Skandalöse Lohndiskriminierung in Gastgewerbe und Detailhandel: Der Tieflohn hat ein Geschlecht
Dass in allen Branchen ein Lohnunterschied zwischen den Geschlechtern besteht, ist bekannt. Wie markant dieser aber in den Tieflohnbranchen Gastgewerbe und Detailhandel ausfällt, ist ein eigentlicher Skandal. Im Gastgewerbe etwa verdienten 1998 über die Hälfte der Beschäftigten unter 3’000 Franken netto. Bei den Frauen nahm der Anteil von 38 Prozent in 1995 auf 56 Prozent der Beschäftigten in 1998 zu, das bedeutet eine Zunahme von 18 Prozent! Bei den Männern ist der Anteil derjenigen, die weniger als 3’000 Franken verdienen, zwar ebenfalls stark angestiegen, aber mit 42 Prozent der Beschäftigten sind es doch deutlich weniger als bei den Frauen. Es ist ein Wunder, dass Frauen, die im Gastgewerbe arbeiten, überhaupt ihr Leben bestreiten können.
So lautet der ernüchternde Befund der Lohnanalyse, welche die Dienstleistungs-Gewerkschaft unia durch das Büro für Arbeits- und Sozialpolitische Studien (BASS) durchführen liess, um Aufschluss über die Struktur und Entwicklung der Löhne in Gastgewerbe und Detailhandel, insbesondere den Anteil an nicht existenzsichernden Löhnen, zu erhalten.
Weiter zeigt die Studie, dass sich üblicherweise lohnerelevante Kriterien wie Qualifikation und Berufserfahrung für die Frauen in diesen Branchen nicht auszahlen. Der Anteil der Frauen mit Tieflöhnen nimmt mit steigender Qualifikation und Erfahrung nicht ab. Die Tieflöhne bei Frauen sind auch kein vorübergehendes Phänomen von jungen Berufseinsteigerinnen. Diese Zahlen zeigen eindeutig, dass der Wert der Frauenarbeit geringer geschätzt wird als der Wert der Männerarbeit. Nur so lassen sich letzlich die frappanten Lohnunterschiede erklären.
Zur Verdeutlichung einige Vergleichszahlen aus der Schweizer Wirtschaft: Während der Durchschnittslohn der Männer bei 5’915 Franken pro Monat liegt, beträgt derjenige der Frauen nur 4’550 Franken. 22 Prozent aller erwerbstätigen Frauen verdienen weniger als 3’000 Franken netto (dies entspricht ca. 3’400 Franken brutto). Bei den Männern sind es nur gerade 7 Prozent. Während in der Gesamtwirtschaft die Lohnschere zwischen Frauen und Männern gleich weit offen bleibt, hat sie sich vor allem im Gastgewerbe deutlich weiter geöffnet.
Es ist deshalb dringend notwendig, dass sich die Gewerkschaften mit der Kampagne „Keine Löhne unter 3’000 Franken“ und die Politikerinnen und Politiker für eine Korrektur der Lohnpolitik einsetzen. Die Gewerkschaft unia hat die existenzsichernden Löhne, vorab für die Frauen, als oberstes Ziel gesetzt. Die Bevölkerung soll erfahren, in welchem Ausmass Arbeitgeber auf Kosten der Angestellten, insbesondere der Frauen, eine Tieflohnpolitik betreiben.
Im Frühling 2000 beginnen die Lohnverhandlungen über die Mindestlöhne im Gastgewerbe. Die Gewerkschaft unia hat beschlossen, eine Erhöhung von 300 Franken zu fordern. Ab Januar 2000 beträgt der Mindestlohn der untersten Lohnkategorie lediglich 2’410 Franken brutto. Mit einer Erhöhung auf 2’710 Franken brutto würde ein wichtiger Schritt in Richtung 3000 Franken netto erfolgen.
von Myriam Duc, Gewerkschaft unia Bern
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