Das Thema Nachhaltigkeit ist in den Schweizer Reisebüros angekommen: Das belegt die ungewöhnlich hohe Untersuchungsbeteiligung von 31 Prozent an der Online-Umfrage zur "Nachhaltigkeit im Reisebüro", mit der erstmals ein repräsentatives Bild über den Stellenwert der Nachhaltigkeit im stationären Vertrieb vorliegt, das sich mit ensprechenden Erhebungen in Deutschland und Österreich vergleichen lässt. Mit der Umfrage hat sich der SRV eine Basis zur Entwicklung von Strategien geschaffen, um das Thema Nachhaltigkeit noch stärker in den Reisebüros zu verankern.
Die Ergebnisse lassen aufhorchen. Sie belegen, dass die Reisebüros der Schweiz mehr Bereitschaft zum Engagement zeigen als in Deutschland und Österreich und die Kundschaft das auch stärker erwartet. Das zeichnet zum einen die Arbeit des Schweizer Reise-Verbands mit seiner Fachgruppe für Umwelt und Nachhaltigkeit aus. Zum anderen ist es – just zur Lancierung des neugestalteten fairunterwegs-Reiseportals – Wasser auf unsere Mühlen: Es scheint, dass die kontinuierliche Sensibilisierung der Fachstelle in Basel über bald vier Jahrzehnte Früchte trägt. Offensichtlich besteht heute eine akute Nachfrage nach genau den konkreten Tipps und Empfehlungen, die fairunterwegs.org gibt, und ebenso nach Präsenzschulungen, wie sie der arbeitskreis tourismus & entwicklung anbietet und in Zusammenarbeit mit dem SRV laufend weiter optimiert.
Nachfolgend das Fazit der Studie im Wortlaut:  

  1. Nachhaltigkeit spielt bei den Kunden der Schweizer Reisebüros eine grössere Rolle, als dies in Deutschland und Österreich der Fall ist.
  2. Die Kundenerwartungen steigen in der Schweiz in Bezug auf Nachhaltigkeit an. Schweizer Kunden setzen verantwortliches Handeln und Engagement bei den Reisebüros ihres Vertrauens deutlich stärker voraus, als dies in Deutschland und Österreich der Fall ist. Insbesondere die Kunden der französischen Schweiz erwarten hier viel.
  3. Die Bereitschaft für aktives Engagement im Bereich Nachhaltigkeit ist bei Schweizer Reisebüros um einiges höher als in Deutschland und Österreich. Allerdings liegt der Fokus in der Schweiz auf Kundenberatung und Sensibilisierung, während in Deutschland, wie aus den Ergebnissen offener Fragen deutlich wird, "selbst Hand anlegen" zum Beispiel im Bereich Artenschutz, bei Hilfsorganisationen oder bei NGOs als notwendiges und glaubhaftes Engagement gesehen wird. In Deutschland engagieren sich Reisebüros sichtbar, indem sie individuelle Projekte in verschiedenen Nachhaltigkeitsbereichen mitbefördern und aktiv bewerben. Dies wird von den Kunden anerkannt. In der Schweiz wurde derartiges Einzelengagement nicht benannt.
  4. Reisebüros der deutschen Schweiz fühlen sich, anders als die Nachbarländer und die französische Schweiz, ausreichend vorbereitet, um Kunden zu nachhaltigen Produkten zu beraten. Alle Vertreter wünschen sich jedoch mehr Aufklärung zum Thema. Zu unterscheiden ist, dass Reisebürovertreter der französischen Schweiz Basiswissen abfordern, wohingegen in der deutschen Schweiz Aufbauwissen gefragt ist.
  5. Die Schweizer Reisebüros sind der Meinung, dass in der Branche zum Thema viel getan wird, sehen sich aber auch selbst vermehrt in der Verantwortung, mehr in diesem Bereich zu unternehmen. In Österreich und Deutschland wird die Verantwortlichkeit für mehr Nachhaltigkeit im Wesentlichen den Branchenvertretern wie Verbänden und Reiseveranstaltern zugewiesen, weniger dem Reisevertrieb selbst. Es wird mehr Aufklärung, Schulung und brauchbares Handwerkszeug am Verkaufstresen zum Thema erwartet und darüber hinaus eine leichte Identifizierbarkeit eines nachhaltigen Reiseproduktes, das auch von entsprechenden Reservierungssystemen ausgewiesen werden kann.
  6. Nachhaltigkeit ist noch nicht in einem praxisnahen Reiseangebot angekommen. Statt auf Verlässlichkeit von Reiseprodukten setzen zu können, baut der Reisevertrieb vage Hilfskonstruktionen, um sich ein glaubwürdiges nachhaltiges Reiseangebot zurechtzulegen. Interessant ist die äusserst unterschiedliche Wahrnehmung von nachhaltigen Reiseprodukten. Während zum Beispiel Veranstalter wie die TUI in Deutschland und Österreich eher als Vorreiter in Bereich Nachhaltigkeit fungieren, liegen diese bei gleichem Angebot in der Schweiz nur im Mittelfeld. Im Ergebnis ist "das" nachhaltige Reiseprodukt noch nicht gefunden worden. Lösungen sind hier gefragt.
  7. Das Thema "Nachhaltigkeit" ist noch immer zu komplex. Praxistaugliche Vereinfachungen für den Reisevertrieb wurden bisher nicht aufgebaut. Der Reisebüromitarbeiter vermisst verbindliche Standards, um eine nachhaltige Reise buchen zu können. Er vermisst ferner Argumentations- und Verkaufshilfen, um ein nachhaltiges Reiseprodukt glaubwürdig dem Kunden gegenüber zu vertreten. Der Hilfeschrei nach Aufklärung, Informationsmaterial und Präsenzschulung fordert ein gemeinsames Handeln in der Branche heraus.