Maccheroni, Tagliatelle, Vermicelli … der grosse Historiker der europäischen Ernährungsgeschichte Massimo Montanari hat mit 'gusto' ein kleines Meisterwerk über die Mutter aller italienischen Gerichte verfasst. Gibt es etwas typischer italienisches als Spaghetti al pomodoro?

Elegant und aus seinem grossen Forschungswissen schöpfend erzählt Massimo Montanari die Geschichte dieses Gerichts und räumt dabei mit jeder Menge kursierenden Halbwahrheiten und Vorurteilen auf.Wir erfahren, wie die Pasta als Variante des orientalischen Fladenbrots entstand, wie die Araber einen neuen Typ aus Hartweizen verbreiteten und in Sizilien schon im 12. Jahrhundert industrielle Fertigung eingeführt wurde (kein bisschen handgemacht von der Mamma…). Und dass die getrocknete Pasta zwei Stunden gekocht wurde (von ‹al dente› keine Spur!).

Pfeffer und Hartkäse kommen ins Spiel, erst viel später Tomaten in Form der ’spanischen Sauce› auf den Teller und dann die Gabel auf den Tisch. Die Raffinesse zieht ein mit Peperoncino, Knoblauch und Zwiebel, die Farbe mit dem Basilikum; und natürlich geht es auch ums Olivenöl – von dem jeder gern behauptet, das beste komme aus seiner Gegend.

Und: Montanaris kleine Kulturgeschichte geht weit über dieses so einfache und feine Gericht hinaus! Er zeigt, wie die Konzentration auf das (vermeintliche) Herkunftsgebiet und die ‹Geschichte› zu Intoleranz und Fanatismus führen und wie die Ursprünge der Pasta mystifiziert werden. Eine leicht geniessbare, aber gehaltvolle und unterhaltsame Lektüre – genau richtig in reise-freien Zeiten: der Traum von Italien! 

Massimo Montanari: Spaghetti al pomodoro. Kurze Geschichte eines Mythos. Wagenbach Verlag, 2020, 144 Seiten, fester Einband, CHF 27.50. ISBN 978-3-8031-1354-2