Das Gericht in Arusha wies alle bis auf einen Klagepunkt der Massai aus der nordöstlichen, ans Ngorongoro-Becken angrenzenden Region Loliondo ab. Die Gemeinschaft der Massai hatte beantragt, die Landtitel von TCL abzuerkennen, die Firma an der Umnutzung des designierten Weidelandes zu einer Tourismuszone zu hindern und sie auf Zahlung von Schadenersatz für die bei der Vertreibung von ihrem angestammten Land erlittenen Verletzungen zu verpflichten. Sie klagte TCL an, sich mit der lokalen Tansanischen Polizei und Regierungsbehörden verschworen zu haben, um sich illegal ihres Landes zu bemächtigen. Die Massai aus den Dörfern Mondorosi, Sukenya und Soitsambu erzählten dem Gericht, ihre Häuser seien verbrannt worden, und wer versucht habe, das Land und Wasser im oder um das umstrittene Gebiet zu nutzen, sei geschlagen, verhaftet oder sogar beschossen worden. Das Gericht hiess lediglich die Klage der Massai wegen des illegalen Übertrags eines Teils des Landes gut, versäumte es aber, die fehlbaren Parteien auf Schadenersatz oder Räumung des Landes zu verpflichten – womit der Landstreit weitergehen dürfte.
"Es ist ein herber Rückschlag für die Massai von Lolilondo, die als Hirten gerade so davon leben können, ihr Vieh in der unwirtlichen Gegend weiden zu lassen. Ihre Lebensgrundlagen werden durch internationale Investoren ebenso wie durch die eigene Regierung gefährdet", kommentierte Lucy Claridge, Leiterin der Rechtsabteilung der internationalen NGO Minority Rights Group, die den Fall seit 2009 begleitet.
"Wir sind extrem unzufrieden mit diesem Urteil und haben die Absicht, bei der ersten Gelegenheit dagegen zu rekurrieren. Auf der Grundlage der präsentierten Beweise hat das Gericht nicht fair entschieden. Das Urteil dient lediglich dazu, die Marginalisierung der Massai im Namen des Naturschutzes voranzutreiben", kritisierten die Anwälte der Massai vor Gericht, Wallace N. Kapaya und Rahid S. Rashid.

Allmähliches Entziehen der Lebensgrundlage

Der parastaatliche Brauereibetrieb TBL hatte in den Achtzigerjahren im damaligen Dorf Soitsambu im Indigenen Gebiet der Massai 10’000 Morgen Land (rund 40,5 Quadratkilometer) erworben, um Weizen und Gerste anzubauen. Doch weder erfüllte TBL die damit verbundene Auflage, mit den Massai als Landeigentümern zu verhandeln, noch offerierte sie Entschädigung für das Land.
Von den 10’000 Morgen bebaute die TBL nur deren 700 (ca. 2,8 Quadratkilometer). So konnten die Massai weiterleben wie bis anhin: Während der nächsten 19 Jahre liessen sie auf dem restlichen Land ungestört ihr Vieh weiden und nutzen die Tränken. Das bestärkte sie im Glauben, das Land gehöre ihnen – bis im Jahr 2006 TBL das Land an TCL verkaufte, die Schwesterfirma des amerikanischen Safariveranstalters Thomson Safaris. TCL und Thomson Safaris sind beides Tochterfirmen von Wineland-Thomson Adventures Inc. von Rick Thomson und Judi Wineland.
Thomson wollte ein eigenes Naturreservat schaffen und schränkte die Weidemöglichkeiten für das Vieh der Massai mit den brutalen Methoden ein, welche die Massai dem Hohen Gericht beschrieben hatten. Die Gemeinschaft in Loliondo wurde zudem von einem weiteren Unternehmen, der Otterlo Business Corporation (OBC) bedrängt, die zwar keine Landtitel, dafür aber Jagdrechte auf einem Teil des Landes der Massai erworben hatte, um darauf für die betuchte Kundschaft aus den Vereinigten Arabischen Emiraten Jagdsafaris zu veranstalten. Dabei handelte es sich um Weideland, auf das die Massai in der Trockenzeit besonders angewiesen sind. In der Folge kam es zu einer ganzen Reihe grober Menschenrechtsverletzungen, die in der überwiegenden Mehrheit ungeahndet blieben. Gleichzeitig versuchten die beiden Unternehmen, durch Wohlfahrtprojekte die Gemeinschaft der Massai zu spalten.

Rechte der Indigenen systematisch verletzt

Die Massai sehen sich einem aggressiven Filz von fremden Investoren, deren Sicherheitsleute sowie Regierungsbehörden gegenüber, der vor übelsten Drohungen und Übergriffen nicht zurückschreckt. Selbst ausländische JournalistInnen und HelferInnen, die den Vorwürfen nachgehen oder über den Fall berichten wollen, sind nicht sicher. Die unabhängige Bloggerin Susanna Nordlund schreibt, sie sei 2010 nach einer Frage an den Gemeindevorsteher tags darauf von der Polizei verhaftet und zum Ngorongoro-Sicherheitskomitee gebracht worden, wo man ihr den Pass wegnahm. Sie musste bei der Einwanderungsbehörde in Arusha vorsprechen und wurde dort zur "verbotenen Immigrantin" erklärt. Tragisch endete 2008 der Fotograf Trent Keegan aus Neuseeland, der den Übergriffen auf die Massai nachgehen wollte: Er wurde von der Polizei und von Wachmännern von Thomson bedroht und Tage später erschlagen in der Kenianischen Hauptstadt aufgefunden.
Die Massai wandten sich erstmals 2010 an die lokalen Gerichte. Ihr Fall wurde 2013 aufgrund von Formfehlern abgewiesen. Im selben Jahr appellierten die Massai beim Hohen Gericht in Arusha.
Nach internationalem Recht können die Massai Projekten auf ihrem angestammten Land oder unter Nutzung von dessen Ressourcen ihre Zustimmung gewähren oder verweigern. Staaten haben die Pflicht, die Menschenrechte ihrer BürgerInnen zu schützen, deren Verletzung zu untersuchen und für Wiedergutmachung zu sorgen. Privatunternehmen müssen dafür sorgen, dass sie durch ihre Geschäftstätigkeit keine Menschenrechtsverletzungen verursachen oder dazu beisteuern, und haben negative Menschenrechtswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit auszuräumen. Gerne nutzt die Regierung Tansanias Bilder der halbnomadischen Massai-Indigenen mit ihren besonderen Bräuchen und Kleidungen für die Tourismuswerbung. Doch wenn es um den Schutz ihrer Menschenrechte geht, ziehen sich Staat und Unternehmen gleichermassen aus der Verantwortung.