
Südafrika: Das Budget im Taschentuch
Während der letzten zehn Jahre kaufte Oma Nellie im örtlichen Silver Cash Shop auf Kredit ein. Der Ladenbesitzer bewahrte Oma Nellies Rentenkarte und ihre Identitätspapiere auf, um ihre Rente damit abheben zu können. Damit hatte er nicht nur eine Garantie, dass sie ihren Kredit zurückzahlte, sondern auch, dass sie ausschliesslich in seinem Laden einkaufte. Normalerweise sind Lebensmittel und andere Waren in diesen kleinen Läden teurer als anderswo. Zu den erhöhten Preisen kamen am Ende des Monats nochmals 15% als Zins für den Kredit hinzu. Oma Nellie, welche kaum lesen und schreiben konnte, war dadurch in eine Schuldenspirale geraten. Noch mehr Macht erhielt der Ladenbesitzer, nachdem das Sozialdepartement angefangen hatte, in Lebensmittelläden Geldautomaten aufzustellen, damit die Leute ihre Rente dort abheben konnten. Er verlangte von allen Rentnerinnen und Rentnern, welche die Automaten benutzten, dass sie einen Teil ihrer Einkäufe in seinem Laden tätigten.
Während einer Tür zu Tür-Kampagne über den Umgang mit Geld wurde die Namakwaland Catholic Development Organisation (Namko) – eine Partnerorganisation von Fastenopfer – auf Oma Nellies Zwangslage aufmerksam. Die alte Dame diskutierte mit der Mitarbeiterin von Namko über ihre schwierige finanzielle Lage und ihre Schulden von 800 Rand beim Silver Cash Shop . Sie wurde von Namko zum Workshop "Haushaltbudget" eingeladen und besuchte danach auch die Lese- und Schreibkurse. Ausserdem wurde sie stolzes Neumitglied bei der Nababeep Bo Straat-Spargruppe. Am wichtigsten war aber, dass sie – zusammen mit der Mitarbeitenden von Namko – mit dem Shopbesitzer zu verhandeln begann. Die Organisation wies den Mann darauf hin, dass seine Praxis illegal war. Schliesslich gab er Oma Nellie ihre Papiere zurück. Gleichzeitig wurde ein Rückzahl-Plan für ihre Schulden vereinbart. Nach einem Jahr war Oma Nellies schuldenfrei. Seither lässt sie sich ihre Rente bar auszahlen und verfügt selbst darüber.
Da die Regierung von verschiedenen Organisationen wie Namko auf die Missbräuche aufmerksam gemacht wurde, hat sie inzwischen begonnen, die Geldautomaten in den Läden abzubauen – auch jenen im Silver Cash Shop. Die allergrösste Änderung aber hat bei Oma Nellie stattgefunden, wie Quinta Titus, Direktor von Namko, berichtet: Oma Nellie machte letzthin einen Besuch bei uns im Büro. Sie schwenkte ein Taschentuch mit vielen Knoten. Darin hatte sie das Geld für ihre festen Ausgaben fein säuberlich eingebunden: ein Knoten für Brot, einer für Kerzen…, einer enthielt sogar den monatlichen Sparbetrag für ihre Gruppe.
Das ist Oma Nellies Geschichte, welche Namko und Fastenopfer motiviert, mit unserer Arbeit fortzufahren.
_________________________________________________________________________
Gerechter Handel – auch im Süden
Auch innerhalb von armen Ländern im Süden gibt es unfairen Handel. Deshalb regen viele Projekte von Fastenopfer Spar- und Kreditgruppen an. Dadurch werden ganze Gemeinschaften unabhängig von ausbeuterischen Geldverleihern und können Notlagen mit eigenen Mitteln meistern – ein erster Schritt, der Selbstvertrauen schafft und Entwicklung überhaupt erst ermöglicht.
_________________________________________________________________________
Der Beitrag erschien in ite, Illustrierte der Schweizer Kapuziner, 1/2010. Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung