Tomás Eloy Martínez: Der Flug der Königin. Roman

(El vuelo de la reina, 2002. Aus dem Spanischen von Peter Schwaar)
Surhkamp Verlag, Frankfurt am Main 2003
282 S., EUR 22.90, SFr. 39.50
ISBN 3-518-41474-7

Dr. Camargo beobachtet mit einem Fernrohr eine Frau in der gegenüberliegenden Wohnung. Es ist der gierige Blick, der das Objekt seiner Liebe beherrschen will. Ein anderes Mal schleicht er sich in ihre Zimmer, mischt ihr heimlich ein Schlafmittel in den Orangensaft, damit er sie im Tiefschlaf nackt filmen und zu Hause ihre Bilder betrachten kann. Dr. Camargo ist der angesehene Chefredaktor einer einflussreichen Zeitung in Buenos Aires. Er wagt es, politische Skandale aufzudecken, kritisch über einen Waffenschmuggel  zu informieren und den Präsidenten anzugreifen. Selber ist er aber ein Machtmensch, der alle in seiner Umgebung beherrschen will und letztlich keine wirklichen Beziehungen aufbauen kann. Seine Ehe geht in Brüche, das Schicksal seiner an Krebs erkrankten Tochter berührt ihn nicht und die Hilferufe vor ihrem Tod hört er nicht. In der Redaktion begegnet ihm die begabte junge Journalistin Reina, in die er sich verliebt. Er gibt ihr eine gute Position an der Zeitung, um sie von sich abhängig zu machen. Das geht soweit gut, bis Reina sich in einen kolumbianischen Kollegen verliebt. Mit aller Gewalt versucht Dr. Camargo seine Geliebte an sich zu binden. Er schreckt vor grösster Grausamkeit nicht zurück. Ob das gelingt?
Tomás Eloy Martínez zeichnet in seinem spannenden Roman, der streckenweise einem Kriminalroman gleicht, ein differenziertes Psychogramm eines Machtmenschen, wie er nicht nur in Lateinamerika zu finden ist. Den Schlüssel für das Rätsel der frauenverachtenden Haltung findet der Autor in der Kindheit des Chefredaktors, von der sich dieser nie befreien konnte. Aber das Buch ist zum Glück keine trockene Theorie, sondern eine packende Erzählung, die Lesende Schritt um Schritt hinein nimmt, bis das Grauen unausweichlich wird.

Michael Schwarz

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