Schweizer Konzerne in die Pflicht nehmen
"Es ist davon abzuraten, dieses Wasser hier zu trinken", sagte die deutsche Umwelt-Ingenieurin Eike Humpel vor versammelter Gemeinde Ende September in Espinar im Süden Perus. Im Auftrag der Gemeindeverwaltung, des Bistums und der lokalen Bauernorganisationen führte sie in der Umgebung der Kupfermine Tintaya Boden- und Wasseranalysen durch. Die Mine fördert dort seit Mitte der 90er-Jahre Kupfer im Tagbau-Verfahren und gehört dem Schweizer Bergbau-Konzern Xstrata. Die Wasser- und Bodenproben beweisen, was der Konzern dauernd bestreitet: Die Minentätigkeit verursacht massive Umweltverschmutzungen. Sowohl im Wasser als auch im Boden stellte die Ingenieurin Konzentrationen von Aluminium, hochgiftigem Arsen, Eisen, Kupfer und Quecksilber fest, welche die zugelassenen Höchstwerte des Gesundheitsministeriums ums 10- bis 100-fache übersteigen.
Xstrata wird es schwer haben, aus diesen Anschuldigungen herauszukommen, allen bisherigen Erfolgen zum Trotz. Der Konzern gilt weltweit als besonders nachhaltig, umweltschonend und menschenrechtsfreundlich. In den von der Minentätigkeit betroffenen Gemeinden lässt der Konzern Schulen und Gesundheitszentren bauen, und er leitet Projekte zum Aufbau landwirtschaftlicher Kleinunternehmen. Statt Fortschritt bleiben letztlich aber Umweltschäden, und die vor der Minentätigkeit noch intakten indigenen Gemeinschaften werden auseinander gerissen. Beispiele wie dieses werden sich in Zukunft häufen. Denn die Umstellung vieler Minen auf zerstörerischen Tagbau ist noch nicht alt. Auf den Finanzmärkten herrscht ein Boom für Anlagen in Bodenschätzen, welcher noch viele weitere Minen in rasant produzierende Tagbau-Minen verwandeln lässt. Und meistens bleibt es nicht nur bei Umweltschäden. Hinzu kommen gewaltsame Vertreibungen, Zwangsumsiedlungen und die Verfolgung, Bespitzelung oder gar Ermordung von AktivistInnen im Widerstand. Doch wie weit dürfen die Konzerne gehen und wer setzt ihnen Grenzen?
Nationale und internationale Bemühungen
Mit der ökumenischen Kampagne der kirchlichen Hilfswerke zum Thema "Bodenschätze und Menschenrechte" wurden Anfang Jahr erstmals breite Bevölkerungsteile in der Schweiz auf solche Missstände im Rohstoffhandel aufmerksam gemacht. Die Kampagne "Recht ohne Grenzen" ist eine Art Fortsetzung dieser Kampagne und baut auf internationalen Bemühungen auf wie den Global Compact der UNO aus dem Jahr 1999 und den OECD-Leitsätzen für multinationale Unternehmen aus dem Jahr 1976. Im Juni dieses Jahres verabschiedete der UNO-Menschenrechtsrat zudem die sogenannten Ruggie Guiding Principles, entworfen vom Menschenrechtsbeauftragten John Ruggie. Danach hat der Staat die Pflicht, die Menschenrechte auch vor Verletzungen durch Unternehmen zu schützen; diese müssen die Menschenrechte selber weltweit respektieren, und der Zugang zu Rechtsmitteln für Wiedergutmachung muss gewährleistet sein.
Petition fordert gesetzliche Grundlagen
Diese und weitere Richtlinien konnten aber weitere Missbräuche nicht verhindern, denn sie bauen zu stark auf Freiwilligkeit bei den Unternehmen. Die Kampagne "Recht ohne Grenzen" will nun in der Schweiz, wo die Konzentration von multinationalen Unternehmen sehr hoch ist, notwendige Anpassungen bewirken. Mit einer Petition fordert sie von Bundesrat und Parlament gesetzliche Grundlagen: Einerseits damit Schweizer Konzerne vorsorglich Massnahmen treffen müssen, um hier und anderswo Menschenrechtsverletzungen und Umweltvergehen zu verhindern; andererseits damit Menschen, die durch die Tätigkeiten von Schweizer Konzernen hier Klage einreichen und Wiedergutmachung verlangen können.
Informationen zur Kampagne Recht ohne Grenzen und zur Petition "Konzerne an die Leine" für gesetzliche Grundlagen zu Unternehmen und Menschenrechten.
Dieser Beitrag erschien in den Finanzplatzinformationen 4/2011, Dezember 2011, der Aktion Finanzplatz Schweiz. Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung