Schweizer Barbarei
«Wir haben eine Entschuldigung, wir wussten damals nicht, dass Menschenrechte auch für Schwarze gelten». Diesen Spruch legt der Zeichner Barrigue in der Westschweizer Tageszeitung «Le Matin» Bundespräsident Samuel Schmid in einer bitterbösen Karikatur zum Thema «Beziehungen Schweiz – Südafrika» in den Mund. Barrigue hätten dieselben Worte geradeso gut Finanzminister Rudolf Merz sagen lassen können. Oder Justizminister Christoph Blocher.
In den 80er Jahren galten die elementarsten Menschenrechte der Schwarzen in Südafrika nicht nur dem Rechtsaussen und heutigen SVP-Nationalrat Ulrich Schlüer nichts. Sie waren auch für ein breites Spektrum der bürgerlichen PolitikerInnen schlicht irrelevant. Was Krethi und Plethi aus Freisinn, SVP und CVP, aus den Chefetagen des Bundeshauses und aus den Führungsetagen der Wirtschaft damals zur Demokratiefrage in Südafrika zu sagen gehabt hatten, ist unglaublich. Der barbarische Zivilisations- und Überlegenheitsdünkel der Schweizer Mannen in führender Stellung ist denn auch heute noch schwer zu verdauen. Mit Schrecken müssen wir allerdings auch die Ansichten des früheren SP-Bundesrates Willi Ritschard zur Kenntnis nehmen. In einem Antrag an den Gesamtbundesrat fürchtete sich dieser 1983 davor, dass die Frage von Kapitalexporten nach Südafrika in der Öffentlichkeit zur einer Moralfrage hochstilisiert und deshalb einer allgemeinen «Menschenrechtsklausel» unterstellt werden könnte. So, wie dies bereits bei der Waffenausfuhr geschehen sei.
Der Bundesrat und vorab seine Chefbeamten hatten vor allem eines im Sinn. Sie suchten und fanden «Lösungen» dafür, dass die Waffen- und Kapitalexportgeschäfte mit Südafrika diskret abgewickelt werden konnten. Sowohl das Kriegsmaterialgesetz, das Neutralitätsgebot und das internationale Völkerrecht passten sie den Interessen der Grossbanken, der Exportindustrie, den Oberstdivisionären und Geheimdienstchefs an. Sie legten die internationalen Völkerrechtsnormen, das schweizerische Neutralitätsprinzip und die Gesetze zugunsten des Apartheidregimes grosszügig aus. Und sie verletzten sie sogar. Kein Wunder also, machten sich die Schweizer Regierung und ihre Chefbeamten damals vor allem darüber Sorgen, ihre Machenschaften könnten an die nationale oder internationale Öffentlichkeit gelangen. Es wurde geschummelt, heruntergespielt, falsche Auskunft gegeben. Statistiken wurden zum Verschwinden gebracht. Und sie machen sich dieselben Sorgen heute noch: Trotz Versprechungen gegenüber ForscherInnen beschloss vor zwei Jahren des Bundesrat, dass das Bundesarchiv für die Erforschung der schweizerisch-südafrikanischen Geschäftsbeziehungen geschlossen würde.
Mascha Madörin, Ökonomin, seit den 70er Jahren aktiv in der Antiapartheidbewegung und ausgewieseneKennerin der Verstrickungen des Bankenplatzes Schweiz mit dem Apartheidregime
Wiedergabe des Kommentars publiziert in «work» 11.11.2005 mit freundlicher Genehmigung der AutorinQuellen und weitere Informationen: Georg Kreis: Die Schweiz und Südafrika 1948-1994. Schlussbericht des im Auftrag des Bundesrats durchgeführten NFP 42+, Haupt Verlag, Zürich 2005, 542 Seiten, SFr. 48.–, ISBN 3-258-06954-9; Zusammenfassungen der Berichte auf www.snf.ch; Mascha Madörin: Isolate Apartheid – Free South Africa. Die internationale Debatte zu Sanktionen, Basel 2005, 80 Seiten, SFr. 20.– zu beziehen bei SOLIFONDS, mail@solifonds.ch; Stellungnahmen zu den NFP 42+-Studien auf www.solifonds.ch; Listeder bisher veröffentlichten fünf NFP 42+-Studien sowie Kommentare auch aufwww.apartheid-reparations.ch; weitere Informationen www.jubileesa.org.za