Es gilt als das "weisse Gold": Elfenbein ist vor allem für die neu entstandene Oberschicht in China und Vietnam das begehrenswerte Prestigeprodukt schlechthin, vorab als Kunstwerke in Form von mehr oder weniger gelungenen Schnitzereien. So sind die Preise mittlerweile ins Unermessliche gestiegen, weshalb die Wilderei und der illegale Elfenbein-Handel ein Ausmass erreicht haben, das die düsteren Elfenbeingeschäfte der letzten 25 Jahre bei weitem übertrifft.
Zu diesem Schluss kommen ein Report der Wildschutz-Organisation "Born Free" und die Datenanalyse der Nichtregierungsorganisation "C4ADS", die NBC News ausführlich vorgestellt hat. Im Jahr 2013 wurden weltweit 50 Tonnen Elfenbein beschlagnahmt; 45 Tonnen davon betrafen umfangreiche Lieferungen, die eindeutig auf das organisierte Verbrechen zurückzuführen waren. Dies ist dem Report "Out of Africa: Mapping the Global Trade in Illicit Elephant Ivory" zu entnehmen. Darin wird der globale Handel mit verbotenem und ausschliesslich von Elefanten stammendem Elfenbein untersucht.
Wie viele der grauen Riesen getötet werden, um die Gier nach Elfenbein zu stillen, ist schwierig einzuschätzen. Allerdings liegen Berechnungen vor, dass bei einer geschätzten Gesamtpopulation von 450’000 Elefanten, jährlich mindestens 20’000 Dickhäuter wegen ihrer Stosszähne ihr Leben lassen müssen. Doch dürfte diese Zahl wahrscheinlich noch deutlich höher liegen.

Problemland Tansania

Angetrieben wird die grausame Abschlachtung fast ausschliesslich durch die enorme Nachfrage aus China, dem grössten Elfenbeinmarkt weltweit. Die Stosszähne und Nashörner werden über verschiedene Länder Afrikas und des Fernen Ostens geschmuggelt. Während in Kenia der Export hauptsächlich über den Hafen von Mombasa und den internationalen Flughafen "Jomo Kenyatta" in Nairobi abgewickelt werde, stünden in Tansania die Häfen der Hauptstadt Dar-es-Salaam und Sansibar im Vordergrund. Als weitere Ausgangspunkte nenne der Bericht von "Born Free" die Flughäfen in Addis Abeba und Johannesburg.
Es ist bereits der zweite Report einer Reihe von Berichterstattungen, die von den Organisationen "Born Free" und "C4ADS" zum Elfenbeinhandel publiziert wurden. Im Fokus steht die Untersuchung der komplexen Zulieferketten, die eine Verschiebung des Elfenbeins von Afrika nach Asien erst möglich machen. Die Schmuggelware wird meist in den mit legaler Fracht beladenen Schiffscontainern versteckt und so exportiert. Der wirtschaftlich immer grösser werdende Einfluss Chinas fördert zusätzlich die Wilderei und erleichtert das Wegschaffen des Elfenbeines. Bereits heute ist China der grösste Handelspartner und zweitwichtigste Investor von Tansania. Nach chinesischen Angaben ist das Handelsvolumen im Jahr 2013 um 45 Prozent auf 3.7 Milliarden US-Dollar gestiegen. Mit chinesischer Hilfe sollen in Bagamoyo eine Sonderwirtschaftszone und ein neuer Containerhafen für zehn Milliarden US-Dollar errichtet werden. die Vorbereitungsarbeiten dazu sollen noch diesen Herbst starten. Mit dem Bau eines neuen Hafens in Marahubi auf Sansibar hat eine chinesische Firma bereits begonnen. Bis in drei Jahren sollen hier jährlich 200’000 Container verschifft werden. Ist angesichts dieser gewaltigen Mengen und der Niederlassung von immer mehr Chinesen und Chinesinnen in Ostafrika eine wirksame Kontrolle des Elfenbeinhandels überhaupt noch möglich?

Schwache CITES

Die Zukunft scheint düster, zumal das 1989 durch das Washingtoner Artenschutzübereinkommen (CITES) verhängte Handelsverbot für Elfenbein die Nachfrage nur kurzfristig einzudämmen und lediglich die westlichen Märkte auszutrocknen vermochte. Gleichzeitig veränderte es negativ den Markt: Aus dem einstigen handwerklichen Kleingewerbe entwickelte sich ein milliardenschweres, kriminelles Geschäft, das sich über ganze Kontinente hinweg zieht.
Nachdem das chinesische Kulturministerium im Jahre 2006 Elfenbein zum "unangreifbaren Kulturerbe" erklärt hatte, gewährte CITES den Behörden den einmaligen Verkauf von 62 Tonnen beschlagnahmter Ware. Dies zur Unterstützung des Schnitzerei-Gewerbes. Seither gibt die Regierung für die rechtmässige Nutzung jährlich fünf Millionen Tonnen Elfenbein frei. Der Bericht von "Born Free" weist auch auf bedeutende Lücken im Vollzug der Gesetze hin. Es ist zu vermuten, dass sich das Schwarzmarkt-Elfenbein sogar auf legale Art weisswaschen lässt. Allerdings ist unklar, wie viel das mengenmässig sein könnte.

Milliarden-Geschäft

Gemäss Adam Roberts, Geschäftsführer von "Born Free", bewegt sich das heutige Elfenbeingeschäft auf dem bislang höchsten Niveau seit dem weltweit geltenden Handelsverbot von 1989. In China sind die Grosshandelspreise explodiert. 2014 kostet ein Kilogramm rund 2’100 US-Dollar. Damit übersteigt die heutige Summe den im 2010 verlangten Preis um das Fünffache! Festzuhalten ist zudem, dass das weisse Gold auf seinem Weg vom afrikanischen Busch bis zum Verkauf im Einzelhandel eine bis zu viertausendfache Preissteigerung erfahren kann.
Der kriminelle Handel schlägt sich auch in einem massiven Geldabfluss nieder, der die ärmsten Teile Afrikas ausbluten lässt. Davon scheinen international organisierte Verbrecher-Syndikate, Bandenchefs, korrupte Politiker, sogar Extremisten, Rebellen und Terroristen zu profitieren.

Organisierte Kriminalität

Roberts erklärte gegenüber NBC News, dass der ganze illegale Elfenbeinhandel perfekt durchorganisiert sei: Im Busch töteten afrikanische Wildererbanden zuerst die Elefanten oder Nashörner, dann brächten sie das erbeutete Elfenbein oder die Nasenhörner bis zu einem Seehafen, wo sie die Ware an asiatische Verbrechersyndikate verkauften, die dann den internationalen Transport und Weiterverkauf bewerkstelligten. Seine Aussagen bekräftigt die Tatsache, dass zwischen 2009 und 2014 über 90 umfangreiche Beschlagnahmungen mit einem Gesamtgewicht von knapp 170 Tonnen Elfenbein vorgenommen worden sind. Sie alle trugen zweifelsfrei den Stempel des international organisierten Verbrechens. Das heisst auch, dass in weniger als sechs Jahren schätzungsweise 230’000 Elefanten ihr Leben lassen mussten.
Die Untersuchungen der beiden Organisationen ergaben, dass über neunzig Prozent der abgefangenen Sendungen für Asien bestimmt waren. C4ADS stützt sich dabei auf die seit 2008 grössten Beschlagnahmungen von illegalem Elfenbein. Dafür wurden nebst frei verfügbaren Informationen Medienberichte, Geschäftsunterlagen sowie Steuerbelege ausgewertet und unter dem Titel "Elephant Trade Information System" eine repräsentative Datenbank zum Geschäft mit den Dickhäutern aufgebaut.
In Afrika wurden beinahe in jedem der involvierten Staaten mehrheitlich chinesische Elfenbeinschmuggler festgenommen. Es scheint, dass sie fast von sämtlichen Stationen der Zulieferkette aus aktiv sind. Denn die illegale Ausfuhr kann nicht ohne geheime Absprachen oder Kooperation mit den einzelnen Akteuren bewerkstelligt werden: Dazu gehören Frachtunternehmen, Schiffsmakler, Speditionsangestellte und Zollbeamte, Dockarbeiter sowie Vertreter der Hafenbehörden. Die asiatischen Banden versuchen, ihre Gewinne dadurch noch zu steigern, indem sie möglichst kurze Wege wählen und in Afrika ihre kriminellen Aktivitäten immer näher direkt an den Beschaffungsort verlegen. In China errichten sie illegale Schnitzerei-Fabriken, wo das Elfenbein gleich für den Einzelhandel verarbeitet wird.
Ein Hinweis auf die Verwicklung chinesischer Verbrecherbanden ist der Fall des 45-jährigen Chinesen Yu Bo, der beim Versuch, 81 Stosszähne von Elefanten im Hafen von Dar-es-Salaam ausser Landes zu schmuggeln, von der Polizei verhaftet wurde. Ein tansanisches Gericht hatte ihn darauf zu einer Geldstrafe von sechs Millionen US-Dollar verurteilt. Da er die Busse nicht bezahlen konnte, muss er nun für zwanzig Jahre hinter Gitter.

China im Visier

Zwar hat die chinesische Regierung neuerdings eine Aufklärungskampagne für das Überleben der Elefanten in die Wege geleitet, doch zeitigt diese offensichtlich noch keine grosse Wirkung. Am 10. Juni 2014 beschlagnahmten Zollbeamte am internationalen Flughafen von Hongkong das Gepäck von 15 vietnamesischen Passagieren. Gemäss der Zollbehörde wurden dabei 790 Kilogramm Elfenbein aus Angola mit Bestimmungsort Kambodscha konfisziert. Die international tätige Wildtierschutz-Organisation Traffic stellt fest, dass das Elfenbein in zunehmendem Masse über Vietnam und Kambodscha nach China eingeschleust wird. Zudem würden die Bemühungen zur Zerschlagung des Schmuggels durch die Tatsache erschwert, dass im Lande selbst ein legaler Elfenbeinmarkt existiert.
Born Free-Chef Roberts sagt im NBC News-Beitrag unmissverständlich: "Es ist klar: China ist das Problem. Der Markt ist offen und unüberschaubar gross. Es sind unzählige chinesische Unternehmungen involviert, die alle wissen: Sobald es gelingt, das Elfenbein ins Land zu schaffen, ist damit Profit zu machen. Solange die Regierung diese Geschäfte zulässt, fördert sie weiterhin das Abschlachten der Elefanten." Ausserdem brauche es in Afrika signifikant schärfere Abwehrmassnahmen, damit der Elfenbeinhandel auch für die Wilderer unattraktiv werde.