
Stille Wasser gründen tief – oder warum Leitungswasser uns und der Umwelt guttut
90 Milliarden Liter Wasser in Flaschen werden jährlich weltweit verkauft. 900 Millionen allein in der Schweiz, davon 30 Prozent importiert. Das ist ein wenig, als würde man "Wasser in den Rhein" giessen. Erstaunlich eigentlich, müssen wir doch nur den Hahn aufdrehen und können frisches Trinkwasser geniessen. Ohne Flaschen zu schleppen, ohne Abfall zu hinterlassen. In der Ökobilanz kann Leitungswasser dem Flaschenwasser locker das sprichwörtliche Wasser reichen. Ausländische Importe verursachen die 100-fache Umweltbelastung und mehr, je nach Transportdistanz. Alleine für die Herstellung der Plastikflaschen werden acht Milliarden Liter Erdöl verbraucht. Und es dauert über 5’900 Jahre, bis eine PET-Flasche verrottet.
900 Millionen Menschen leben ohne oder nur mit einer geringen Menge Wasser. Was also bewegt uns dazu, Aufwand – finanziell wie auch körperlich – zu betreiben, um Wasser in Flaschen ins Haus zu holen? Bequemlichkeit kann wohl nicht ernsthaft als Antwort gelten und Fitnessaufbau höchstens mit einem Augenzwinkern. Ist es die Angstmache über Keime im Leitungswasser, das Vortäuschen von angeblichen Tatsachen über die Schädlichkeit? Die Werbung der Anbieter, der Preis?
Diverse Untersuchungen von Konsumentenorganisationen und unabhängigen Gruppierungen haben ergeben: Leitungswasser ist ebenso gesund wie Mineralwasser. Selbstredend haben Studien von Lebensmittelkonzernen genau das Gegenteil bewiesen. Wer in diesem Punkt Recht behält, kann nicht abschliessend beantwortet werden. Als praktische Antwort kann jedoch die Natur dienen, denn Wasser ist unsere Lebensgrundlage. Betrachten wir es aus dieser Perspektive, bleibt nur eine nüchterne Erkenntnis: Die Beeinflussung von Wasserläufen und die Animierung zum Kauf ist die Antriebsfeder für KonsumentInnen. In den Konzernkassen klingeln Milliardenumsätze. Warum sollte man sich also diese Einnahmequelle entgehen lassen?
Ein äusserst unglücklicher Mechanismus. In Industrieländern bekommt man Wasser praktisch frei Haus geliefert und dennoch wird es im Laden gekauft. In Entwicklungsländern bekommen Konzerne das Grundwasser praktisch frei Haus, füllen es in Flaschen ab und verkaufen es anschliessend mit stattlichem Gewinn. Zum Dank dürfen DorfbewohnerInnen in der Nähe von Förderquellen beim jeweiligen Wasserabfüller arbeiten. Die Folge: Der Grundwasserspiegel sinkt und verschlimmert die Situation in vielen ohnehin schon trockenen Regionen. Da bleibt einem die Kehle trocken bei diesem Gedanken.
Fairerweise muss gesagt sein, dass das Grundwasser geklärt verkauft wird. Fragwürdig ist die Praxis dennoch. In Entwicklungsländern sind Wasserreinigungssysteme und das Wissen darüber vorhanden. Und zahlreiche Hilfswerke versuchen mit enormem Aufwand an Geld und Arbeit, sauberes Trinkwasser zur Verfügung zu stellen – üblicherweise kostenlos. Paradox? Uns erscheint es nur peripher zu betreffen, in gewissem Sinne ist es eine lokale Frage, die auch lokal beantwortet werden muss. Denn immerhin ist anzunehmen, dass bisher kein Mineralwasser aus Entwicklungsländern in die Schweiz importiert wird.
Nüchtern betrachtet, kann es kaum ein durchschlagendes Argument dafür geben, warum man Wasser nicht aus der Leitung trinken soll. Eine leichte Disziplin, um seinen persönlichen ökologischen Fussabdruck zu verringern. Der Konsum von Mineralwasser wirft daher nicht nur die Frage nach der ökologischen Unzweckmässigkeit auf, sondern eben auch ethisch-moralische Bedenken.