Vor langer, langer Zeit fassten die Helvetier den Plan, nach Gallien vorzudringen. Gallien? Pah! Heute legen wir Schweizerinnen und Schweizer jährlich mehr als 5’200 Flugkilometer zurück. Das ist beispielsweise die Strecke von Genf ins ägyptische Alexandria und wieder zurück. "Gar nicht so weit", werden vielleicht einige denken. Wer einmal in Antalya den Basar besuchen oder die eindrückliche Natur-Lasershow der Nordlichter beobachten will, hat seine Flugmeilen schon aufgebraucht. Doch die Zahlen gelten für jede Person ab sechs Jahren in der Schweiz, ob flugtauglich oder nicht. 16 Prozent unserer Bevölkerung sind zum Beispiel noch nie geflogen, sei es aus Angst, weil sie nie Ferien im Ausland machen oder aus ökologischen Gründen. Die fliegende helvetische Mehrheit tröstet sich mit einem beherzten "ist doch nicht so schlimm". Ein Bekannter von mir sagte, wenn er in Indien gut drauf sei, sei das im Vergleich besser fürs Weltkarma als das bisschen CO2, das sein Flieger ausstosse. Er musste dann aber selber schmunzeln ob der Absurdität seiner Aussage. Man sucht halt gerne nach Ausreden: Der Flug war günstiger, der Nachtzug nach Wien hätte länger gedauert. Doch ein einziger Flug von Zürich nach New York (6’330 Flugkilometer) jagt fast 80 Tonnen Treibstoff in die Luft. Selbst wenn man diese gigantische Menge auf alle Fluggäste verteilt, verbraucht jeder inklusive Rückflug so viel Benzin, wie sein Auto in einem halben Jahr konsumiert. Die Verbrennungsrückstände von Mineralöltreibstoffen heizen die Klimaerwärmung an. Beim Auto geschieht das am Boden. Jets hingegen fliegen in rund 11’000 Metern Höhe durch die sensibelsten Bereiche der Atmosphäre, in denen ihre Abgase besonders grossen Schaden anrichten.

Elba oder La Palma?

Wer die Umwelt auch beim Reisen schonen will, fängt am besten bei der Hin- und Rückreise zum Feriendomizil damit an – denn diese schlägt beim CO2 mit 75 Prozent der Emissionen an der gesamten Reise zu Buche. Da ist es fast schon egal, ob man vor Ort nur wandert oder mit dem Velo unterwegs ist. Aktuell starten die Schweizerinnen und Schweizer bei mehr als 40 Prozent ihrer Auslandreisen mit dem Flugzeug in die Ferien. Das müsste nicht sein, denn fast die Hälfte der Reisedestinationen, die angeflogen werden, liegen in Westeuropa, und dorthin gibt es sehr viele gute Zugverbindungen, wie unsere Übersichtskarte in der Mitte dieses Magazins zeigt. "Bei der ganzen Flug-oder-Zug-Diskussion hat man bereits verloren, wenn man akzeptiert, dass man zwingend nach New York oder La Palma fliegen muss, statt nach Paris oder Elba", sagt Peter de Haan, Gruppenleiter bei Ernst Basler und Partner sowie Dozent an der ETH Zürich. "Man sollte die Treibhausgasemissionen pro Reise berechnen und nicht pro Reisekilometer. Pro Reise betrachtet, ist der Flug um zirka einen Faktor 20 bis 100 energieaufwändiger als das Auto beziehungsweise der Zug."

Geldhahn weit offen

"Der Flugverkehr geniesst derzeit einige Steuerprivilegien. Die Flugtreibstoffe wie Kerosin sind von der Mineralölsteuer – und in der Schweiz vom noch höheren Mineralölsteuerzuschlag – befreit, die Flugtickets und die Zulieferer von der Mehrwertsteuer", sagt Markus Gansterer vom Verkehrsclub Österreich. Die Schweizer Luftfahrt geniesst gegenüber dem nahen Ausland noch zwei weitere  Steuerprivilegien, bezüglich CO2-Emissionen und Luftverkehrssteuer.

Mineralölsteuer

Die weltweite Steuerbefreiung von Kerosin für grenzüberschreitende Flüge geht auf das Chicagoer Abkommen aus dem Jahr 1944 zurück. Im Jahr 2011 wurden in der Schweiz 1,96 Milliarden Liter Flugtreibstoffe getankt. Dass Bundesrat und Parlament darauf verzichten, eine Kerosinsteuer in Höhe der Mineralölsteuer plus Mineralölsteuerzuschlag auf Benzin zu verlangen, bedeutet Mindereinnahmen von rund 2 Milliarden Franken pro Jahr.

Mehrwertsteuer

Sowohl in der Schweiz wie auch im Ausland sind Flugtickets und Zulieferer von der Mehrwertsteuer befreit. In der kleinräumigen Schweiz mit ihrem Mehrwertsteuersatz von 8 Prozent und einem Inlandflug-Anteil von nur 0,6 Prozent schenkt das zwar nicht so ein wie in unseren grösseren Nachbarländern Deutschland (MWST 19 Prozent), Österreich (20 Prozent) oder Frankreich (19,6 Prozent), doch der Bund sollte Inlandflüge trotzdem nicht auch noch mit Mehrwertsteuergeschenken subventionieren.

CO2-Emissionsabgabe

Laut dem europäischen Dachverband Transport and Environment (T&E) haben sich beim Flugverkehr die klimaschädlichen Treibhausgasemissionen in den letzten zwanzig Jahren mehr als verdoppelt. In der Schweiz ist die Luftfahrt bereits heute zu über 14 Prozent für den Klimaeffekt verantwortlich. Geht die Entwicklung so weiter, wird dieser Anteil gemäss WWF bis 2020 um weitere 10 Prozentpunkte anwachsen. Auf der Strecke von Basel nach Wien verursacht eine Person, die im Flugzeug reist, durchschnittlich 1’052 Kilogramm CO2, eine Person mit dem Auto 91 Kilogramm und mit der Bahn 6 Kilogramm CO2. Die Europäische Union ist einen Schritt weiter als die Schweiz und hat ihr Emissionshandelssystem (EHS) Anfang 2012 auf die Luftfahrt ausgedehnt. Die Airlines müssen für jede Tonne CO2 zahlen, die die Flieger in die Luft blasen. Zwar regt sich auch hier Widerstand – das EHS für interkontinentale Flüge wurde für 2012 rückwirkend ausgesetzt, weil sich Länder wie China und die USA massiv wehrten und nun nach einer internationalen Lösung gesucht wird –, doch die EU will die klimaschädlichen Airlines zur Kasse bitten. Rund zwei Euro zahlen die Passagiere pro Flug für die CO2-Emissionen. Übrigens hat T&E nachgewiesen, dass die Airlines den Fluggästen die noch nicht anfallenden EHS-Kosten 2012 bereits in Rechnung stellten. Zwischen 243 und 486 Millionen Euro sollen sie so in die Tasche gesteckt haben.

Luftverkehrssteuer

Während Länder wie Deutschland, Frankreich, Österreich oder Grossbritannien für jeden Passagier, der von einem Flughafen im Inland abhebt, eine Luftfahrtverkehrssteuer verlangen – in Deutschland 7,50 Euro pro Person bei einem Kurzstreckenflug und 42,18 Euro pro Langstreckenflug –, ist hierzulande noch alles gratis. Das Departement Leuthard macht keinerlei Anstalten, um dem Parlament eine vergleichbare Abgabe für alle abfliegenden Passagierinnen und Passagiere vorzuschlagen.

Im Schlaraffenland

Fliegen ist ein Privileg der Reichen. Über 90 Prozent der Weltbevölkerung hat noch nie ein Flugzeug von innen gesehen. Gemäss einer Studie im Auftrag des Bundesamts für Zivilluftfahrt (Bazl) fliegen wir Schweizerinnen und Schweizer fast doppelt so viel wie Einwohner unserer Nachbarländer, nämlich 1,3 Flugreisen pro Kopf (nach Abzug von Umsteigern und Incoming-Reisen), und damit fast doppelt so hoch wie in Deutschland und Österreich (ca. 0,7) und mehr als doppelt so hoch wie in Frankreich und Italien (ca. 0,5). Ein regelrechter Boom ist bei den Ferienflügen festzustellen. Seit 1950 haben die Flugbewegungen von Schweizer Flughäfen um den Faktor 14 zugenommen. Einzig nach dem 11. September 2001 war ein Rückgang zu verzeichnen. Betrachtet man die Steuerprivilegien der Schweizer Luftfahrt, verwundert das wenig. Schweizer Flughäfen profitieren zusätzlich von zinsgünstigen Krediten und die Kosten der Flugsicherung werden weitgehend vom Bund übernommen. Müsste der Flugverkehr alle direkten und indirekten Kosten selber zahlen, wäre der Aufenthalt über den Wolken schätzungsweise dreimal teurer. Herzlich Willkommen im Flugschlaraffenland Schweiz.