Der SBSTTA legt eine sehr solide Arbeitsgrundlage vor, welche die Chancen der Inwertsetzung der Biodiversität durch Tourismus, aber auch die Gefahren des Tourismus für die biologische Vielfalt anhand vieler neuer Erkenntnisse über die Auswirkungen des Tourismus kritisch beleuchtet und eine Reihe sehr wichtiger Massnahmen für eine nachhaltige Entwicklung vorschlägt.
Der weltweite Tourismus, nicht allein der sogenannte «Ökotourismus», entwickelt sich grossenteils in ökologische sensiblen Gebieten, die eine hohe biologische Vielfalt aufweisen. Deshalb kommt den Bemühungen, im Rahmen der Biodiversitätskonvention Tourismus auf seine Auswirkungen genau zu analysieren und Richtlinien für eine nachhaltige Entwicklung im Zusammenhang mit Tourismus zu erarbeiten, ein hoher Stellenwert zu.
Angesichts der Wichtigkeit dieses Vorstosses würde der arbeitskreis tourismus & entwicklung es sehr begrüssen, wenn anstelle von empfehlenden Richtlinien ein Protokoll vorgeschlagen würde, das die Massnahmen für eine nachhaltige Entwicklung im Zusammenhang mit Tourismus im Rahmen der Biodiversitätskonvention verbindlicher auszugestalten vermöchte.
Im Hinblick auf eine möglichst griffige Vorlage für die 5. Vertragsstaatenkonferenz der Biodiversitätskonvention im Jahr 2000 in Nairobi, die sich schwerpunktmässig mit «Nachhaltigem Tourismus» befassen wird, möchte der arbeitskreis tourismus & entwicklung (akte) das Grundlagenpapier der SBSTTA in einigen Punkten kommentieren und durch Vorschläge ergänzen.

1) Im Vordergrund steht für den akte eine kohärentere Analyse der wirtschafts- und handelspolitischen Bedingungen, die den Rahmen für einen adäquaten Schutz der biologischen Vielfalt und eine gerechtere Verteilung der Kosten und Nutzen aus den natürlichen Ressourcen im Sinne der Biodiversitätskonvention abstecken.
Aspekte der wirtschaftlichen Implikationen des Tourismus werden in verschiedenen Teilen der SBSTTA-Vorlage andiskutiert (u.a. Abschnitte 8., 9., 11.-13., 27., 30.-33., 38.-43., 83.), ihre Einschätzungen fallen fragmentiert und stellenweise widersprüchlich aus: So wird in den Abschnitten 8. und 9. anhand der Zahlen der Welttourismusorganisation (WTO) auf die hohen Bruttoeinnahmen und die Schaffung von Arbeitsplätzen im Tourismus verwiesen. Abschnitt 26. beklagt die Instabilität der Arbeitsplätze, die Abschnitte 27. und 41. verweisen auf die «leakages» (Devisenabflüsse). Abschnitt 83. weist auf die hohen Kosten für Infrastrukturen in den Tourismusländern hin und stellt, wie Abschnitt 27., fest, dass lokale Unternehmer beim Zugang zu Krediten und Entwicklungsmöglichkeiten im Tourismus oft benachteiligt sind. In den Abschnitten 11. bis 13. wird die harte Wettbewerbssituation auf dem Tourismusmarkt angesprochen, die lokale AnbieterInnen benachteiligt und die Gewinnmargen auf den Angeboten zusammenschmelzen lässt. Das hinterlässt einen verwirrlichen Eindruck und lässt wichtige Fragen über die Umsetzung der vorgeschlagenen Massnahmen offen.

2) Keine nachhaltige Entwicklung ohne Neugestaltung der Tourismuspolitik!
Der weltweite Tourismus ist unbestritten ein erstrangiger Wirtschaftsfaktor. Erkenntnisse über die jüngsten Entwicklungen im Tourismus lassen allerdings viele Fragen über die Wirtschaftlichkeit des Tourismus für Gastregionen, über die Qualität der geschaffenen Arbeitsplätze, die Verteilung der Nutzen und Lasten aus den Aktivitäten sowie ihren Beitrag zur Bekämpfung der Armut zu. Internationale und nationale Tourismuspolitiken, die vornehmlich aus der bedingunslosen Förderung dieses Sektors bestehen, müssen unter diesen Vorzeichen kritisch hinterfragt und neu ausgestaltet werden, wenn Tourismus einen wirksamen Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung leisten soll. Die grundsätzlichen Widersprüche zwischen Förderung und Wachstum des Tourismus und einer nachhaltigen Entwicklung sowie die politischen Konsequenzen daraus werden in der Vorlage der SBSTTA nicht thematisiert.

3) Finanz- und Handelspolitik versus Umweltpolitik?
Welcher politische Spielraum bleibt den Gastländern, ihre kostbaren und vielfach bedrohten Ressourcen wirksam zu schützen, wenn sie – wie viele Länder des Südens – den Tourismus im Rahmen Schuldenpolitik und der vom Internationalen Währungsfonds (IWF) empfohlenen Strukturanpassungsmassnahmen fördern? Der Druck auf die Tourismusländer ist beträchtlich, ihre Ressourcen vorrangig und bedingungslos für die Entwicklung des Tourismus zur Verfügung zu stellen, um schnell Devisen zu erwirtschaften.
Welcher politische Spielraum bleibt einem Tourismusland, seine natürlichen Ressourcen und Biodiversität zu schützen und den Nutzen daraus gerecht zu verteilen, wenn es – wie die überwiegende Mehrheit der Länder der Erde – 1994 beim Abschluss der GATT/GATS-Verhandlungen ein Liberalisierungsprotokoll im Tourismus unterzeichnet hat? Die Freihandelsabkommen gestehen den Unternehmen viele Freiheiten zu, ohne sie gleichzeitig bezüglich sozialer und ökologischer Verantwortung in die Pflicht zu nehmen.
Dieser finanz- und handelspolitische Rahmen wird in der SBSTTA-Vorlage nicht angesprochen. Grundsätzlich stellt sich aber mit der Vorlage zum Tourismus im Rahmen der Biodiversitätskonvention einmal mehr die Frage, welche internationalen Regelungen welche Gewichtung erhalten. Es ist erforderlich, dass die im Rahmen der Biodiversitätskonvention vorgeschlagenen Regulierungen im Tourismus vorrangig in die führenden internationalen finanz- und handelspolitischen Gremien – IWF, Weltbank, regionale Entwicklungsbanken, IFC für die Finanzierung im Privatsektor sowie Welthandelsorganisation (WTO-OMC) – eingebracht werden mit dem Ziel, dass die Anliegen der Erhaltung der Biodiversität sowie der gerechten Verteilung des Nutzens der biologischen Vielfalt durch Tourismus berücksichtig werden bei:

  • Strukturanpassungsmassnahmen durch den IWF
  • Kreditvergaben durch die Weltbank und ihre Töchter
  • Ausgestaltung und Umsetzung der Feihandelsabkommen im Rahmen der WTO-OMC in der kommenden Milleniumsrunde.

Es dürfen keine neuen Aufgaben (z.B. Investitionsabkommen) im Rahmen dieser Milleniumsrunde in die Freihandelsverträge einbezogen werden, bevor nicht die bisherigen Auswirkungen der Freihandelabkommen, insbesondere der GATS-Abkommen im Tourismus auf Natur und Bevölkerung in den Gastländern, sorgfältigst evaluiert sind.

4) Kooperation mit allen Gremien des Rio-Nachfolge-Prozesses
Die Bestrebungen, wie sie aus der Vorlage der SBSTTA hervorgehen, bilden einen ganz wichtigen Schritt für eine Neugestaltung der Tourismuspolitik, die speziell für die nationale Ebene entworfen wird. Um auch auf internationaler Ebene wirksam zu werden, sollten die Massnahmen, wie beabsichtigt, mit den Ergebnissen und der Weiterarbeit der CSD 7 einhergehen, aber auch mit den Arbeiten zur Klimakonvention verknüpft werden. Die gravierenden Auswirkungen insbesondere des Flugverkehrs auf das globale Klima werden lediglich in Abschnitt 25. erwähnt und die Zusammenarbeit mit den Gremien der Klimakonvention ist nicht skizziert. Ebenso wenig findet sich ein Bezug auf die Arbeiten zur Wüstenkonvention sowie zur Walderklärung, die mit Sicherheit auch von Tourismusentwicklungen tangiert werden.

5) Kooperation mit UN-Organisationen sowie der EU
Über den Rio-Folge-Prozess hinaus ist es unerlässlich, dass die Arbeiten zu Richtlinien im Tourismus im Rahmen der Biodiversitätskonvention sich auch auf die Normen, Instrumente und Mechanismen anderer Organisationen der internationalen Staatengemeinschaft abstützen:

  • Die Menschenrechtskommission mit ihren Arbeitsgruppen, die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) wie auch die Europäische Union haben wichtige Regelungen über die Rechte der Indigenen Völker aufgestellt, welche die Regionen mit der grössten biologischen Vielfalt bewohnen und heute zunehmend mit dem Tourismus konfrontiert sind. Sie sind in der Vorlage nicht erwähnt; ebenso fehlt ein Abschnitt, der die spezifischen Kenntnisse indigener oder lokaler "Gemeinschaften" über die Biodiversität hervorhebt und ihre Inwertsetzung für den Tourismus skizziert.
  • Internationale Regelungen zum Schutz von Frauen und Kindern vor Ausbeutung, sexueller Ausbeutung, Kinderarbeit, insgesamt zum Schutz der Arbeitnehmenden vor Ausbeutung am Arbeitsplatz, sind weitere wichtige Stützpfeiler einer neuen Tourismuspolitik im Hinblick auf eine nachhaltige Entwicklung. Die negativen sozio-kulturellen Auswirkungen auf die gastgebende Bevölkerung werden im Papier der SBSTTA zwar angesprochen (u.a. Abschnitte 26. und 27.). Doch Vorstellungen über eine Besserstellungen von Frauen in Tourismusprojekten oder faire Arbeitsbedingungen entsprechend der ILO-Normen, etwa einem Verbot ausbeuterischer Kinderarbeit, die allesamt wirksam zur Entwicklung von ländlichen Gemeinden beitragen könnten, werden nicht entworfen.
  • Die Welttourismusorganisation (WTO) hat den Status einer UN-Organisation und zudem eine Mitgliedschaft aus dem privaten Sektor. Ihre Arbeiten sollten über die in Abschnitt 47. genannten hinaus in die Vorlage der SBSTTA aufgenommen werden; ein aktiver Austausch empfiehlt sich, weil die WTO zur Zeit einen "Global Code of Ethics" erarbeitet, der auch für die Privatwirtschaft eine effiziente Leitplanke für einen verträglicheren Tourismus darstellen soll

6) Transparenz, Kostenwahrheit, Internalisierung der externen Kosten und Umlagerung nach Verursacherprinzip
Die in den Abschnitten 8. und 9. erwähnten «Benefits» des Tourismus, insbesondere die Bruttoeinkünfte, müssen den Devisenabflüssen (27. und 41.), den Infrastrukturkosten (83.), dem erschwerten Zugang zu erschwinglichen Krediten für lokale AnbieterInnen (83. und 27.) gegenübergestellt und ergänzt werden durch die Konkurrenzsituation im Tourismus (11.-13.).

  • Es gilt, nicht weiter mit grob geschätzten Bruttozahlen übermässige Hoffnungen auf das Wirtschaftspotenzial des Tourismus zu wecken.
  • Es bedarf viel realistischerer Rechnungen über das Geld, das überhaupt erst in den Gastländern ankommt und nicht bereits vorher in den Kassen der transnationalen Unternehmen (TNCs) versickert. Die "leakages" im Tourismus sind abhängig von der Einbindung des Tourismus in die lokale Wirtschaft und belaufen sich gemäss Schätzungen der Weltbank auf durschschnittlich 55 Prozent, für kleine Inselstaaten oder wenig entwickelte Ökonomien auf bis zu 90 Prozent. Wichtig ist deshalb, dass Tourismus nie als Monokultur entwickelt wird, und das müsste sich in den "Options for good practices" und dem Strategiekapitel der SBSTTA-Vorlage wiederfinden.
  • "All-inclusive"-Arrangements in TNCs, die Zugeständnisse im Rahmen der GATT/GATS-Abkommen an die TNCs für freie Importe und Nachzug von Arbeitskräften sind bedeutende Posten für Devisenabflüsse, die in Rechnung gezogen und im in Punkt 3) angesprochenen "Inter-Agency-Approach" berücksichtigt werden müssen.
  • Massnahmen, die ein Tourismusland tätigt, um auf dem internationalen Markt konkurrenzfähig und attraktiv zu bleiben, wie Werbung in den Entsendeländern und die Errichtung moderner Infrastrukturen (Flughäfen, Strassen, Wasser- und Stromversorgung etc.) sind weitere, kaum jemals in Rechnung gestellte "leakages".
  • Zudem belasten diese Ausgaben die Staatskassen enorm, genau wie die Anreize für ausländische Investoren (Steuergeschenke, billiger Zugang zu Land, günstige Anschlüsse an Wasser und Strom etc.), die als wichtige entgangene Einnahmen oder versteckte Subventionen erachtet werden müssen. Benachteiligt werden dabei oft die lokalen Investoren und die gesamte Bevölkerung; so müssen in Goa etwa die Einheimischen den vollen Tarif für Wasser und Strom berappen, während die ausländischen Tourismusanlagen Verbilligungen geniessen.

Es geht nicht in erster Linie um die im SBSTTA mehrfach erwähnte Erhebung und Verwendung von Eintrittsgebühren in eine geschützte Zone (u.a. Abschnitte 38. und 39.). Es geht vielmehr um die nationale Förderungs- und Steuerpolitik im Tourismus und die Verteilungsschlüssel eines Haushaltes. Es geht um die Fragen: Was bleibt unter dem Strich an Einnahmen aus dem Tourismus für ein Land oder für eine Region, die über die öffentliche Hand, über Gesundheitswesen und Bildung der bereiten Bevölkerung zukommen könnten? Wie wird das, was bleibt, verteilt? Was kommt letztlich dem Naturschutz und der Erhaltung der Biodiversität zugute? Und wer hat welchen Zugang zu welchem Preis für welche Ressourcen? Die Beantwortung dieser Fragen schafft die Voraussetzung für Transparenz und die verlangte Internalisierung der externen Kosten.

7) Verteilung der Erträge und Partizipation von «Communities»
In Abschnitt 40. schneidet das SBSTTA-Papier an, dass Mechanismen geschaffen werden sollen für eine bessere Verteilung der Erträge an die lokale Bevölkerung, wobei offen gelassen wird, wie dies zu geschehen hat. Die «Case Studies», insbesondere diejenige über die «Firefly watching in Peninsular Malaysia» (Abschnitte 62. und 63.) erzählen von den Schwierigkeiten, die genau damit für «Communities» verbunden sind und zu grossen Konflikten führen können. Von solchen Erfahrungen berichteten auch die Teilnehmenden am Workshop über Tourismus, den der akte gemeinsam mit anderen NGOs 1998 im Rahmen der «UN-Working-Group on Indigenous Peoples» veranstaltet hat .
Noch ist u.E. in der Vorlage der SBSTTA keine genauere Vorstellung darüber entwickelt, wie lokale «Gemeinschaften» frühzeitig so in Tourismusprojekte eingebunde werden können, dass ein umsichtiger Planungsprozess erfolgen kann, der Konflikte über die Verteilung der Erträge vorzubeugen vermag. Es ist dies, wie unsere Partnerorganisationen aus dem Süden immer wieder betonen, auch eine Frage der Zeit: Es braucht Zeit, um breit abgestützte Entscheide und die Vorbereitung auf einscheinende Veränderungen zu ermöglichen, um Vorstellungen, wie wertvolle, althergebrachte Kenntnisse und Fähigkeiten für fremde BesucherInnen in Wert gesetzt werden können, zu konkretisieren, ohne die «Seele» verkaufen zu müssen (Ergänzung in Abschnitt 34. notwendig). Zudem spiegelt die Verwendung des Begriffes «communities» oft eine Einheit vor, die in Realität so heterogen und gespalten ist, wie etwa die ländlichen Gemeinden in den hiesigen Gefilden, wenn es um Interessenvertretungen und neue Verdienstmöglichkeiten geht.

  • Es bedarf einer eingehenderen Konsultation mit betroffenen "Gemeinschaften", um richtungsweisende konkrete Anleitungen für den vollumfänglichen Einbezug der lokalen Bevölkerung in Planung, Bewirtschaftung und Nutzen von Tourismusprojekten erstellen zu können. Sie soll im Strategiekapitel klar formuliert werden.
  • Es bedarf weiter einer klaren Gewichtung der Interessen, ob die Entwicklung des Tourismus in erster Linie die Bedürfnisse der Reisenden oder die Bedürfnisse einer lokalen Bevölkerung zu befriedigen hat, und inwiefern diese Bedürfnisse sich auch ergänzen können. Massstab ist u.E., dass alle Massnahmen, die im Zusammenhang mit Tourismus getroffen werden, vorrangig den benachteiligten Bevölkerungsgruppen, Frauen, Kindern, ethnischen Minderheiten, zugute kommen; das müsste in den "Options for good practices" und dem Strategiekapitel präzisiert werden.
  • Wichtig ist zudem, dass dieser Konsultationsprozess bereits während der Erstellung der Vorlagen für die Vertragsstaatenkonferenz von Nairobi im Jahr 2000 eingeleitet wird, um ein allfälliges Protokoll zum Tourismus im Rahmen der Biodiversitätskonvention nicht von vorneherein im "Top-down-approach" zu konzipieren.

8) Wettbewerb oder die Rechte und Pflichten der privaten Unternehmen
Sehr weit entfernt vom Kompetenzbereich lokaler «Gemeinschaften» liegt die Tatsache, dass rund um den Globus immer mehr Länder dasselbe Rezept (des IWF) zur Sanierung ihrer maroden Wirtschaftslage verfolgen. Die in den Abschnitten 11.-13. festgestellte Konkurrenzsituation auf dem globalen Markt ist eine Folge davon; ergänzt werden müsste hier, dass der Preiszerfall, den die hiesigen KonsumentInnen erfreuen mag und zum weiteren Reisen verleitet, auch auf bestehende Überkapazitäten auf dem weltweiten Tourismusmarkt zurückzuführen ist.
Lokale Tourismusanbieter, Tourismusländer müssen sich heute darüber klar werden, dass die Nachfrage im Tourismus über die Billigpreispolitik weiter geschürt wird, welche die Verdienstmargen immer weiter schrumpfen lässt. Wenn in mehr oder weniger weiter Zukunft auch wirksame Strategien für eine nachhaltige Entwicklung im Zusammenhang mit Reisen greifen, so werden zwangsläufig weniger Flug-, d.h. Fernreisen, aus den wichtigsten Entsendeländern unternommen. Zudem leiden die vielversprechenden «emerging markets», insbesondere in Südostasien, unter der gegenwärtigen Krise. Ungeachtet aller Prognosen von eminenten Wirtschafts- und Tourismusfachleuten kann eine Politik, die mit Tourismus einen Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung leisten will, heute nicht mehr auf quantitatives Wachstum setzen.
Dies schon allein deshalb, weil es im gegenwärtig harten Wettbewerb auf dem globalen Tourismusmarkt für die grossen Reiseveranstalter ein leichtes Spiel ist, Hotels und lokale Anbieter gegeneinander auszuspielen und auf andere Feriengebiete auszuweichen, die ihnen günstigere Konditionen bieten. Dies ist unter anderem auch deshalb möglich, weil Reiseveranstalter kaum jemals längerfristig verpflichtende Abmachungen mit lokalen AnbieterInnen eingehen, die ihnen die Erhaltung natürlicher Ressourcen am Ferienort auch nachhaltig wirtschaftlich sinnvoll erscheinen liessen.
Grosse Tourismuskonsortien haben sich seit Jahren über bestehende Planungsvorgaben und lokale Umweltgesetzgebungen hinweggesetzt. Die Tourismusanlagen, die in grosser Zahl auf den Stränden rund ums Mittelmeer zu nahe am Wasser gebaut wurden, zeugen davon; in Ländern des Südens, etwa in Indien (Goa), werden nach wie vor Hotels in Strandschutzzonen erbaut. Es ist nicht allein die umsichtige Planung zum Schutz fragiler Zonen, die – wie Abschnitt 21. monniert – vielerorts fehlt. Es ist schlicht und ergreifend auch die Einhaltung bestehender Normen und Gesetze durch internationale Unternehmen, denen im Rahmen der Freihandelsabkommen weitere Freiheiten zugestanden wurden, ohne sie in sozialer und ökologischer Hinsicht in die Pflicht zu nehmen. Dieser Spielraum ist in internationalen Abmachungen (s. Punkt 2) dieser Stellungnahme) und aufgrund nationaler Gesetzgebungen auszuloten, im Interesse eines wirksamen Schutzes natürlicher Ressourcen im Zusammenhang mit Tourismusentwicklung.
Weiter ist zu genau zu überprüfen, wie umfassend Selbstverpflichtungen der Tourismusbranche den durch die Biodiversitätskonvention vorgesehenen Massnahmen Rechnung tragen, indem sie etwa auch die Nutzen aus der biologischen Vielfalt eines Tourismusortes gerecht verteilen helfen. Ein solides Monitoring von unabhängiger Seite ist hier weiter von Nöten.
Die im SBSTTA-Papier mehrfach zitierten «Eco-Labelling»-Systeme oder auch «Best Practice»-Listen können sicher einen wertvollen Beitrag zur Beurteilung der Verträglichkeit von Tourismusprojekten leisten: Noch gibt es allerdings, wie die Untersuchungen der deutschen Umweltorganisation BUND ergaben , kaum glaubwürdige Labels, die KonsumentInnen eine handfeste Entscheidungshilfe bieten könnten. Das kompliziert vorderhand auch die Sensibilisierungsarbeit in Richtung KonsumentInnen.

9) Weg von der Fixierung auf Devisen! Potenzial und Grenzen des «domestic tourism»
Auch einheimische TouristInnen müssen besser sensibilisiert werden! Wie eine neue Untersuchung des «United Nations Research Institute for Social Development» (UNRISD) über «Emerging National and Regional Mass Tourism in Developing Countries» zeigt , sind etwa in Thailand oder im Südlichen Afrika weitaus die Mehrheit der BesucherInnen von Nationalparks Einheimische. Sie benötigen oder benutzen meist andere Einrichtungen als diejenigen, die auf internationalen Tourismus zugeschnitten werden, und stellen damit auch ein wichtiges Potenzial für einen verträglicheren Tourismus dar, der mehr auf die Bedürfnisse der lokalen Bevölkerung ausgerichtet ist. Seit Beginn der siebziger Jahre wird von verschiener Seite immer wieder auf die Chancen dieses «domestic tourism» verwiesen, doch bislang gibt es, wie UNRISD aufzeigt, keine konsequente Tourismuspolitik, welche diesbezügliche Chancen verstärken und Schwächen, etwa im Bereich der Sensibilisierung dieser TouristInnen, anpacken würde. So lautet denn auch ein Fazit der Untersuchung, dass lokale «Gemeinschaften» oft besser eine andere Aktivität als Tourismus entwickeln sollten, die ihre Bedürfnisse unmittelbarer und wirksamer befriedigt.

10) «Ökotourismus» versus «Mainstream-Mass-Tourism»
Unklar bleibt in der Vorlage der SBSTTA, wann vom sogenannnten «Ökotourismus» die Rede ist, einem Tourismus, der ganz direkt zum Schutz von bedrohten Ressourcen und zur Amortisierung der Kosten aus dem Naturschutz beitragen soll, und wann vom ganz «normalen» Tourismus, der allenfalls in noch höherem Masse die Ressourcen, die Lebensgrundlagen der Bevölkerung eines touristisch genutzten Gebietes gefährdet.

  • Es ist grundlegend wichtig, dass die verschiedenen Formen des Tourismus genau bezüglich ihrer Belastung für Umwelt und Gesellschaft einer Tourismusregion bezeichnet werden. Gerade in "Massentourismus"-Orten können oftmals sehr effektive Massnahmen zum Schutz der Umwelt wie Klär- und Kanalisationssysteme leichter realisiert werden.
  • An Ferienorten wie den Malediven, die in Abschnitt 28. erwähnt werden, können dank der klaren Segregation zwischen Einheimischen und TouristInnen auch negative Auswirkungen auf die Gesellschaft besser kontrolliert werden. Ergänzend müsste hier angefügt werden, dass die ausschliesslich für internationale TouristInnen reservierten Inseln die "leakages" fördern und die Verteilung der Erträge an die gesamte Bevölkerung erschweren.
  • Die Problematik der Nutzung von Parks und Reservaten für Tourismus ist im SBSTTA-Papier angesprochen mit der Aussiedlung von angestammten EinwohnerInnen aus den Schutzgebieten. Das darf künftig nicht mehr geschehen! (Abschnitt 28. ist entsprechend zu ergänzen)
  • Auch wird die Gefahr der Übernutzung von ökologisch fragilen Zonen durch Tourismus, bzw. jagende oder tauchende TouristInnen erwähnt in Abschnitt 19. Nicht diskutiert wird die grundsätzlichere Frage, dass gerade über "Ökotourismus" bislang oft unwegsame, unerschlosse Gebiete für Tourismus geöffnet werden, was der "Biopiraterei", der Sammlung von seltenen Pflanzen oder Lebewesen im Hinblick auf eine lukrative Patentierung, Vorschub leistet . Dem Raub von seltenen Spezies zum Zweck der Patentierung, die auch im Zusammenhang mit Ökotourismus geschieht, ist gerade im Rahmen der Biodiversitätskonvention höchste Aufmerksamkeit zu schenken.
  • Nur sehr generell angesprochen wird die Problematik der Abfall- und Abwasserentsorgung in Tourismusgebieten (Abschnitte 23. und 24.). In den ökologisch fragilen Zonen mit einer oft sehr hohen biologischen Vielfalt, in denen "Ökotourismus" entwickelt wird, sind die Probleme etwa der ungeklärten Abwasser, der chemischen Verschmutzung durch intensive Düngung der Gartenanlagen der Hotels und speziell auch durch importierten Rasen, Fertilizers, Pestizide und Herbizide auf Golfplätzen ganz gezielt und explizit zu bekämpfen, stellen sie doch bereits in den anderen Tourismusorten bislang oft unerkannte oder willentlich vernachlässigte Umweltbelastungen dar.
  • Es gibt mittlerweile verschiedene, sehr aufschlussreiche Untersuchungen über Chancen und Grenzen des sogenannten "Ökotourismus" . Diese Ergebnisse müssten verstärkt im Austausch mit internationalen NGOs wie der Ecotourism Society, WWF International oder IUCN, die sich als Consultants für Tourismus betätigen, aber auch mit Vertretungen indigener "Gemeinschaften" eingebracht und vertieft werden.
  • Es wäre sehr zu begrüssen, wenn auch von Seiten der Gremien zur Biodiversitätskonvention Richtlinien zum "Year of Ecotourism" (2002) erarbeitet und umgesetzt würden!

Wir möchten abschliessend nochmals betonen, dass die SBSTTA-Vorlage eine sehr wertvolle Arbeitsgrundlage bildet; gerade diese Qualität hat uns dazu gebracht, genau hinzuschauen und mit konkreten Vorschlägen die Chancen der Umsetzung der skizzierten Massnahmen zu erhöhen.

Christine Plüss, arbeitskreis tourismus & entwicklung