Index In einem gemeinsamen Aufruf machen das UN-Kinderhilfswerk UNICEF und die Kinderrechtsorganisation ECPAT auf die weit verbreitete sexuelle Ausbeutung von Kindern in der tschechischen Grenzstadt Cheb aufmerksam. Sie fordern sowohl von Tschechien als auch von Deutschland mehr Engagement gegen den Sextourismus. Die Forderung basiert auf einer Studie, welche UNICEF anfangs Juni in Prag vorgestellt hat. UNICEF hatte 844 Kinder in Cheb und 741 in Prag befragt – alle waren im Alter von sieben bis 15 Jahren. Besonders erschreckend waren die Aussagen der Kinder aus Cheb: Von ihnen halten 43 Prozent Prostitution für eine gute Erwerbsmöglichkeit, wenn man keine Ausbildung hat. Fast zehn Prozent können sich vorstellen, sich selbst zu prostituieren. Drei Viertel wissen, dass es in der Stadt Kinderprostitution gibt, 29 Prozent wollen selbst schon welche gesehen haben und 14 Prozent gaben an, dass ihnen ein Erwachsener Geld für Sex angeboten habe. Die Behörden von Cheb haben das Untersuchungsergebnis von UNICEF zurückgewiesen. Es sei aber richtig, so Blanka Kosinova, die Sprecherin des tschechischen Polizeipräsidiums, gegenüber Radio Prag, „dass Interessenten an Kinder-Prostitution hierher fahren und dass die Kommunität der Roma dies auch ausnutzt. Ein Beleg dafür sind 60 Fälle von Betrug, bei denen stets eine Prostitution angeboten wird, die jungen Anbieter sich aber sogleich mit dem Geld der Klienten aus dem Staub machen. Zum Sex kommt es dabei selbstverständlich nicht.“ Doch die erschreckenden Berichte über die Situation in Cheb sind nicht neu. Bereits im Juli 2000 schilderte das deutsche Magazin „Der Spiegel“, wie „ganze Busladungen“ deutscher Sextouristen nach Cheb reisten, wie mit Kindern unter zehn Jahren Kinderpornos gedreht wurden und wie die tschechischen Behörden die Szene schon damals ignorierten. Sie wollten auch den Dokumentarfilm des Reporters Gerd Glaser nicht anschauen, den dieser für die ProSieben-Sendung „Prompt“ (ausgestrahlt am 18. Mai 2005) in Cheb gedreht hatte. Stattdessen wurde er von der Polizei in Cheb vier Stunden lang „wie ein Schwerverbrecher“ verhört. Mittlerweile hat sich das tschechische Innenministerium bei Glaser entschuldigt. ECPAT Deutschland und UNICEF haben im 2003 den Bericht „Kinder auf dem Strich“ veröffentlicht und darin den sexuellen Missbrauch von Kindern im deutsch-tschechischen Grenzgebiet beschrieben. Eine Arbeitsgruppe aus deutschen und tschechischen Behördenvertretern beschloss in der Folge ein umfangreiches Arbeitsprogramm, das aber bis heute so gut wie nicht umgesetzt ist. Das sächsische Innenministerium stellte gar die Fördermittel für den Verein KARO e.V. ein, der nun – allein durch private Zuwendungen finanziert – nur noch mit zwei Sozialarbeiterinnen Opfer von sexuellen Missbräuchen im Grenzgebiet unterstützen kann. Deshalb appellieren UNICEF und ECPAT erneut an die tschechischen und deutschen Behörden: Sie fordern eine konkrete Zusammenarbeit auf allen Ebenen und verstärkte Anstrengungen, zum Beispiel durch verdeckte Ermittlungen. Weiter fordern sie ein intensives Training von Polizei und Bundesgrenzschutz, Aufklärungskampagnen im Grenzgebiet und finanzielle Unterstützung von Hilfsorganisationen wie KARO e.V. „Die Politiker müssen ihre Versprechungen einhalten“, verlangt Mechtild Maurer, Geschäftsführerin von ECPAT Deutschland. „Die deutsche Seite hat zum Beispiel eine Aufklärungsaktion an der Grenze und Schulungen bei Bundesgrenzschutz und Polizei zugesagt. Geschehen ist bislang viel zu wenig.“ /na

Quellen: Informationen von Mechtild Maurer, Geschäftsführerin von ECPAT Deutschland; Radio Praha, 15.6.2005 www.radio.cz,; Aufruf von UNICEF und ECPAT, 3.6.2005; www.prosieben.de, 18.5.2005; Der Spiegel 29/2000