Die Vorstellung, dass Kinder zu kommerziellen Zwecken sexuell ausgebeutet werden, ist unerträglich. Dass dies weit weg von uns geschieht, etwa in Tourismusländern des Südens, dass auch Reisende aus der Schweiz dabei mittun, ist schlimm genug. Dass Kinder auch in der Schweiz der kommerziellen sexuellen Ausbeutung ausgesetzt sind, war wohl schlicht unvorstellbar und deshalb auch nicht Gegenstand von Untersuchungen. Doch Kinder und Jugendliche werden in der Schweiz sehr wohl Opfer kommerzieller sexueller Ausbeutung, oft beginnend in der Familie, wo Väter ihre Kinder vergewaltigen und dafür bezahlen, wo Mütter, Stiefväter und Verwandte Kinder an Täter „vermieten“, über den Strassenstrich, die Drogenbeschaffungsprostitution, die Pornografie bis hin zu sklavenähnlicher Haltung von Kindern in Bordellen. Das ist das Fazit der Untersuchung der Fotografin Christina Peter und des Mitarbeiters von terre des hommes Schweiz – Basel Stefan Studer. Rund zwei Jahre haben sie recherchiert, sich vorsichtig an diesen völlig tabuisierten Bereich angenähert, mit Betroffenen das Gespräch gesucht, ihre Informationen ausgewertet, mit Fachstellen und Behörden Interviews geführt. 60 Fälle haben sie in der Dokumentation zusammengetragen, ergänzt durch 8 Tiefeninterviews mit Betroffenen. Was diese erzählen, ist erschütternd, unerträglich in der Tat. Zu hoffen bleibt, dass die Forderungen und Empfehlungen – von Soforthilfe bis zu effizienter Prävention – aus der Studie an den zuständigen Stellen gehört und unverzüglich umgesetzt werden. Die kommerzielle sexuelle Ausbeutung von Kindern ist nicht einfach ein individuelles Problem, sondern das Problem einer Gesellschaft, welche diese Form der Ausbeutung generiert und zulässt. Deshalb ist auch zu hoffen, dass die Pionierarbeit von Christina Peter und Stefan Studer zu weiteren fundierten Untersuchungen und, mehr noch, zu einer breiten gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit der Problematik führt.
Recherche im Auftrag der Arbeitsgemeinschaft gegen die kommerzielle sexuelle Ausbeutung von Kindern (arge kipro)/ECPAT Schweiz, Bern 1999, 95 Seiten, Fr. 25.-
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