Eine von sexueller Gewalt gezeichnete Lebensgeschichte in der Schweiz

Während sechs Jahren haben Stefan Studer, Projektmitarbeiter bei terre des hommes schweiz in Basel, und die Basler Fotografin Christina Peter mit Sonja Tanner Gespräche geführt. Die Frau, die im Buch Sonja Tanner heisst, hatte aufgrund der Publikation "Gebunden im Schweigen" der Kampagne gegen Kinderprostitution mit Stefan Studer Kontakt aufgenommen, um davon Zeugnis abzulegen, dass die kommerzielle sexuelle Ausbeutung keineswegs allein in den fernen Reisländern vorkommt, sondern auch in der Schweiz. Sonja Tanner ist im Aargau und später in Zürich aufgewachsen. Mit neun Jahren bereits wurde sie von ihrem Stiefvater regelmässig vergewaltigt. Er verkaufte sie auch an Arbeitskollegen und Verwandte und zwang sie mit dreizehn Jahren zur Strassenprostitution. Was die sexuelle Gewalt für ihr Menschenleben bedeutet, ist beinahe unfassbar. Das Unfassbare in Worte und Bilder zu fassen, das gelingt in diesem Buch auf eindrückliche Art und Weise. Sonja Tanner erzählt, Christina Peter und Stefan Studer durchleben mit ihr die Geschichte, die sie je auf ihr eigenes Leben zurückwirft. Und alle drei geben ihrem Erleben der Geschichte dieser "verratenen Kindheit" Ausdruck. Schlicht, in knappen Sätzen, schnörkellosen Erklärungen und schwarz-weiss Bildern, nie reisserisch, nie voyeuristisch. Mit dieser gemeinsamen Form bauen sie eine Brücke zur Leserin, zum Leser, eine Möglichkeit überhaupt einzusehen, was es für Sonja Tanner bedeutet, wenn sie sagt: "Ich habe kein Verbrechen begangen und doch ‹lebenslänglich› bekommen".