Ich steige aus dem Flugzeug. Warme Luft weht mir entgegen und zaubert ein sanftes Lächeln auf mein Gesicht. Ich lasse den Schweizer Winter hinter mir, atme einmal tief ein und aus und starte in der Hauptstadt Vientiane mein grosses Abenteuer.

Sabaidee, Laos

Nach einem Frühstück aus reifen Bananen, Mango und Papaya besteige ich ein Taxi und lasse mich ins Büro etwas ausserhalb des Stadtzentrums fahren. Ich geniesse es, den vorbeirauschenden Verkehr durch die Scheiben zu beobachten – grosse, glänzendneue SUVs, kleine, vollgestopfte Busse und unzählige Motorräder mit zwei, drei oder gar vier Personen drauf. Ich halte Ausschau nach Orientierungspunkten. Ein moderner, rot verkleideter Kubus, eine mehrspurige Hauptavenue mit einer kleinen Ausgabe des Pariser Triumphbogens, eine buddhistische Tempelanlage, und schon biegen wir links ab in eine Schotterstrasse, die zum Bürogebäude von Swisscontact führt. Ich steige die Treppen hoch und trete durch eine Glastür. Der Raum ist hell und wunderbar klimatisiert. Mit einem Lächeln heissen mich Tim, mein neuer Chef, und Anong, seine Assistentin, willkommen.
Tim greift auf viele Jahre Auslanderfahrung in der Entwicklungszusammenarbeit zurück. Südlaos ist touristisch noch wenig bekannt, der Grossteil der Bevölkerung arm. Darum hat die Regierung besonderes Interesse, diese Region wirtschaftlich weiterzuentwickeln, unter anderem durch Tourismusförderung. Mit dem Projekt, in das ich von Tim eingeführt werde, unterstützt Swisscontact die Bemühungen der Regierung – einerseits durch die Weiterentwicklung der Destination, andererseits durch die Schaffung von Perspektiven und Einkommensmöglichkeiten für die Lokalbevölkerung.

Wir besprechen die Agenda für die nächsten Tage und überarbeiten meinen Auftrag. Anstelle der ursprünglichen Idee, eine Exkursion marktfähig zu machen, fragt Tim: "Hast du Lust, eine komplett neue Touristeninformationsbroschüre über Südlaos zusammenzustellen?" Ich überlege nur kurz. "Ja, klar!" Sofort ist mir bewusst, dass für diesen Auftrag Flexibilität gefragt ist. Heute ist Freitag. Am Mittwoch bereits sollen wir in den Süden reisen. So bleiben mir in Vientiane noch ein paar Tage, um mehr über das Projekt zu erfahren und um Tim, Anong und die Stadt auf Entdeckungstouren näher kennenzulernen.

Teamwork

Es ist Mittwochmorgen, sechs Uhr. Zusammen mit Tim warte ich auf den Abflug. Ein kleines Flugzeug von Lao Airlines fliegt uns in 75 Minuten über 600 Kilometer weit in den Süden. Beim Anflug auf Pakse sehe ich hinunter auf trockene Äcker und einen breiten Fluss – den Mekong. Wir landen sicher und passieren mit einem Taxi die vorhin von oben her bestaunte Landschaft. Eine kleine Büffelherde überquert die Strasse. Dann geht es über eine Brücke ins Zentrum. In der Residence Sisouk frühstücken wir. Madame Nang, die Besitzerin, ist hier aufgewachsen und nach vielen Jahren in Frankreich wieder nach Laos zurückgekehrt, um die wirtschaftliche Entwicklung des Landes zu unterstützen. Sie stellt ein Körbchen mit Vollkornbrot und Croissants auf den Tisch. Mittlerweile ist auch Maaike, eine Mitarbeiterin aus Holland, eingetroffen. Sie kennt den Tourismusbereich in Laos bestens. Gestärkt machen wir uns zu Fuss auf den Weg ins Büro. Ich bin gespannt. Gleich lerne ich mein Team und meinen Arbeitsplatz kennen. Wir treten ein, ziehen die Schuhe aus und gehen ins obere Stockwerk. Vila, der Büroleiter, kümmert sich um das Trainingsprogramm für Hotels, Gasthäuser und Restaurants. Stephane, ein Franko-Laote, ist zuständig für das Marketing der Destination Südlaos. Sengsone, die vife Frau aus Pakse, betreut Administration und Finanzen. Eine bunte Runde.
In der Tourismusförderung arbeitet Swisscontact eng mit den lokalen Interessengruppen aus Hotel- und Restaurantbesitzern und -managern, Reiseagenturen sowie der staatlichen Tourismusbehörde zusammen. Ziel ist es einerseits, die Zusammenarbeit zwischen privatem und öffentlichem Sektor zu stärken und die Parteien zu einer gemeinsamen Vision für die Destination Südlaos zu führen. Andererseits soll die Qualität der Dienstleistungen gesteigert werden. Zielpublikum sind internationale Touristen auf der Suche nach einem sanften und langsamen Reiseerlebnis.

Schon bald findet das erste Treffen mit den Interessengruppen statt. Wir besprechen gemeinsam den Marketingplan für das aktuelle Jahr. Die neue Touristeninformationsbroschüre ist dabei ein wichtiger Punkt. Das Folgemeeting zwei Wochen später besteht aus einem Brainstorming. Was soll die Broschüre beinhalten? Welches Format soll sie haben? Wir füllen zwei Flipcharts mit Ideen für den Inhalt: Karten, Tipps, Hinweise zu Transportmöglichkeiten und Grenzüberschreitungen, kulturelle "Dos and Don’ts", laotischer Sprachführer und ein Festivalkalender. Weitere zwei Wochen später treffen wir uns ein drittes Mal. Wir verabschieden das Konzept und einigen uns auf das Format eines Büchleins. Ich notiere, wer mir zu welchen Themen Informationen liefert. Nur wenige Gruppenmitglieder sichern mir Beiträge zu, und sie tun dies auch eher zögerlich. Ein kleiner Dämpfer, den ich schnell überwinde und darin eine Chance erkenne: Ich werde vieles selber recherchieren.

Wohnungssuche

Während meine Arbeit gut angelaufen ist, harzt es bei der Suche nach einer geeigneten Bleibe. Es gibt weder Onlineplattformen, noch ein Schwarzes Brett mit Wohnungsanzeigen. Strassennamen und ein öffentliches Transportsystem sind hier inexistent. So bin ich total auf andere Menschen angewiesen, ein ungewohntes Gefühl.
Sengsone nimmt mich hinten auf ihrem Motorrad mit. Wir fahren los, um uns potenzielle Unterkünfte anzuschauen, und klappern Strassen nach "zu vermieten"-Schildern ab. Die Bandbreite reicht von einfachsten Häusern weit draussen auf einem Acker mit Küche und Klo im Hinterhof bis zu einer riesengrossen Villa am Mekong mit vier Schlafzimmern.
Schlussendlich stellt mir der Manager des Pakse Hotels, in dem ich seit meiner Ankunft wohne, eine jungen Philippinerin vor, die schon lange in Pakse lebt und im Spital arbeitet. Sie führt mich zum Haus einer Ärztin direkt an der Hauptstrasse. Durch ein metallenes Rolltor treten wir ins Wohnzimmer ein. Alles ist sehr sauber, die hohen Wände sind in hellem Rosa, in Gelb und Weiss frisch gestrichen. In der Küche stehen Kühlschrank, Reiskocher, Wok und ein kleiner Ofen. Im oberen Stock gibt es mehrere Zimmer. Das grösste hat ein eigenes Bad und verfügt über eine Klimaanlage und einen Ventilator – lebenswichtig bei Temperaturen von über 40 Grad Celsius! Eine weitläufige Terrasse bietet Ausblick auf den bekannten "Golden Buddha". Ich bekomme die Zusage für das Zimmer, und nur wenige Tage später ziehe ich ein. Motiviert melde ich mich auch zu einem Laotischkurs an und nehme bei Stephane in den Strässchen hinter dem Büro erste Motorrad-Trainingsstunden. Schon nach wenigen Versuchen gewinne ich an Vertrauen und komme in Fahrt.

Die erste Rekognoszierungsreise bringt mich ganz in den Süden, in die Nähe der kambodschanischen Grenze. Hier befinden sich die "4000 Islands". Zusammen mit Tims Familie will ich eine neue Exkursion testen, bevor diese lanciert wird. Wir wollen den Touristen Einblicke in das Leben der Bevölkerung vermitteln. Ein langes Holzboot bringt uns zu einer touristisch noch nicht erschlossenen Insel – wir gleiten an kleinen Sandinseln und Wasserbüffeln vorbei, und sogar eine Schlange erspähe ich im Wasser. Als wir auf der Insel ankommen, sticht uns als Erstes ein Trümmerfeld in die Augen. Wir sind schockiert. "Was ist denn hier passiert?" Unser Guide klärt uns auf. Vor zwei Tagen hat es einen Brand gegeben, der einen Teil des Dorfes komplett zerstört hat. Bestürzt gehen wir weiter zu einer Tempelanlage und danach zu einem traditionellen Stelzenhaus aus Holz, in dessen Schatten zwei Frauen geschickt bunte Körbchen für den Klebreis flechten. Wir kaufen mehrere Körbchen und leisten einen wenn auch bescheidenen Beitrag direkt an die Dorfbewohner. Auf dem Rückweg halten wir an einem kleinen Strand an und üben uns im Auswerfen eines Fischernetzes – einer wahren Kunst.
Tags darauf schwinge ich mich auf ein Fahrrad und erkunde auf Natursträsschen und Feldwegen die Insel Don Khon. Ich bin unterwegs zu Wasserfällen, Fischfangschwellen und Badestellen. Als sich die Sonne langsam dem Horizont nähert, erreiche ich einen Strand. Sofort kommt ein Fischer auf mich zu und fragt, ob ich eine Tour zu den Flussdelfinen unternehmen möchte. Spontan lasse ich mich darauf ein. Wir steigen ein und gleiten mit brummendem Motor durch die natürlichen Verästelungen des Mekong, für die Laoten die Mutter aller Flüsse. Es ist eine magische Gegend. Von der Strömung gekämmte Bäume ragen in der Trockenzeit weit aus dem Wasser, das Licht geht von golden zu rosarot über. Wir erreichen eine offene Fläche. Hier stellt der Fahrer den Motor ab. Es ist still – wohltuend. Da tauchen sie auf, zwei Delfine! Die wenigen Irawadi-Delfine, die es in Laos noch gibt, sind durch illegale Fischfangmethoden und Staudammprojekte stark gefährdet. Von der WWF-Verantwortlichen in Pakse hole ich mir später Hintergrundinformationen, und natürlich erhalten die Delfine einen Platz in meiner Broschüre.

Alltag in Pakse

Die Wochen ziehen dahin. Ich finde mich in Pakse immer besser zurecht und fühle mich hier zu Hause. Täglich gehe ich auf den Markt, um frisches Gemüse zu kaufen. Dabei entdecke ich immer wieder unbekannte Kräuter, Blätter und Blüten. Mit etwas Laotisch, mit Gesten und Mimik verständige ich mich mit meinen Lieblingsmarktfrauen und versuche herauszufinden, wie ich die unterschiedlichen Zutaten kombinieren und anrichten kann. Zweimal pro Woche besuche ich den Sprachkurs. Bei Lea, einer jungen Laotin, lerne ich nicht nur die Feinheiten der Aussprache und die rundlichen Schriftzeichen kennen, sondern erfahre auch viel über die Kultur.

Früchte kaufe ich meist am Strassenrand bei mir um die Ecke. Täglich stehen hier zwei Transporter mit sorgfältig zu Pyramiden aufgetürmten Mangos, Orangen, Papayas, Mandarinen, Guaven, Ananas und Drachenfrüchten. Eines Tages fragt mich die junge Verkäuferin, ob ich ihr bei den Englischhausaufgaben helfen könnte. Das mache ich sehr gerne!
Auch mit dem Motorrad fühle ich mich nun sicher. Bald kommt jedoch die Lust nach mehr Bewegung auf. Ich kaufe mir ein Gebrauchtvelo bei Miss Noy, die Motorräder und Fahrräder an internationale Touristen vermietet. Blieb mein Gesicht bisher unter meinem gelben Motorradhelm versteckt, erhalte ich nun auf der Strasse eine neue Aufmerksamkeit. Überall werde ich als "Falang" – Ausländerin – begrüsst, gefolgt von einem Lachen und langen Blicken.
Bin ich mal nicht "on tour", so ziehe ich in Pakse mit meiner Kamera durch die Strassen, schreibe Blogeinträge und gehe Kaffee trinken. Stundenlang stöbere ich in den kleinen Handwerksläden, besuche eine neu entstehende Kunstgalerie oder überquere den Mekong bei der Japanischen Brücke, steige auf der anderen Seite die vielen Treppen hoch zum grossen goldenen Buddha und geniesse eine der schönsten Aussichten über Pakse und den Mekong.

Vom Kopf aufs Papier

Plötzlich steht der Juli vor der Tür. Noch habe ich all die gesammelten Informationen und Erfahrungen nicht zu Papier gebracht. Ob ich das alles bis Mitte August schaffen werde? Nun muss ich konkret werden. Ich lege einen ambitiösen Plan fest: 50 Seiten in 40 Tagen. Zuoberst auf der Prioritätenliste stehen die Vertragsabschlüsse mit den unterschiedlichen Experten, mit denen ich für das Projekt Kontakte geknüpft habe – Adrian für die Kartenausschnitte, der Fotograf Bart für die Bilder, der Redaktor Jeff für den Text. Zudem gleise ich die Sponsorensuche auf, hole Offerten ein und entscheide, wer Design und Produktion übernimmt.
Ab der zweiten Juliwoche werde ich von Oskar, einem Fahrradexperten, unterstützt. Er will den Süden auf zwei Rädern erkunden, und wir entwerfen Touren, die wir auf der neu entstehenden Website und in der Broschüre publizieren wollen. Gemeinsam ziehen wir per Bus los in Richtung Süden. An einer Kreuzung radelt er in Richtung Mekong, während ich in die entgegengesetzte Richtung ins Dorf Ban Kian-Ngông will. Doch zuerst muss ich eine Transportmöglichkeit finden. Ein junger Mann mit einem traktorähnlichen Gefährt lädt eine Frau und mich spontan auf. Der Weg führt über eine rote Staubstrasse, gesäumt von hohen Bäumen und Büschen. Durch die ersten Regenfälle im Juli ist die Landschaft saftig grün geworden. Im Dorf angekommen, springe ich vom Transporter und bedanke mich herzlich. Bevor der Mann weiterfährt, mache ich ein Erinnerungsfoto sowie ein Bild von seinem laotischen Facebook-Profil, damit mir meine Bürokollegin später helfen kann, uns zu vernetzen.

In der Kingfisher Ecolodge beziehe ich einen einfachen Bungalow direkt am Sumpfgebiet. Ich lasse die Gegend und die Natur auf mich wirken. Plötzlich höre ich ein unbekanntes Geräusch… "Was ist denn das?" Da taucht eine Büffelherde auf und watet durch das hohe Gras. Faszinierend. Am Abend tausche ich mich im Restaurant der Lodge mit dem Besitzer aus und sammle Informationen. Anderntags lädt er mich ein, in eines der komfortableren Bungalows zu ziehen. Dankend nehme ich an und beschliesse, noch zwei Tage länger zu bleiben und mein Büro in die Natur zu verlegen. Mit Aussicht von meiner Terrasse über das Sumpfgebiet haue ich so richtig in die Tasten und baue etwas Schreibvorsprung auf. Vor meinen Augen gleiten Laoten auf flachen Kanus elegant durch den Sumpf und schieben sich mit einem langen Holzstab vorwärts. Sie sind unterwegs auf Schnecken- und Muschelsuche und auf Aalfang.
Schritt für Schritt entsteht der Reiseführer. Zurück in Pakse nehme ich die Schlussphase in Angriff. Ich schicke die editierten Texte fürs inhaltliche Korrekturlesen zusammen mit einer Sponsoringanfrage an Hotels, Gasthäuser und Agenturen. Sogar Lao Airlines kann ich mit einer sorgfältig vorbereiteten E-Mail und bei einem anschliessenden Treffen überzeugen, den Reiseführer finanziell zu unterstützen. Im Gegenzug publizieren wir eine Karte ihres Streckennetzes. Der abenteuerlustige Fotograf erledigt alles sehr selbstständig. Die Karten mit Routen und Attraktionen verlangen viel Effort, habe ich mich doch an grafische Leitlinien bezüglich Farben, Stil und Format zu halten, und die Arbeit auf Distanz erfordert eine gute Kommunikation. Ein weiterer Meilenstein ist mit der Zusage der Brandingfirma für das Design und die Produktion der Broschüren erreicht. Ich arbeite mit einem internationalen Team aus Bangkok zusammen. Eine Art Pingpongspiel via Skype und E-Mail.
Schon fast im Endspurt tauchen zwei weitere Herausforderungen auf: Wie importieren wir die gedruckten Broschüren von Thailand nach Laos? Wie läuft das Prozedere für das Okay der Regierung? Aus Erfahrung benötigen die administrativen Prozesse hier sehr viel Zeit. Meine Kollegin Anong unterstützt mich von Vientiane aus. Langsam vervollständigt sich alles zu einem grossen Gesamtbild – was für ein tolles Gefühl!

Krönender Abschluss

Die letzten Steinchen im Mosaik sind Titelbild und Titel. Unzählige Male durchstöbere ich unsere Bildergalerien. Endlich werde ich fündig. Für den Titel lasse ich mich im Internet von Titelseiten und Textüberschriften von Reisemagazinen und Tourismusorganisationen inspirieren. Wir entscheiden uns für "Beyond the ordinary" – aussergewöhnlich. Genau so würde ich meine Zeit in Laos auch beschreiben.  

Nun bin ich bereit für den letzten Abend. Am grossen Anlass im Grand Hotel Champasak wird der touristische Auftritt der Destination Südlaos, bestehend aus den vier Provinzen Champasak, Salavan, Sekong und Attapeu, lanciert und erhält ein neues Image und eine ansprechende, innovative Website. Der CEO der Brandingfirma bringt die ersten druckfrischen Reiseführer aus Thailand mit. Wow! Geschafft – dank der grossartigen Unterstützung und Offenheit von ganz vielen Leuten und dank dem Vertrauen, das mir Tim von Anfang an geschenkt hat. Zusammen mit dem Team und all den Menschen, die mir über die Monate vertraut geworden sind, feiere ich diesen Moment. Langsam versinkt die Sonne im Mekong, und eine intensive und lehrreiche Zeit geht zu Ende. Das Verfassen dieser Broschüre war nicht nur eine tolle persönliche Erfahrung, sondern auch ein wertvoller Beitrag, um die Destination Südlaos nachhaltig zu entwickeln und zu fördern. Beflügelt reise ich am nächsten Morgen mit ein paar Exemplaren "meines" Reiseführers im Koffer zurück in die Schweiz.
Den Reiseführer finden Sie hier.

SwisscontactDie Organisation fördert die wirtschaftliche, soziale und ökologische Entwicklung, indem sie Menschen darin unterstützt, sich erfolgreich in das lokale Wirtschaftsleben zu integrieren. Dadurch eröffnet ihnen Swisscontact die Möglichkeit, ihre Lebensbedingungen aus eigener Kraft zu verbessern. Die Förderung eines nachhaltigen Tourismus in Entwicklungsländern bildet dabei einen Schwerpunkt. 

Wir besprechen die Agenda für die nächsten Tage und überarbeiten meinen Auftrag. Anstelle der ursprünglichen Idee, eine Exkursion marktfähig zu machen, fragt Tim: "Hast du Lust, eine komplett neue Touristeninformationsbroschüre über Südlaos zusammenzustellen?" Ich überlege nur kurz. "Ja, klar!" Sofort ist mir bewusst, dass für diesen Auftrag Flexibilität gefragt ist. Heute ist Freitag. Am Mittwoch bereits sollen wir in den Süden reisen. So bleiben mir in Vientiane noch ein paar Tage, um mehr über das Projekt zu erfahren und um Tim, Anong und die Stadt auf Entdeckungstouren näher kennenzulernen.

Teamwork

Es ist Mittwochmorgen, sechs Uhr. Zusammen mit Tim warte ich auf den Abflug. Ein kleines Flugzeug von Lao Airlines fliegt uns in 75 Minuten über 600 Kilometer weit in den Süden. Beim Anflug auf Pakse sehe ich hinunter auf trockene Äcker und einen breiten Fluss – den Mekong. Wir landen sicher und passieren mit einem Taxi die vorhin von oben her bestaunte Landschaft. Eine kleine Büffelherde überquert die Strasse. Dann geht es über eine Brücke ins Zentrum. In der Residence Sisouk frühstücken wir. Madame Nang, die Besitzerin, ist hier aufgewachsen und nach vielen Jahren in Frankreich wieder nach Laos zurückgekehrt, um die wirtschaftliche Entwicklung des Landes zu unterstützen. Sie stellt ein Körbchen mit Vollkornbrot und Croissants auf den Tisch. Mittlerweile ist auch Maaike, eine Mitarbeiterin aus Holland, eingetroffen. Sie kennt den Tourismusbereich in Laos bestens. Gestärkt machen wir uns zu Fuss auf den Weg ins Büro. Ich bin gespannt. Gleich lerne ich mein Team und meinen Arbeitsplatz kennen. Wir treten ein, ziehen die Schuhe aus und gehen ins obere Stockwerk. Vila, der Büroleiter, kümmert sich um das Trainingsprogramm für Hotels, Gasthäuser und Restaurants. Stephane, ein Franko-Laote, ist zuständig für das Marketing der Destination Südlaos. Sengsone, die vife Frau aus Pakse, betreut Administration und Finanzen. Eine bunte Runde.
In der Tourismusförderung arbeitet Swisscontact eng mit den lokalen Interessengruppen aus Hotel- und Restaurantbesitzern und -managern, Reiseagenturen sowie der staatlichen Tourismusbehörde zusammen. Ziel ist es einerseits, die Zusammenarbeit zwischen privatem und öffentlichem Sektor zu stärken und die Parteien zu einer gemeinsamen Vision für die Destination Südlaos zu führen. Andererseits soll die Qualität der Dienstleistungen gesteigert werden. Zielpublikum sind internationale Touristen auf der Suche nach einem sanften und langsamen Reiseerlebnis.

Schon bald findet das erste Treffen mit den Interessengruppen statt. Wir besprechen gemeinsam den Marketingplan für das aktuelle Jahr. Die neue Touristeninformationsbroschüre ist dabei ein wichtiger Punkt. Das Folgemeeting zwei Wochen später besteht aus einem Brainstorming. Was soll die Broschüre beinhalten? Welches Format soll sie haben? Wir füllen zwei Flipcharts mit Ideen für den Inhalt: Karten, Tipps, Hinweise zu Transportmöglichkeiten und Grenzüberschreitungen, kulturelle "Dos and Don’ts", laotischer Sprachführer und ein Festivalkalender. Weitere zwei Wochen später treffen wir uns ein drittes Mal. Wir verabschieden das Konzept und einigen uns auf das Format eines Büchleins. Ich notiere, wer mir zu welchen Themen Informationen liefert. Nur wenige Gruppenmitglieder sichern mir Beiträge zu, und sie tun dies auch eher zögerlich. Ein kleiner Dämpfer, den ich schnell überwinde und darin eine Chance erkenne: Ich werde vieles selber recherchieren.

Wohnungssuche

Während meine Arbeit gut angelaufen ist, harzt es bei der Suche nach einer geeigneten Bleibe. Es gibt weder Onlineplattformen, noch ein Schwarzes Brett mit Wohnungsanzeigen. Strassennamen und ein öffentliches Transportsystem sind hier inexistent. So bin ich total auf andere Menschen angewiesen, ein ungewohntes Gefühl.
Sengsone nimmt mich hinten auf ihrem Motorrad mit. Wir fahren los, um uns potenzielle Unterkünfte anzuschauen, und klappern Strassen nach "zu vermieten"-Schildern ab. Die Bandbreite reicht von einfachsten Häusern weit draussen auf einem Acker mit Küche und Klo im Hinterhof bis zu einer riesengrossen Villa am Mekong mit vier Schlafzimmern.
Schlussendlich stellt mir der Manager des Pakse Hotels, in dem ich seit meiner Ankunft wohne, eine jungen Philippinerin vor, die schon lange in Pakse lebt und im Spital arbeitet. Sie führt mich zum Haus einer Ärztin direkt an der Hauptstrasse. Durch ein metallenes Rolltor treten wir ins Wohnzimmer ein. Alles ist sehr sauber, die hohen Wände sind in hellem Rosa, in Gelb und Weiss frisch gestrichen. In der Küche stehen Kühlschrank, Reiskocher, Wok und ein kleiner Ofen. Im oberen Stock gibt es mehrere Zimmer. Das grösste hat ein eigenes Bad und verfügt über eine Klimaanlage und einen Ventilator – lebenswichtig bei Temperaturen von über 40 Grad Celsius! Eine weitläufige Terrasse bietet Ausblick auf den bekannten "Golden Buddha". Ich bekomme die Zusage für das Zimmer, und nur wenige Tage später ziehe ich ein. Motiviert melde ich mich auch zu einem Laotischkurs an und nehme bei Stephane in den Strässchen hinter dem Büro erste Motorrad-Trainingsstunden. Schon nach wenigen Versuchen gewinne ich an Vertrauen und komme in Fahrt.

Die erste Rekognoszierungsreise bringt mich ganz in den Süden, in die Nähe der kambodschanischen Grenze. Hier befinden sich die "4000 Islands". Zusammen mit Tims Familie will ich eine neue Exkursion testen, bevor diese lanciert wird. Wir wollen den Touristen Einblicke in das Leben der Bevölkerung vermitteln. Ein langes Holzboot bringt uns zu einer touristisch noch nicht erschlossenen Insel – wir gleiten an kleinen Sandinseln und Wasserbüffeln vorbei, und sogar eine Schlange erspähe ich im Wasser. Als wir auf der Insel ankommen, sticht uns als Erstes ein Trümmerfeld in die Augen. Wir sind schockiert. "Was ist denn hier passiert?" Unser Guide klärt uns auf. Vor zwei Tagen hat es einen Brand gegeben, der einen Teil des Dorfes komplett zerstört hat. Bestürzt gehen wir weiter zu einer Tempelanlage und danach zu einem traditionellen Stelzenhaus aus Holz, in dessen Schatten zwei Frauen geschickt bunte Körbchen für den Klebreis flechten. Wir kaufen mehrere Körbchen und leisten einen wenn auch bescheidenen Beitrag direkt an die Dorfbewohner. Auf dem Rückweg halten wir an einem kleinen Strand an und üben uns im Auswerfen eines Fischernetzes – einer wahren Kunst.
Tags darauf schwinge ich mich auf ein Fahrrad und erkunde auf Natursträsschen und Feldwegen die Insel Don Khon. Ich bin unterwegs zu Wasserfällen, Fischfangschwellen und Badestellen. Als sich die Sonne langsam dem Horizont nähert, erreiche ich einen Strand. Sofort kommt ein Fischer auf mich zu und fragt, ob ich eine Tour zu den Flussdelfinen unternehmen möchte. Spontan lasse ich mich darauf ein. Wir steigen ein und gleiten mit brummendem Motor durch die natürlichen Verästelungen des Mekong, für die Laoten die Mutter aller Flüsse. Es ist eine magische Gegend. Von der Strömung gekämmte Bäume ragen in der Trockenzeit weit aus dem Wasser, das Licht geht von golden zu rosarot über. Wir erreichen eine offene Fläche. Hier stellt der Fahrer den Motor ab. Es ist still – wohltuend. Da tauchen sie auf, zwei Delfine! Die wenigen Irawadi-Delfine, die es in Laos noch gibt, sind durch illegale Fischfangmethoden und Staudammprojekte stark gefährdet. Von der WWF-Verantwortlichen in Pakse hole ich mir später Hintergrundinformationen, und natürlich erhalten die Delfine einen Platz in meiner Broschüre.

Alltag in Pakse

Die Wochen ziehen dahin. Ich finde mich in Pakse immer besser zurecht und fühle mich hier zu Hause. Täglich gehe ich auf den Markt, um frisches Gemüse zu kaufen. Dabei entdecke ich immer wieder unbekannte Kräuter, Blätter und Blüten. Mit etwas Laotisch, mit Gesten und Mimik verständige ich mich mit meinen Lieblingsmarktfrauen und versuche herauszufinden, wie ich die unterschiedlichen Zutaten kombinieren und anrichten kann. Zweimal pro Woche besuche ich den Sprachkurs. Bei Lea, einer jungen Laotin, lerne ich nicht nur die Feinheiten der Aussprache und die rundlichen Schriftzeichen kennen, sondern erfahre auch viel über die Kultur.

Früchte kaufe ich meist am Strassenrand bei mir um die Ecke. Täglich stehen hier zwei Transporter mit sorgfältig zu Pyramiden aufgetürmten Mangos, Orangen, Papayas, Mandarinen, Guaven, Ananas und Drachenfrüchten. Eines Tages fragt mich die junge Verkäuferin, ob ich ihr bei den Englischhausaufgaben helfen könnte. Das mache ich sehr gerne!
Auch mit dem Motorrad fühle ich mich nun sicher. Bald kommt jedoch die Lust nach mehr Bewegung auf. Ich kaufe mir ein Gebrauchtvelo bei Miss Noy, die Motorräder und Fahrräder an internationale Touristen vermietet. Blieb mein Gesicht bisher unter meinem gelben Motorradhelm versteckt, erhalte ich nun auf der Strasse eine neue Aufmerksamkeit. Überall werde ich als "Falang" – Ausländerin – begrüsst, gefolgt von einem Lachen und langen Blicken.
Bin ich mal nicht "on tour", so ziehe ich in Pakse mit meiner Kamera durch die Strassen, schreibe Blogeinträge und gehe Kaffee trinken. Stundenlang stöbere ich in den kleinen Handwerksläden, besuche eine neu entstehende Kunstgalerie oder überquere den Mekong bei der Japanischen Brücke, steige auf der anderen Seite die vielen Treppen hoch zum grossen goldenen Buddha und geniesse eine der schönsten Aussichten über Pakse und den Mekong.

Vom Kopf aufs Papier

Plötzlich steht der Juli vor der Tür. Noch habe ich all die gesammelten Informationen und Erfahrungen nicht zu Papier gebracht. Ob ich das alles bis Mitte August schaffen werde? Nun muss ich konkret werden. Ich lege einen ambitiösen Plan fest: 50 Seiten in 40 Tagen. Zuoberst auf der Prioritätenliste stehen die Vertragsabschlüsse mit den unterschiedlichen Experten, mit denen ich für das Projekt Kontakte geknüpft habe – Adrian für die Kartenausschnitte, der Fotograf Bart für die Bilder, der Redaktor Jeff für den Text. Zudem gleise ich die Sponsorensuche auf, hole Offerten ein und entscheide, wer Design und Produktion übernimmt.
Ab der zweiten Juliwoche werde ich von Oskar, einem Fahrradexperten, unterstützt. Er will den Süden auf zwei Rädern erkunden, und wir entwerfen Touren, die wir auf der neu entstehenden Website und in der Broschüre publizieren wollen. Gemeinsam ziehen wir per Bus los in Richtung Süden. An einer Kreuzung radelt er in Richtung Mekong, während ich in die entgegengesetzte Richtung ins Dorf Ban Kian-Ngông will. Doch zuerst muss ich eine Transportmöglichkeit finden. Ein junger Mann mit einem traktorähnlichen Gefährt lädt eine Frau und mich spontan auf. Der Weg führt über eine rote Staubstrasse, gesäumt von hohen Bäumen und Büschen. Durch die ersten Regenfälle im Juli ist die Landschaft saftig grün geworden. Im Dorf angekommen, springe ich vom Transporter und bedanke mich herzlich. Bevor der Mann weiterfährt, mache ich ein Erinnerungsfoto sowie ein Bild von seinem laotischen Facebook-Profil, damit mir meine Bürokollegin später helfen kann, uns zu vernetzen.

In der Kingfisher Ecolodge beziehe ich einen einfachen Bungalow direkt am Sumpfgebiet. Ich lasse die Gegend und die Natur auf mich wirken. Plötzlich höre ich ein unbekanntes Geräusch… "Was ist denn das?" Da taucht eine Büffelherde auf und watet durch das hohe Gras. Faszinierend. Am Abend tausche ich mich im Restaurant der Lodge mit dem Besitzer aus und sammle Informationen. Anderntags lädt er mich ein, in eines der komfortableren Bungalows zu ziehen. Dankend nehme ich an und beschliesse, noch zwei Tage länger zu bleiben und mein Büro in die Natur zu verlegen. Mit Aussicht von meiner Terrasse über das Sumpfgebiet haue ich so richtig in die Tasten und baue etwas Schreibvorsprung auf. Vor meinen Augen gleiten Laoten auf flachen Kanus elegant durch den Sumpf und schieben sich mit einem langen Holzstab vorwärts. Sie sind unterwegs auf Schnecken- und Muschelsuche und auf Aalfang.
Schritt für Schritt entsteht der Reiseführer. Zurück in Pakse nehme ich die Schlussphase in Angriff. Ich schicke die editierten Texte fürs inhaltliche Korrekturlesen zusammen mit einer Sponsoringanfrage an Hotels, Gasthäuser und Agenturen. Sogar Lao Airlines kann ich mit einer sorgfältig vorbereiteten E-Mail und bei einem anschliessenden Treffen überzeugen, den Reiseführer finanziell zu unterstützen. Im Gegenzug publizieren wir eine Karte ihres Streckennetzes. Der abenteuerlustige Fotograf erledigt alles sehr selbstständig. Die Karten mit Routen und Attraktionen verlangen viel Effort, habe ich mich doch an grafische Leitlinien bezüglich Farben, Stil und Format zu halten, und die Arbeit auf Distanz erfordert eine gute Kommunikation. Ein weiterer Meilenstein ist mit der Zusage der Brandingfirma für das Design und die Produktion der Broschüren erreicht. Ich arbeite mit einem internationalen Team aus Bangkok zusammen. Eine Art Pingpongspiel via Skype und E-Mail.
Schon fast im Endspurt tauchen zwei weitere Herausforderungen auf: Wie importieren wir die gedruckten Broschüren von Thailand nach Laos? Wie läuft das Prozedere für das Okay der Regierung? Aus Erfahrung benötigen die administrativen Prozesse hier sehr viel Zeit. Meine Kollegin Anong unterstützt mich von Vientiane aus. Langsam vervollständigt sich alles zu einem grossen Gesamtbild – was für ein tolles Gefühl!

Krönender Abschluss

Die letzten Steinchen im Mosaik sind Titelbild und Titel. Unzählige Male durchstöbere ich unsere Bildergalerien. Endlich werde ich fündig. Für den Titel lasse ich mich im Internet von Titelseiten und Textüberschriften von Reisemagazinen und Tourismusorganisationen inspirieren. Wir entscheiden uns für "Beyond the ordinary" – aussergewöhnlich. Genau so würde ich meine Zeit in Laos auch beschreiben.  

Nun bin ich bereit für den letzten Abend. Am grossen Anlass im Grand Hotel Champasak wird der touristische Auftritt der Destination Südlaos, bestehend aus den vier Provinzen Champasak, Salavan, Sekong und Attapeu, lanciert und erhält ein neues Image und eine ansprechende, innovative Website. Der CEO der Brandingfirma bringt die ersten druckfrischen Reiseführer aus Thailand mit. Wow! Geschafft – dank der grossartigen Unterstützung und Offenheit von ganz vielen Leuten und dank dem Vertrauen, das mir Tim von Anfang an geschenkt hat. Zusammen mit dem Team und all den Menschen, die mir über die Monate vertraut geworden sind, feiere ich diesen Moment. Langsam versinkt die Sonne im Mekong, und eine intensive und lehrreiche Zeit geht zu Ende. Das Verfassen dieser Broschüre war nicht nur eine tolle persönliche Erfahrung, sondern auch ein wertvoller Beitrag, um die Destination Südlaos nachhaltig zu entwickeln und zu fördern. Beflügelt reise ich am nächsten Morgen mit ein paar Exemplaren "meines" Reiseführers im Koffer zurück in die Schweiz.
Den Reiseführer finden Sie hier.

SwisscontactDie Organisation fördert die wirtschaftliche, soziale und ökologische Entwicklung, indem sie Menschen darin unterstützt, sich erfolgreich in das lokale Wirtschaftsleben zu integrieren. Dadurch eröffnet ihnen Swisscontact die Möglichkeit, ihre Lebensbedingungen aus eigener Kraft zu verbessern. Die Förderung eines nachhaltigen Tourismus in Entwicklungsländern bildet dabei einen Schwerpunkt.