Sun Peaks: Idylle mit Schattenseiten
Weite Landschaft, unberührte Natur – damit wirbt Kanadas Tourismus. Auch für Sun Peaks, das zweitgrösste Wintersport-Resort. Indigenenorganisationen bekämpften bereits den Bau, nun opponieren sie gegen den Ausbau. Der Ankurbelung des Tourismus dienen auch die kommenden Olympischen Spiele.
Grossen Ereignissen geht Unruhe voraus, manchmal auch Widerstand. Auch den Olympischen Winterspielen 2010 in Vancouver-Whistler im kanadischen Bundesstaat Britisch-Kolumbien. "Keine Olympiade auf dem gestohlenen Land der Ureinwohner", forderten Gegner des Grossanlasses bereits zu einer Zeit, als die Spiele noch nicht vergeben waren. Sie erinnerten an die Landnahme durch die europäischen Einwanderer. Sie legten dar, dass die Indianer ihr Land offiziell nie an die Eindringlinge abgetreten hätten und folglich immer noch Landrechte besässen. Andere Organisationen schrieben 2002 − unmittelbar vor der Vergabe der Spiele − an die Mitglieder des Internationalen Olympischen Komitees (IOC): Kanada brüste sich damit, weltweit eines der Länder mit dem höchsten Lebensstandard zu sein. Gemessen mit den gleichen Kriterien erreichten die kanadischen Indianer jedoch nur Platz 47. Das Gleiche gelte für Vancouver: die Stadt sehe sich als Stadt mit dem weltweit besten Lebensstandard. "Doch unsere Leute sind die Ärmsten der Stadt, viele von ihnen leben (…) unter beklagenswerten sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen". Die IOC-Delegieren liessen sich nicht überzeugen, Vancouver-Whistler erhielt den Zuschlag für die Winterspiele 2010.
Alpendorf auf Indianerland
Ein paar Autostunden von Vancouver, in der grössten kanadischen Winterstation Vancouver-Whistler, finden alle Skiwettbewerbe statt. Ein Wüstenstreifen und eine Bergkette davon entfernt liegt Sun Peaks, Kanadas zweitgrösster Wintersportort, ein innert einer Generation aus dem Boden gestampfter Kunstbau, eine Art Alpendorf mit Chaletbauten, Restaurants und Wellnessparks. Vorbild war das österreichische Kitzbühl. In Vancouver- Whistler trainiert seit Jahren die österreichische Nationalmannschaft. Die Tourismus-Verantwortlichen wollen auch europäische Wintersportler anziehen und werben mit unverbauter Natur und intakter Landschaft.
Schneisen durch Tal und Wald
Sun Peaks ist ein Musterbeispiel für den Umgang des modernen Kanadas mit den Indianern. Sun Peaks hat Tausende von Hotelbetten, exklusive Chalets und teure noch unbebaute Landparzellen. Vor sechzig Jahren lebten hier nur wenige Menschen, dazu kamen einige Ferienhausbesitzer, für die Wintersportler genügte ein Lift. Heute zerschneiden breite Pistenbahnen die Bergwälder, und breite Strassen durchziehen das Tal. Kunstschneeanlagen stören die Ruhe und vergeuden Wasser. Anfang der 1990er-Jahre vergab die Provinzregierung von Britisch-Kolumbien das Gelände Sun Peaks an einen japanischen Investor. Der Investor liess die Skianlagen, Mountainbike-Strecken und einen Golfplatz bauen. Als Gegenleistung erhielt er zu günstigen Preisen am Fusse der Skipisten Grundbesitz, den er Interessierten parzellenweise verkaufen kann. Die Sache hat einen Haken: Das Land gehört den Nachfahren der indianischen Urbevölkerung. Selbst nach den Regeln des kanadischen Staates. Das Oberste Gericht hat nämlich im Jahre 1997 einen Grundsatzentscheid gefällt, wonach die angestammten Rechte der Indigenen Kanadas weiterbestanden, solange sie nicht durch andere Abkommen ersetzt wurden. Im Bundesstaat Britisch-Kolumbien existieren im Allgemeinen nur wenige solcher Verträge, im Gebiet Sun Peaks jedoch gibt es sogar einen Vertrag von 1862, der die Rechte einer indigenen Gemeinschaft ausdrücklich festhält.
Expansion bereits geplant
Dies kümmerte die Provinzregierung nichts. Dem Widerstand indigener Organisationen begegnete sie mit Polizeirepression, bei Demonstrationen wurden über 50 Personen verhaftet, einige sogar mehrmals. In der Zwischenzeit sind die geplanten Anlagen weitgehend gebaut. Im Winter 2010 erwarten die örtlichen Tourismusmanager eine besonders erfolgreiche Saison, auch wegen den Olympischen Spielen. Und der Investor will bereits weiter ausbauen. Die Forderung der indigenen Bevölkerung: Mindestens der Ausbau soll gestoppt werden, bis die Frage der Landrechte endlich geklärt ist.
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Hans Stutz ist seit dem 1. August 2009 neuer Mitarbeiter bei der Gesellschaft für bedrohte Völker Schweiz im Bereich Kommunikation. Er arbeitete viele Jahr lang als freier Journalist und hat sich in den letzten Jahren schwerpunktmässig mit Rassismus und Rechtsextremismus in der Schweiz beschäftigt. Von 2000 bis 2007 betreute er als (Teilzeit-) Chefredaktor das Medienmagazin "Klartext". Hans Stutz lebt in Luzern und sitzt dort im Stadtparlament, als Parteiloser in der Fraktion der Grünen und der Jungen Grünen.
Dieser Beitrag erschien in VOICE 2/2009, der Zeitschrift der Gesellschaft für bedrohte Völker Schweiz. Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung. Bilder: Marion Bacher