Stellungnahme zum Bericht «Tourismusförderung des Bundes: Verbesserung von Struktur und Qualität des Angebotes»
Sehr geehrter Herr Bundesrat
Sehr geehrte Damen und Herren
Wir danken Ihnen für Ihre Einladung, an der Vernehmlassung des Berichtes über die Tourismusförderung des Bundes teilzunehmen. Als ausgewiesene Fachstelle, die seit 25 Jahren Reisende und Reisebranche in der Schweiz für umwelt- und sozialverträglichere Formen des Tourismus sensibilisiert und sich dabei auch stark in der Bildungsarbeit in Schule und Fachausbildung engagiert, begrüssen wir insgesamt die Ausrichtung der künftigen Tourismusförderung auf Innovation und im Besonderen die Bestrebungen im Bildungsbereich.
Der arbeitskreis tourismus & entwicklung befasst sich als einzige Organisation in der Schweiz ganz spezifisch mit den Auswirkungen des Tourismus auf die Länder des Südens und des Mittelmeerraumes und verfolgt dazu die Trends im weltweiten Tourismus aufmerksam. Der Tourismussektor hat nicht nur eine wichtige volkswirtschaftliche Bedeutung in der Schweiz. Die Schweiz gehört zu den Ländern mit der weltweit höchsten Reiseintensität: So unternehmen rund 80 Prozent der Schweizer Wohnbevölkerung mindestens einmal jährlich eine Ferienreise von mindestens 3 Übernachtungen. 10,5 Millionen Reisen werden im Inland verbracht, über 12 Millionen führen ins Ausland, davon schätzungsweise gut eine Million in Länder des Südens (Entwicklungsländer). Dass die Entwicklungen im heutigen globalisierten Tourismusmarkt sehr direkt auch Auswirkungen auf den Tourismusstandort Schweiz haben, zeigt der vorliegende Bericht klar auf. Wir nehmen deshalb gerne die Gelegenheit wahr, die vorgeschlagenen Massnahmen aus unserer Sicht zu kommentieren.
1. Tourismuspolitische Stossrichtung
1.1 Wie nachhaltig sind punktuelle Fördermassnahmen?
Die informative Vernehmlassungsgrundlage macht deutlich, wo Schwächen im heutigen Schweizer Tourismus liegen: Teilweise überalterte Infrastrukturen, zu wenig Innovation und fehlende Mittel zur Erneuerung, kleingewerbliche Strukturen und ein stark fragmentiertes Angebot sowie eine kritische Lage im touristischen Arbeitsmarkt aufgrund mangelnder Qualifikation und schlechter Arbeitsbedingungen. Die Steigerung der Produktivität im Schweizer Tourismus soll – so betont der vorliegende Bericht – in erster Linie aus eigener Kraft erfolgen. Zur Unterstützung werden verschiedene Fördermassnahmen vorgeschlagen, die explizit auf einen Strukturwandel abzielen und nicht dazu beitragen sollen, überkommene Strukturen künstlich zu erhalten.
Diese Stossrichtung ist zu befürworten; Anregungen und Vorbehalte dazu führen wir im Kommentar zu den einzelnen Bereichen aus. Doch angesichts der internationalen Wettbewerbsbedingungen, denen sich die Schweiz als «Hochpreisland» im globalisierten Tourismus zu stellen hat, greift u.E. die Sichtweise des Berichtes zu kurz, um den Schweizer Tourismus nachhaltig – im umfassenden Sinne des Wortes – zukunftsfähig zu machen. Das im Bericht verschiedentlich angeführte Argument, dass der Schweizer Tourismus hinsichtlich der internationalen Wettbewerbsfähigkeit mit Mitteln aus der öffentlichen Hand gefördert werden müsse, weil der Tourismus weltweit von unvergleichbar stärkeren Förderungen profitiere, ist nicht stichhaltig – zumindest so lange, als nicht genauer nachgefragt wird, zu welchem Preis diese Tourismusförderungen anderswo erfolgen und auf wessen Kosten sie gehen.
Dass Herr und Frau Schweizer billiger zu Ferien in der Karibik kommen als in der Schweiz, verdanken sie vor allem:
- Den unvergleichbar günstigen Flugtarifen dank Deregulierungen bei gleichzeitiger kräftiger staatlicher Subventionen (Stichwort: Swissair-Rettung), dank weltweit steu-erbefreitem Kerosin und dank der Tatsache, dass die Klimabelastungen des Flugver-kehrs – heute laut Experten dem Klimakiller Nr. 1 unter den Verkehrsträgern – im Verbraucherpreis nicht verrechnet, sondern auf die Allgemeinheit abgewälzt werden. Unter schneearmen Wintern und anderen Auswirkungen der globalen Klimaerwär-mung haben allerdings dann wieder Schweizer TourismusanbieterInnen zu leiden bzw. diese mit entsprechender "Innovation" zu kompensieren;
- Den internationalen finanz- und handelpolitischen Rahmenbedingungen: Viele Länder gerade des Südens fördern den Tourismus im Rahmen ihrer Schuldensanierung (Strukturanpassungsmassnahmen) und der in den Dienstleistungsabkommen (GATS) eingegangenen Liberalisierungsverpflichtungen, welche die überwiegende Mehrheit der Länder der Welt im Tourismus unterzeichnet haben, vielfach noch ohne die Auswirkungen davon einschätzen zu können. Eine Folge davon sind Überangebot und erbitterter Konkurrenzkampf unter den Anbieterländern, welche die Preise für touristische Dienstleistungen in den Keller sinken liessen. In diesem Rahmen gestehen die touristischen Zielländer der internationalen Tourismusindustrie Liberalisierungen und grosszügige Anreize (für Investitionen, Steuerbefreiungen etc.) zu, die es den Ländern und besonders den kleinen lokalen AnbieterInnen schwer machen, überhaupt noch am Tourismus zu verdienen. So kam jüngst auch eine Studie der UN-Konferenz für Handel und Entwicklung (UNCTAD) zum Schluss, dass in vielen Fällen heute die Steuerzahler der armen Länder die Ferien der Reichen subventionieren.
Für Details verweisen wir auf das beiliegende Positionspapier: «Rio+10: Rote Karte für den Tourismus?», das wir im Rahmen des Netzwerkes DANTE von Organisationen aus Deutsch-land, Österreich und der Schweiz im Hinblick auf den kommenden Weltgipfel für Nachhaltige Entwicklung (WSSD) zur Diskussion vorlegen.
Diese Fakten gehören neben dem im Bericht öfters erwähnten hohen Schweizer Franken und den «hausgemachten» Problemen mit zur Standortanalyse, weshalb die Schweizer Tou-rismusanbieterInnen gerade auch gegenüber den billigen Flug- und Fernreisen einen so schweren Stand haben. Diese Art von Förderungswettbewerb im weltweiten Tourismus zeugt von kurzfristiger Denkweise und weist ruinöse Züge auf. Der Bericht zur Tourismusför-derung des Bundes wirft für uns deshalb in erster Linie die Frage auf, was nach Ablauf der Frist der vorgeschlagenen Fördermassnahmen im Schweizer Tourismus geschieht? Zu ver-weisen ist hier auf die laufende Debatte zur Verlängerung des Sondersatzes der Mehr-wertsteuer für Beherbergungsbetriebe, der nach dem Giesskannenprinzip funktioniert und – wie der vorliegende Bericht festhält – die strukturellen Defizite des Tourismus nicht zu behe-ben vermag. Es geht uns nicht darum, einfach vor neuen Förder-Sachzwängen zu warnen, sondern für eine umfassendere, nachhaltige Sichtweise im Tourismus zu plädieren.
1.2 Nachhaltigkeit als Querschnittsaufgabe jedes Politikbereiches
Die tragischen Ereignisse des 11. Septembers und ihre Folgen haben dem Tourismus welt-weit einen historischen Einbruch beschert. In der Schweiz rieb man sich die Augen über das Swissair-Grounding, das auch Einblick gab in die überheizte Entwicklung auf dem Flug- und Fernreisemarkt und berechtigte Fragen zur ökonomischen Nachhaltigkeit in diesem Bereich aufwirft. Bezüglich seiner ökologischen Nachhaltigkeit stehen die Herausforderungen für den Tourismus längst fest; unzählige Konzepte und Papiere warten eigentlich nur noch auf ihre Umsetzung – durch die Privatwirtschaft sicher, aber auch durch die Politik. Untrennbar verbunden damit ist im Konzept der Nachhaltigkeit der dritte Pfeiler der sozialen Dimension: Gerade nach den Ereignissen des 11. Septembers muss sich der Tourismus weltweit der Frage stellen, wie er – als heute wichtigster Wirtschaftszweig der Welt – zur sozialen Gerechtigkeit beiträgt. Die Erfüllung für die Ferienreisenden ist die eine Seite der Medaille; Einkommen, Wohlstand und Partizipation für die gastgebende Bevölkerung im Tourismus ist die Kehrseite, die sich heute auch als Herausforderung dem Schweizer Tourismus stellt.
Im vorliegenden Bericht zur Vernehmlassung über die Tourismusförderung des Bundes erscheint die Nachhaltigkeit ganz schamhaft – wie nachträglich eingebracht – zum Schluss des ersten allgemeinen Kapitels als 1.4.5. Das entspricht in keiner Weise dem Verständnis der Nachhaltigkeit als Querschnittsaufgabe jedes Politikbereiches, wie es neu in der Bundesverfassung verankert ist und in den jüngsten Berichten des Bundes über Fortschritte (Rio+10: Standortbestimmung Schweiz zuhanden UN-CSD, 2001) und künftige Strategie (Strategie Nachhaltige Entwicklung, Ende 2001 zur Vernehmlassung) zum Ausdruck gebracht wurde – bzw. für Tourismus und Freizeit eben nicht! Denn auch die künftige Nachhaltigkeitsstrategie des Bundes begreift den Bereich Tourismus und Freizeit keineswegs als einen für Nachhaltigkeit so relevanten Bereich, wie er ihn in Tat und Wahrheit darstellt. In unserer Stellungnahme zur Nachhaltigkeitsstrategie des Bundes haben wir auf diese konzeptuelle «Leerstelle» zu Tourismus- und Freizeitpolitik hingewiesen. Beiliegend finden Sie unser Positionspapier zur Vernehmlassung der Nachhaltigkeitsstrategie des Bundes.
Dieser Missstand ist mit einem aktiven Engagement seitens der Tourismuspolitik anzugehen. Es wäre im laufenden Internationalen UN-Jahr des Ökotourismus und der Berge und im Zuge der Vorbereitungen auf den kommenden Weltgipfel zur Nachhaltigen Entwicklung (WSSD) in Johannesburg eine einmalig verpasste Chance, bei der Gesuchstellung um künftige Fördermittel für den Tourismus auf eine adäquate Berücksichtigung der Nachhaltigkeit als Querschnittsaufgabe zu verzichten. Dies ist uns um so weniger verständlich, als ausgerechnet im Tourismus dazu ein wegweisendes Konzept vorliegt. Das Tourismuskonzept von 1979/81 zielt auf die «Nachhaltigkeit» vor der eigentlichen Schöpfung des Begriffes ab und steht für ein qualitatives statt quantitatives Wachstum ein, was der Schweiz vermutlich einige Fehlentwicklungen erspart hat, die uns heute teuer zu stehen kommen würden. Mittlerweile haben andere Sektoren wie die Landwirtschaft die Nachhaltigkeit längst viel stärker in ihre politischen Konzepte integriert als der Tourismus, der doch so stark von natürlichen Land-schaften und der Gastfreundschaft der Bevölkerung abhängig ist. Auch wenn Touristiker heute Fragen zu Umwelt, Natur- und Landschaftsschutz oft als lästige Nebenschauplätze wahrnehmen, so stellt doch die Nachhaltigkeit, wie sie mit dem Tourismuskonzept von 1979/81 skizzierte wurde, mit Sicherheit einer der gewichtigsten Standortvorteile des Tou-rismus in der «hochentwickelten» Schweiz dar. Darauf aufbauend braucht es heute eine weit-sichtige, nachhaltige Tourismuspolitik, in die finanzielle Fördermassnahmen eingebettet wer-den können. Diese muss zudem ein integraler Bestandteil der Nachhaltigkeitsstrategie der Schweiz werden.
1.3 Eine integrative, sektorübergreifende Tourismuspolitik erarbeiten
Dazu sind vorab neue Formen der Zusammenarbeit erforderlich, insbesondere auch der ämterübergreifenden Zusammenarbeit, um Synergien zu schaffen, welche punktuelle Fördermassnahmen im Tourismus auch längerfristig zum Tragen bringen. Wir vermissen im vorliegenden Bericht die entsprechenden Querbezüge zu anderen Politikbereichen – Verkehr, Raumordnung und Umwelt, Finanzpolitik insbesondere für strukturschwache Gebiete, internationale Finanz- und Handelspolitik, aber auch Bildungspolitik. Sie sind gerade im Tourismus, der Aktivitäten aus verschiedenen Wirtschaftsbereichen zu einem Angebot bündelt und damit immer Kompetenzbereiche verschiedener Politsektoren tangiert, absolut unerlässlich.
Wir möchten deshalb anregen, dass ein entsprechender Vorstoss für eine nachhaltige Tourismuspolitik umgehend – und nicht erst nach Ablaufsfrist des vorliegenden Massnahmenpaketes – erarbeitet wird: dieser Vorstoss muss über das auf die Sicherung der Tourismusförderung ausgerichtete Konzept des Grundlagengesetzes für den Tourismus hinausgehen. Diese Aufgabe soll vom neu zu schaffenden tourismuspolitischen Kompetenzzentrum in Angriff genommen werden, das mit dem Monitoring der touristischen Entwicklung und der Lancierung von zukunftsweisenden Projekten betraut werden soll. Werden dabei der globalisierte Kontext des heutigen Tourismus und die Erfordernisse der Nachhaltigkeit für eine zukunftsfähige Entwicklung adäquat einbezogen, wird auch besser ersichtlich, welche Schwerpunkte zu setzen und welche relevanten Akteure aus Politik, Wirtschaft aber auch Nichtregierungsorganisationen und Verbänden in die Ausarbeitung einer nachhaltigen Tourismuspolitik einbezogen werden müssen. Wichtige Eckpunkte einer solchen Politik sind über Förderungen von Tourismusinitiativen hinaus die Schaffung von attraktiven Möglichkeiten zur Naherholung, die Förderung ökomobiler Verkehrsformen bei gleichzeitigem Einsatz von Lenkungsmassnahmen für nicht nachhaltige Formen der Mobilität sowie eine weitreichende Sensibilisierung der Reisenden (s. dazu auch Kapitel 8 in: «Rio+10: Rote Karte für den Tourismus?» und die Anregungen in unserer Stellungnahme zur Nachhaltigkeitsstrategie des Bundes).
2. Kommentare zu den einzelnen Bereichen der vorgeschlagenen Fördermassnahmen
2.1 Verlängerung von InnoTour
Das Programm zur Förderung von Innovation und Zusammenarbeit im Tourismus hat gemäss der vorliegenden Evaluation einen guten Leistungsausweis erbracht. Allerdings waren bereits die bisherigen Mittel nicht ausreichend für die eingereichten Projekte. Wenn nun auch neue Aufgaben insbesondere auch für Bildung und Forschung aus den InnoTour-Mitteln bestritten werden sollen, muss das Programm entsprechend finanziell ausgestattet werden. Die Einführung von neuen, innovativen Produkten im Tourismus darf im Rahmen der knappen Mittel nicht dadurch benachteiligt werden, dass nun vermehrt auch Studien und Abklärungen gefördert werden, die als Grundlage für eine langfristige Konsolidierung des Schweizer Tourismus ebenfalls unabdingbar sind.
Die Nachhaltigkeit ist im Prinzip in Art. 3 des Bundesbeschlusses enthalten und muss bei der Vergabepraxis unbedingt berücksichtigt werden. Es ist uns in diesem Zusammenhang unverständlich, weshalb das mit InnoTour-Geldern geschaffene Qualitätssiegel für den Schweizer Tourismus die Umweltkriterien nicht umfassend berücksichtigt. Die Erarbeitung von Kriterien und Indikatoren im Nachhaltigkeitsbereich erscheint uns als vordringliche Aufgabe, damit klare Vorgaben gemacht und Fortschritte gemessen werden können. Dazu gehören nicht allein Umweltstandards, sondern auch Vorgaben für sozialpolitische Belange wie Arbeitsbedingungen, existenzsichernde Löhne etc. Ein guter Service und Gastfreundlichkeit sind elementare Bestandteile des Ferienerlebnisses und müssen deshalb durch die breite Partizipa-tion der gastgebenden Bevölkerung am Tourismusgeschehen gesichert werden. Weitere Bestandteile einer Beurteilung sind die gezielte Förderung von strukturschwachen Gebieten sowie die Einbettung der Tourismuswirtschaft in die Regionalentwicklung. Gerade hierzu erweisen sich die Lokalen Agenda 21-Prozesse als wegweisendes Konzept zur Förderung der nachhaltigen Entwicklung, in das künftig der Tourismus verstärkt einbezogen werden muss. Zu Nachhaltigkeitskriterien wie überhaupt zur Ausgestaltung einer nachhaltigen Tou-rismuspolitik verweisen wir zudem auf das Policy-Paper der CIPRA: Tourismus mit Zukunft, Juli 2001.
Innovation zur Behebung der strukturellen Nachteile des kleingewerblichen Tourismus in der Schweiz liegt auch bei der Suche nach neuen Formen der Zusammenarbeit nicht allein im Politikbereich. Es braucht vielmehr neue unkonventionelle Kooperationsformen verschiedenster Akteure des Tourismus und der Zivilgesellschaft, zum Beispiel Netzwerkbildung – anstelle von Konzernbildung bzw. horizontaler und vertikaler Integration – für gemeinsame Marketingstrategien oder einen verbesserten Austausch von Informationen und Erfahrungen. Diese Suche muss aktiv vorangetrieben werden.
2.2 Hotel- und Kurortkredit
Die allgemeinen Ausführungen zur Revision des Hotel- und Kurortkreditgesetzes verweisen im Grundsatz explizit darauf, dass «die Gesetzesrevision nun die Gelegenheit bietet, die Nachhaltigkeit als Grundsatz der Hotelförderung ins Gesetz aufzunehmen». Die Aufnahme in Art. 1 des revidierten Gesetzestextes stellt nun die Wettbewerbsfähigkeit gleichrangig neben die Nachhaltigkeit; generell ist jedoch die Konkurrenzfähigkeit als ein integrales Teilziel der Nachhaltigkeit einzustufen. Der Art. 1 «Grundsatz» ist entsprechend umzuformulieren: «…mit dem Ziel, deren Nachhaltigkeit und insbesondere deren wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. Er unterstützt zu diesem Zweck…» (s. Vernehmlassung zum vorliegenden Bericht der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete – SAB).
Weiter fehlen im revidierten Gesetzestext die Bestimmungen, wie diese Nachhaltigkeit erreicht werden soll; sie müssen mit Kriterien zur Vergabepraxis in Art. 4 ausgeführt werden. Dazu gehören beispielsweise ökologische Auflagen für Bau und Betrieb wie Minergiestandards oder moderne Ökoaudits. Die Erarbeitung von klaren Nachhaltigkeitskriterien im Rahmen eines InnoTour-Projektes (s. 2.1) kann hierzu künftig die Messlatten liefern.
2.3 Rahmenbedingungen für die Seilbahnwirtschaft/IHG
Die Schweizer Seilbahnwirtschaft steckt effektiv in einer schwierigen Lage und braucht neue Mittel zur langfristigen Konsolidierung. Wir schliessen uns in diesem Punkt der Meinung der Experten der Stellungnahme der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete (SAB) an und verweisen zudem an dieser Stelle nochmals auf den im vorliegenden Bericht mehrfach geäusserten Grundsatz, dass Investitionshilfen und Subventionen des Bundes nicht zur künstlichen Erhaltung überkommener Strukturen dienen sollen.
2.4 Touristisches Berufsbildungskonzept
Als Organisation mit verschiedensten Aktivitäten im Bildungsbereich, freuen wir uns besonders, dass die Tourismusförderung des Bundes der touristischen Berufsbildung einen so hohen Stellenwert einräumt. Niedrige (Arbeits)Produktivität, schlechte Löhne und Arbeitsbedingungen sowie mangelnde Qualifikation der Arbeitskräfte sind eng miteinander verknüpft, wie der vorliegende Bericht zum Schweizer Tourismus unterstreicht. Die Antwort liegt deshalb sicherlich in der gezielten Qualifizierung der Arbeitskräfte im Tourismus ist, die aber im Sinne einer ganzheitlichen Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Branche mit der Einführung und strikten Einhaltung von Sozialstandards (existenzsichernde Löhne, GAV, «decent work» in flexiblisierten Teilzeitstellen etc.) in der Tourismuswirtschaft zu ergänzen ist (s. 2.1).
Die im vorliegenden Bericht aufgeführten Massnahmen im Bildungsbereich bleiben jedoch sehr vage, einerseits bezüglich finanzieller Ausstattung aus den ohnehin knappen InnoTour-Geldern, andererseits bezüglich der inhaltlichen Stossrichtung der neuen Berufsbildung. Das Berufsbildungskonzept umreisst zwar die Aus- und Weiterbildungslehrgänge mit klaren Strukturen, verweist dabei auch auf bereits eingeleitete Verbesserungen wie attraktivere Berufslehren, Spezialisierungen und Diplome und macht interessante Anregungen für künftige Entwicklungen im Bereich der höheren Fachausbildung und Modularisierung der Weiterbildung. Welche Kompetenzen die Studierenden aber erwerben sollen und welche Inhalte dazu vermittelt werden, um die benötigte Innovation im Tourismus nachhaltig zu sichern, bleibt unklar. Ansatzpunkte sind allenfalls die diagnostizierten Schwachstellen, die gemäss Bericht unter anderem darin liegen, dass zu stark auf gegenwarts- statt zukunftsbezogene Kompetenzvermittlung gesetzt und auf fachliche Kernkompetenzen konzentriert wird. Das Prinzip der Nachhaltigkeit – die ökologische Verantwortung, die gesellschaftliche Gerechtigkeit und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit -, das die angehenden Berufstätigen im Tourismus zukunftsweisend umzusetzen haben, wird in den vorgeschlagenen Bildungsmassnahmen mit keinem Wort erwähnt.
Die in der Kontaktstelle Umwelt zusammengefassten Umweltorganisationen Greenpeace, Pro Natura, VCS, WWF und Schweizerische Gesellschaft für Umweltschutz verlangen in ihrer Bildungsposition, dass der Auftrag für Nachhaltigkeit in Verfassung und Berufsbildungsgesetz mit einer Bildungspolitik für nachhaltige Entwicklung umzusetzen sei. Denn die Bildungspolitik ist ein zentraler Einflussbereich für die nachhaltige Entwicklung, und staatliche Mittel für Bildungseinrichtungen sind an Leistungen zugunsten der nachhaltigen Entwicklung zu knüpfen. Wir unterstützen diese Forderung und unterstreichen speziell, dass auch die Berufsbildung im Tourismus nach diesen Grundsätzen ausgerichtet werden muss. Der vorliegende Bericht verlangt, dass die Qualität des touristischen Berufsbildungssystems unter anderem durch bessere Lehrgänge und Lehrmittel gefördert werden soll. Hier bietet sich die Gelegenheit, sowohl bestehende als auch neue Bildungsangebote auf ihre Ausrichtung auf eine nachhaltige Entwicklung hin zu überprüfen und die Prinzipien der Nachhaltigkeit explizit als Qualitätserfordernis in der touristischen Bildungspolitik zu verankern.
Das vorgeschlagene Kompetenzzentrum für touristische Berufsbildung soll deshalb als «Zukunftswerkstätte» für nachhaltige Entwicklung im Tourismus konzipiert werden und dazu bereits im Aufbau im Sinne des vernetzten Denkens die enge Zusammenarbeit mit Fachkräften aus Umwelt-, Gesundheit-, Entwicklungs- und Menschenrechtsbildung suchen. Die von ihm zu erarbeitenden neuen Lehrmittel und Module müssen aufzeigen, wie energie-, ressourcensparende und naturschonende Technologien gemeinsam mit einem sozialverantwortlichen Wirtschaften den Schlüssel für Wettbewerbsfähigkeit und künftigen Wohlstand im Tourismus bilden. Die Herausforderungen des heutigen globalisierten Tourismusmarktes müssen dabei umfassend dargestellt werden, was sich auch in spezifischen Inhalten für Berufstätige der Reisebranche und künftige Verantwortliche im out-going Tourismus niederschlagen muss.
Aufgrund unserer Erfahrungen als Fachstelle zu Tourismus und Entwicklung liegt mit Sicherheit eine vordringliche Aufgabe des Kompetenzzentrums für touristische Berufsbildung beim Aufbau einer transparenten Berufsberatung, damit sich junge Leute und QuereinsteigerInnen im Angebot besser orientieren können. Dringend überlegen müssen sich die Institutionen aus Fach- und Hochschulbildung auch, wie sie künftig ihre Studierenden angemessen mit Dokumentation und Betreuung für ihre Diplomarbeiten versehen. Wir werden förmlich von solchen Anfragen überrannt, allein im vergangenen Jahr haben wir weit über 100 entgegengenommen. Das grosse Interesse der Studierenden an kritischer Information zum Tourismus freut uns zwar, und wir haben viel Material, Know-how und Bereitschaft für solche Beratungen. Aber wir sind als sehr kleine Fachstelle einfach nicht mit den entsprechenden finanziellen Mitteln ausgestattet, all diesen Anfragen nachzukommen.
3. Zusammenfassende Beantwortung der von Ihnen gestellten Fragen
Wir heissen die Stossrichtung der vorgeschlagenen Fördermassnahmen im Schweizer Tourismus durch den Bund gut unter den in den Kommentaren 2 geäusserten Vorbehalten, dass grundsätzlich alle Fördermittel an klare Vorgaben und Kriterien für eine nachhaltige Entwick-lung des Tourismus geknüpft werden.
Doch können punktuelle Förderungen die integrative, sektorübergreifenden Tourismuspolitik nicht ersetzen, die heute notwendig ist, um den Tourismus langfristig in nachhaltige Bahnen zu lenken. Wir würden es deshalb sehr begrüssen, wenn der Bericht zu den Fördermassnahmen des Bundes ein weitsichtiges, umfassendes Verständnis der Nachhaltigkeit als Querschnittsaufgabe im Tourismus wiederspiegeln würde, das sich entsprechend in der Ausarbeitung einer nachhaltigen Tourismuspolitik im Einklang mit der Nachhaltigkeitsstrategie des Bundes niederschlägt und in das die Fördermassnahmen zukunftsweisend eingebettet werden können.
Für die Berücksichtigung dieser Anliegen in der Vernehmlassung zur Tourismusförderung des Bundes möchten wir uns im Voraus ganz herzlich bedanken. Selbstverständlich stehen wir Ihnen jederzeit gerne mit weiteren Informationen aus unserem Fachbereich zur Verfügung und freuen uns auf eine weitere Zusammenarbeit.
Mit freundlichen Grüssen
Christine Plüss
Geschäftsführerin des arbeitskreises tourismus & entwicklung Basel