauzone eingegrenzt, statt weiter ausgedehnt werden. Namentlich fordert die Initiative, dass im Nichtbaugebiet die Zahl der Gebäude und die von ihnen beanspruchte Fläche nicht zunehmen. Das heisst, dass neue Bauten in jedem Fall mit einem Rückbau zu kompensieren sind. Dies ist deshalb schon kein Problem, da bereits heute zahllose Gebäude ausserhalb der Bauzonen leer stehen oder unternutzt sind.

Des Weiteren fordert die Initiative, dass wieder der Grundsatz "Wohnen bleibt Wohnen", "Wirtschaften bleibt Wirtschaften" bei der Frage der Umnutzung zu gelten habe. Ausnahmen soll es nur geben, wenn dies der Erhaltung schutzwürdiger Bauten und deren Umgebung dient. Dadurch wird ein Riegel geschoben, dass schleichend aus den geschätzten 400’000 Ökonomiebauten Wohnungen entstehen, die zonenfremd sind und die Landwirtschaft behindern. Auch die Zunahme der Zweitwohnungen im Berggebiet als Folge der Umnutzung von Ställen zu Ferienhäusern (leider aufgrund des Zweitwohnungsgesetzes zulässig!) soll damit gebremst werden.

Aufräumen tut not

Ergänzend dazu lancieren die gleichen Verbände die Biodiversitätsinitiative, die eine Sicherung und Stärkung der Biodiversität in der Schweiz einfordert und den Schutz unserer Landschaftsperlen, den national geschützten Landschaften und Ortsbilder, für unsere zukünftigen Generationen gewährleisten will.

Durch die ungebändigte und qualitätslose Bautätigkeit ausserhalb der Bauzonen haben viele Regionen der Schweiz ihr landschaftliches Gesicht verloren. Aufräumen und begrenzen tut Not, ein besserer Schutz des Nichtbaugebietes auch. Daher ist der Zeitpunkt der beiden Volksinitiativen als nötiges Korrektiv für Bund und Parlament reif.

Raimund Rodewald ist Geschäftsleiter der Stiftung Landschaftsschutz Schweiz SL (die vom Solothurner FDP-Nationalrat Kurt Fluri präsidiert wird). Er ist zudem Gastdozent an diversen Hochschulen, so an der Universität Bern und an der ETH Zürich.

Der Beitrag erschien im Naturfreund – dem Magazin für Freizeit und Umwelt der Naturfreunde Schweiz – unter der Rubrik Standpunkte der Frühlingsnummer 1/2019. Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung.